Wasser predigen, Wein trinken? – Mein Nutzungsverhalten 2021

Traditionell gebe ich gegen Ende des Jahres einen kleinen Einblick in mein Nutzungsverhalten und das, was sich im vergangenen Jahr geändert hat. Viele Verfechter von Datenschutz und Privatsphäre schreiben gerne über das richtige Nutzungsverhalten, aber jeder muss Kompromisse machen.

Der Blog auf [Mer]Curius spiegelt meine gegenwärtigen Interessen im Bereich Datenschutz/-sicherheit meist ziemlich gut wider. Für viele Leser dürften sich daher einiges Bekanntes wieder finden.

Hardware & Betriebssysteme

Meine Rückkehr zu Linux hat sich im letzten Jahresrückblick bereits abgezeichnet. Es hat dann doch stärker geruckelt, als ich das anfänglich vermutet hatte. Einfach, weil ich mir in den Apple-Jahren einen gewissen Komfort angewöhnt habe, den ich nicht mehr missen möchte. Ein weiterer für mich wichtiger Aspekt ist Datenschutz und Sicherheit. Linux ist hier nicht so optimal aufgestellt, wie es gerne dargestellt wird. Hier tut sich zum Glück einiges und mittelfristig dürfte Linux hier deutlich besser dastehen. Leider sehen das nicht alle so und so treibt mich die selbstzufriedene Bräsigkeit großer Teile der Community regelmäßig auf die Palme. Zum Leidwesen mancher Leser.

Meine anfängliche Unzufriedenheit konnte ich zumindest teilweise lösen, indem ich von KDE Plasma zur Pantheon Shell migriert bin. Bei der Rückkehr zu Linux hatte ich die Wahl von Plasma als Desktop kaum hinterfragt, schließlich steigt man meist wieder da ein, wo man vorher aufgehört hat, aber nach langen Jahren mit macOS habe ich das Stückwerk ohne erkennbare Leitlinie der VDG einfach nicht mehr ertragen.

Grundsätzlich habe ich die partielle Abkehr von macOS aber nicht bereut. Auch ein Jahr nach der Veröffentlichung der ersten Geräte mit M1 Prozessor kann man kein anderes Betriebssystem auf den Geräten nutzen und Virtualisierung funktioniert nur sehr eingeschränkt mit ARM-VMs. Zudem experimentiert Apple mit zweifelhaften Funktionen wie Client Side Scanning und sollten die zur Marktreife kommen, steht der Kunde mangels alternativer lauffähiger Betriebssysteme mit einem Haufen Elektroschrott da. Jedenfalls sofern das Themen sind, die den Nutzer umtreiben – so wie mich eben. Linux bietet hier mehr Freiheit, wenn sich ein Projekt in die falsche Richtung entwickelt. Man ist nicht derart auf Gedeih und Verderb einem einzigen Hersteller oder Entwicklerteam ausgeliefert.

Wobei das nicht bedeutet, dass ich niemandem zu Apples Hardware raten würde. Vergangene Woche haben wir hier im Haushalt ein MacBook Air 2020 angeschafft. Schönes und extrem flottes Gerät und wunderbar geeignet, wenn der Anwender damit einfach in Ruhe seine Sachen erledigen möchte. Nur für mich eben als Hauptgerät nicht mehr geeignet.

Mobil habe ich vergangenes Jahr verstärkt mit LineageOS gearbeitet und bereite gerade den Umstieg auf GrapheneOS mit neuer Hardware vor. Alternativ gibt es noch ein iPhone SE 2020, das sicher noch viele Jahre als Alltagsgerät seinen Dienst tun wird.

Kern meiner Datenhaltung und Synchronisation ist immer noch das gleiche Synology NAS wie seit Jahren. Ich bin dabei mit Synology nicht übermäßig glücklich, weil ich die Updatepolitik hinsichtlich Sicherheitsupdates bei einem so exponierten System nicht professionell genug finde, aber so lange die Hardware läuft und unterstützt wird, werde ich hier wohl nicht migrieren.

Homeoffice im zweiten Jahr

Während privat Open Source nun wieder viel stärker zum Einsatz kommt, bin ich beruflich so richtig schön proprietär unterwegs und finde das nicht mal schlecht. Ich könnte wegen der aktuellen Sonderregelungen (Corona, Homeoffice etc. pp.) sogar mit Linux arbeiten, aber möchte es gar nicht. Aufgrund ausgedehnter Homeoffice-Zeiten gehören diese Betriebssysteme und Programme inzwischen auch faktisch in meinen IT-Haushalt und werden daher hier aufgeführt.

Windows, Microsoft Office, Citavi, Zoom, das ein oder andere Microsoft Teams oder WebEx-Meeting. Ja, hartleibigen Datenschützern dreht sich hier der Magen um, aber es funktioniert und leider auch viel besser als Lösungen wie Big Blue Button, das wir auch haben und wo die Ärgernisse von der eher bescheiden Oberfläche, den bescheidenen Funktionen und der noch bescheideneren Performance inzwischen zum üblichen Smalltalk der Videocalls gehören. Endlich eine Alternative zum Wetter und Pandemie-Status.

Kommunikation

Abgesehen von der Arbeitskommunikation hat es in diesem Bereich im letzten Jahr erstaunliche Fortschritte gegeben.

Die E-Mail ist bei mir massiv auf dem Rückzug. Da ich E-Mails nie lösche und lediglich in Jahresarchive absortiere kann ich das auch gut quantifizieren. Dieses Jahr habe ich knapp 50 % weniger Mails bekommen und beantwortet als im Vorjahr, womit sich ein langjähriger Trend noch mal beschleunigt hat.

Stattdessen hat aufgrund der amateurhaften Kommunikationspolitik von Facebook Signal bei mir dieses Jahr einen Quantensprung gemacht. 70 % meiner Kontakte und Gruppen kann ich inzwischen über Signal abwickeln. Die Migrationsbewegung hielt aber nur kurz an und seit dem Sommer hat sich hier nichts mehr getan. Die verbliebenen WhatsApp-Kontakte sind echt renitent, weshalb mir WhatsApp erhalten bleibt. Wirklich verloren hat Threema, das bei mir fast keine Rolle mehr spielt. Wenn die Handvoll Kontakte dort noch auf Signal migriert, brauche ich es eigentlich nicht mehr.

Dienste

Ähnlich wie letztes Jahr ist dieser Bereich bei mir sehr statisch. Gerade noch einen Blick auf Desktop und Smartphone geworfen. Das meiste wie z. B. den PIM-Bereich, „Cloudspeicher“ oder RSS-Synchronisation betreibe ich selbst. Der Eigenbetrieb gewährleistet bei mir die höchstmögliche Sicherheit bei gleichzeitigem maximalen Komfort, weil ich eben doch alle Vorteile nutzen kann, die sich aus „Clouddiensten“ und Synchronisation ergeben.

Bei der Suchmaschine nutze ich immer noch DuckDuckGo. Vermutlich nicht die beste Lösung hinsichtlich des Datenschutzes, aber für mich die beste Kombination aus Ergebnisqualität und Datenschutz. Eine Suchmaschine mit der ich nichts oder nur mangelhafte Ergebnisse erziele, nützt mir schließlich auch nichts. Am Desktop arbeite ich für die Navigation sehr zufrieden mit GNOME Maps, für Android nutze ich OsmAnd, wobei ich damit nicht sonderlich zufrieden bin, weil die Oberfläche überladen und die Suchfunktion unterirdisch ist.

Sünden

Nicht nur die genutzten Dienste ändern sich kaum, sondern auch der Katalog an „problematischen“ Diensten und Lösungen ist ziemlich statisch. Twitter, WhatsApp und als besonderes Ärgernis der DB Navigator bleiben mir als besonders problematische Dienste erhalten. Perspektivisch hoffe ich hier wenigstens auf WhatsApp verzichten zu können. Zudem habe ich immer noch zwei Streaming-Dienste für Serien und die DSGVO-Auskunft bei beiden hat es in sich.

Bei der Hardware meide ich den Smart Home-Trend, habe aber inzwischen einen TV von LG mit webOS Betriebssystem (was so gut wie nichts mehr mit den Palm-Wurzeln zu tun hat), von dem ich lieber nicht so genau wissen möchte, was er so an Daten sendet und Sonos Speaker, bei denen das Gleiche gilt.

Cruiz
Cruizhttps://curius.de
Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.
  1. Es ist schon beeindruckend, dass immer die Gleichen mit den freien Lösungen unzufrieden sind, meckern – und am Ende doch wieder (um es in deinen Worten zu sagen) bräsig auf der datenschutztechnisch grauenvollen Bestandslösung bleiben. Weil da ja alles funktioniert. Warum dann überhaupt das Gemäkele bspw. an Big Blue Button? Dann nutz es doch einfach nicht und werde glücklich.

    Davon abgesehen:
    Wenn Big Blue Button so schlecht ist, wie du es so supi-pointiert darstellst, frage ich mich schon wie wir seit 1,5 Jahren alle unsere Firmenmeetings (auch mit externen Nutzern) problemlos erledigt bekommen. Aber gut, die UI von Teams ist natürlich viel intuitiver. Das muss man schon anerkennen…

    Oh, und wenn wir schon beim Thema amateurhaftes Stümperdesign sind:
    Wer mit einem Desktop arbeitet, der ernsthaft Super+Space als Hotkey für den Programmstarter verwendet, hat eigentlich keinerlei Legitimation für irgendwelche Desktop- oder UX-Kritik. 😉

    • Die Tastenkombination kann man bei Pantheon einstellen, findet man sogar schnell in den sehr übersichtlichen Systemeinstellungen und ohne Tweak-Tool. Übrigens ohne hässlichen Workaround wie bei KDE bzgl. der Supertaste, aber lassen wir das…

      Wenn man auf jede Kritik immer so angefasst reagiert, ist es kein Wunder, dass man immer schlechter wird. Diese Wagenburg-Mentalität kann man bei KDE seit dem verkorksten Wechsel auf KDE SC 4 beobachten. Ich bin bei Weitem nicht der Erste, der die „Leistungen“ der VDG in den vergangenen – sagen wir mal 3 – Jahren hinterfragt. Das kam sogar schon aus den Reihen der KDE-Entwickler – wie du sicherlich weißt. Wie wäre es, wenn du stattdessen mal die aktuellen HIG von KDE zeigst und inwiefern diese z. B. bei den Systemeinstellungen umgesetzt werden. Oder dieses neue ad-hoc Hamburger-Menü, in das man trotzdem alle alten Menüpunkte auf Teufel komm raus integriert? Oder die vielen unsystematischen Änderungen, die Nate jede Woche präsentiert, wo einfach jeder irgendwas macht, ohne Konzept, ohne Gesamtidee. Das ist für mich „amateurhaftes Stümperdesign“.

      Zum BBB vs. alle andere: Ja, man kann damit arbeiten. Ja, es ist schön, dass wir wenigstens eine freie, halbwegs funktionsfähige Lösung haben. Das gilt aber nur, sofern man Browser-Apps mag, in jedem Meeting die Default-Einstellungen ändert (Animationen & seitenweises Anzeigen), nicht mehr als ~30 Leute mit Kamera zuschaltet. Ja, es gibt einige ganz nette Funktionen. Nein, man ist nicht auf dem gleichen Niveau wie z. B. Zoom. Das ist Konsens unter allen Anwendern, die ich kenne und das muss man auch mal anerkennen. Ansonsten wird man nicht ernst genommen.

      Beim Datenschutz muss man übrigens sehr genau hinschauen, was man vergleicht. Im Zweifel siegt natürlich BBB, aber da spielen einige Faktoren rein. BBB hat hier Startvorteile, weil es Open Source ist, aber die kann man auch zunichte machen, wenn man es falsch betreibt oder durch einen Dienstleister betreiben lässt. Zoom kann man hingegen auch lokal im RZ betreiben, wodurch „nur“ die Metadaten an Zoom gehen. Das wird sehr gerne unterschlagen. Außerdem muss man sich den Faktor Verschlüsselung noch genauer ansehen, weil BBB das nur für den Transport bietet. Hinzu kommen noch ein paar unschöne Funktionen, wie die Videoaufzeichnung bei BBB. Insgesamt sind solche Datenschutz-Abwägungen nicht so trivial, wie sich das manche immer vorstellen.

      • Meine Erfahrungen mit einigen unfreien Alternativen Zoom und Goto-Webmeetings sind auch eher durchwachsen. Die Kamera funktioniert nicht bei einigen oder einige können von niemandem die Kamerabilder sehen. Woran es liegt kann ich bei beiden auch nicht nachvollziehen, aber diese Probleme treten auch dort auf.

        • GoToMeeting hatte ich nur ein Mal vor Jahren (vor Corona schon) im Einsatz. Da kann ich also nichts fundiertes zu sagen.

          Bei Zoom: Meines Wissens nach setzen das viele große (alle?) deutschen Universitäten für den Lehrbetrieb ein. Wenn es diese Probleme wirklich im größeren Stil geben würde, wäre der Lehrbetrieb seit bald 2 Jahren nicht möglich gewesen 😉

          • Es kann natürlich an der speziellen Situation in meinem Umfeld liegen, das dort Probleme aufgetreten sind. Wobei ich nicht weiß, was die Ursachen jeweils waren.

      • Scheint so. Ich mag das Branding, die Übersichtlichkeit, das Tempo und die Qualität der Ergebnisse. Was will man mehr?
        Ich mag auch nowtransfer und Hedgehog von adminforge und oute mich lieber gleich als Fan boy von denen…:-)

        VG

        Marcus

  2. Ich bin Anfang 2020 nach 17 Jahren Mac zu Linux gewechselt. Da ich mich mit GNOME nie anfreunden konnte, bin ich bei Plasma (Kubuntu) gelandet. Ja, hier und da gibt es Inkonsistenzen, die PIM Apps sind ziemliche Gülle, usw. Am Ende hat jede Distro bzw. jedes DE seine Macken, es fragt sich nur, mit welchen man am ehesten leben kann.

    Ich komme mit Plasma jedenfalls wunderbar klar und die Macken finde ich allesamt vernachlässigbar. Und das, obwohl ich als eingefleischter Mac-Nutzer Linux-Desktops immer mit einem Naserümpfen betrachtet habe, weil sie eben nicht so schnieke aussehen wie macOS.

    Mittlerweile habe ich mir eine sehr pragmatische Sicht auf die Dinge angewöhnt. Plasma läuft bei mir fast „out of the box“ ohne große Anpassungen, und wenn diverse Bedienelemente mal hier, mal da sind, und nicht immer alles rund läuft, ist mir das relativ egal. Ich nutze fröhlich Qt- und GTK-Apps nebeneinander, außerdem noch die eine App, für die es unter Linux wirklich keinen auch nur halbwegs ebenbürtigen Ersatz gibt (Scrivener), über Lutris/Wine. Dazu noch diverse selbsgehostete (und leider noch ein oder zwei proprietäre) Web-Apps. Alles ein ziemliches Flickwerk, aber es tut, ich kriege meine Arbeit damit erledigt, und wenn mal etwas nicht läuft, weiß ich i. d. R., wo ich hinlangen muss. Summa summarum ist mir das 1000 Mal lieber als jeder noch so schicke Mac, der – wie du ja auch sagt – letztlich eine „friss oder stirb“-Sackgasse ist, der man auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist.

Kommentieren Sie den Artikel

Ergänzungen dienen der Diskussion über die Inhalte des Artikels. Nachfragen, Anmerkungen und Ergänzungen sind dezidiert erwünscht. Ergänzungen werden vor der Veröffentlichung moderiert. Wir behalten uns vor Kommentare ohne inhaltlichen Bezug oder abseitige Diskussionen nicht zu veröffentlichen.

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Weitere Artikel