Chaos bei openSUSE

Die traditionsreiche Distribution openSUSE kommt einfach nicht zur Ruhe. Der geneigte Anwender wundert sich, dass in den letzten Jahren überhaupt so gute Produkte und Releases veröffentlicht werden konnten. Jüngste Episode der Dauerkrise ist der Versuch des Mutterkonzerns SUSE, seine Markenautonomie gegenüber der Community-Variante zu stärken.

Langjährige Leserinnen und Leser wissen, dass ich openSUSE sehr zugetan bin. Warum, weiß ich nicht so genau. Wahrscheinlich, weil ich damit bei Linux 2007 angefangen habe und nie wirklich enttäuscht wurde. Ausflüge in andere Distributionen führten mich immer wieder zu einer SUSE-Variante zurück. Umso besorgter verfolge ich das aktuelle Chaos.

Im Prinzip begann das Chaos 2015, als das openSUSE-Projekt seine letzte klassische Version 13.2 veröffentlichte. openSUSE verabschiedete sich danach aus verschiedenen Gründen von diesem Modell. Mangel an Entwicklern oder zu viele Mitwirkende – die Nachrichten waren widersprüchlich. Auf jeden Fall war das klassische Modell mit einem Release alle 9-12 Monate veraltet und wurde auch von SUSE nicht mehr als Basis für SLE benötigt.

Parallel dazu hat openSUSE eine eigene Rolling-Release-Distribution namens Tumbleweed veröffentlicht. Diese ist meiner Meinung nach der größte Erfolg des Projekts. Tumbleweed hat Leute zu openSUSE gebracht, die diese Distribution vorher gemieden haben und hat den Markt der RR-Distributionen sinnvoll ergänzt. RR in Kombination mit Btrfs-Snapshots und einem ausgeklügelten QA-System war in vielerlei Hinsicht wegweisend für spätere Entwicklungen.

Parallel zu Tumbleweed wurde das Projekt Leap gestartet. Beide Produkte waren als Ergänzung gedacht. Tumbleweed als RR-Variante erfreut sich bis heute großer Beliebtheit, aber stabile Setups sind eine wichtige Zielgruppe für openSUSE, wie die Statistiken zeigen. Leap basierte auf der Idee, openSUSE und SLE näher zusammenzubringen, Synergien zu heben und leichtere Migrationen von openSUSE Leap zu SLE zu ermöglichen. Die Idee hatte etwas für sich, krankte aber an vielen Problemen. Drei Probleme waren aus meiner Sicht zentral:

  1. Das Konzept erwies sich als problematischer als erwartet. SLE ist eine Enterprise-Distribution und speziell auf diese Bedürfnisse zugeschnitten. In den letzten Jahren hat sich bei jedem Release gezeigt, dass es nicht so einfach ist, die Community-Komponenten darauf aufzusetzen.
  2. Die meisten Community-Entwickler beteiligen sich an der Tumbleweed-Entwicklung. Leap spielte nur eine untergeordnete Rolle. Dies wirkte sich auf die Qualität aus.
  3. Ständige Konzeptänderungen (z.B. Tick-Tock-Versionssprünge, Repo-Umstrukturierungen, Versionierung etc.) waren für den normalen Anwender nicht transparent und oft nur durch die erratische Politik von SUSE zu erklären.

Daneben hat die Community eigene Spielfelder entwickelt. MicroOS mit seinen Desktop-Derivaten, zuletzt Slowroll als stabilere Variante von Tumblweed. Im Hintergrund droht immer SUSE ALP, von dem aber nichts wirklich nach außen dringt.

Als es also ums Eingemachte ging, gab es zunächst eine merkwürdige Umbenennungsaktion der einzelnen MicroOS-Varianten, bei der selbst SUSE-affine Leute wie ich am Ende kaum noch durchblickten. Gefolgt von einem ebenso merkwürdigen Logo-Wettbewerb, dessen Sinn sich vielen nicht so recht erschloss. Vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung war die Aufforderung von SUSE, die Community-Distribution umzubenennen, um eine bessere Abgrenzung zur Enterprise-Variante zu erreichen. Also genau das Gegenteil von dem, was in den letzten Jahren mit Leap gemacht wurde.

Ich hoffe sehr, dass das Ganze eine gute Entwicklung nimmt. Denn unter der Haube dieser Rebrandings und Umstrukturierungen laufen technisch sehr interessante Entwicklungen, die wegweisend für andere Distributionen sein können.

Cruiz
Cruizhttps://curius.de
Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.
  1. Danke für Deine tollen Beiträge zu openSUSE !
    Ich selbst bin auch ein großer Fan und seit Version 7.3 dabei.
    Ich verstehe das ganze Durcheinander auch nicht, es sorgt für Unsicherheit beim Anwender.
    Wir haben in der Firma mehrere SLES Server seit Dekaden im Einsatz (med. Laborsysteme etc.) und sind super zufrieden, …unkaputtbar ! Aktuell SLES 15.5.
    Privat setze ich auf Leap, auf Dell- und Apple-Hardware, …rennt wie Sahnepudding.
    Leider gibt es nur wenig Literatur vom Hersteller.
    Mach bitte weiter so, lese gerne hier quer durch die Themen.

  2. Das Chaos geht, wenn du dir die Vergangenheit anschaust immer von einer einzelnen Person aus, die sich schon lange im openSUSE Board befindet. Diese Person geniesst das streuen von Halbwahrheiten und das darauffolgende kopflose herumgerenne in der Community. Viele der angeblich von SUSE kommunizieren Forderungen wie die Umbenennung gibt es in der Form offiziell nicht. Das schreibt die Person aber auch tatsächlich jeweils dazu (internel Sources, cannot say more). Ich weiss nicht ob es das Vergnügen am Chaos ist (Brandstifter Syndrom) oder etwas anderes, aber solange die personelle Situation im Board sich nicht ändert, wird es so weitergehen.

  3. Ich war sehr lang als Paketierer bei openSUSE dabei. Man muss sich ja zwangsläufig damit beschäftigen, da es deutlich weniger Pakete und auch Beitragende gibt als anderswo. RPM ist ein Format, das man recht schnell blicken kann. Der open build service war in einer Zeit wo GitHub noch nicht so leicht mit CI verknüpfbar war schon seiner Zeit etwas voraus.

    Für ich ist einerseits der Misserfolg und auch fragwürdige Entscheidungen offenbar von der Mutterfirma aber auch vor allem laute Leute wie Richard Brown ein Grund zu gehen. Wenn eine Person einfach im Alleingang entscheidet, dass KDE rausfliegt, weil es nicht gut mit Containern harmoniert, während er auf der FOSSdem vor ein paar Jahren noch gepredigt hat, dass Container die DLL Hölle aus Windowszeiten sind. Ich kann das nicht weiter ernst nehmen. Auch auf Reddit geht dieser Projektleiter ständig die Leute angeht, spricht von Benutzern als Parasiten spricht, die ja nichts beitragen. Nicht davon wird wegmoderiert. Seitens des SUSE Marketings keine Reaktion auf derart projektschädigendes Verhalten.

    Zudem hab ich leider auch noch SUSE Aktien gekauft, die ich mit starken Verlusten nach der Rückkaufaktion wieder abtreten musste. Sehr ärgerlich, weil das Geschäftsmodell von RedHat nur mit Firmensitz in Europa eigentlich laufen müsste. Wie kann man sich da so stark verzocken?

    Wer stabile Distributionen will, ist bei Debian oder Derivaten wahrscheinlich am besten aufgehoben. Ich bin mittlerweile mit Arch sehr glücklich. Da kann ich auch meine AUR Pakete hochladen, alles verteilt sich auf mehr Schultern und ist deutlich simpler gehalten und es gibt weniger Drama. Schade, ich hätte gerne eine deutsche Firma unterstützt. Wer sich mal Arch Linux von der Herkunft der Mirror und der Beitragenden anschaut, der wird viele aus Deutschland finden. Der Markt und die Arbeitskraft wäre da.

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