Die leicht erregbare Internetöffentlichkeit hat mal wieder ihr nächstes Thema gefunden: Auch Linux ist böse! Konkret geht es um die Erhebung von Telemetriedaten durch Ubuntu seit Version 18.04 und – wie nun bekannt wurde – auch openSUSE. Bei genauerer Betrachtung sieht man, dass das gar kein Problem ist. Aber was nützen schon Fakten und Recherche, wenn paranoide Wutkommentatoren in die Tasten hauen.
Zu den Fakten: Ubuntu hat im Verlauf der Entwicklung von 18.04 beschlossen, dass man ein System einführen möchte, über das einige Telemetriedaten gesammelt werden können. Bei Installation und Upgrade wird der Anwender gefragt, ob er dieser Datensammlung zustimmt. Sofern der Anwender zustimmt, erhebt Ubuntu folgende Daten:
- Ubuntu-Version
- OEM/Manufacturer
- Device model number
- BIOS Info
- CPU Details
- GPU Details
- Arbeitsspeicher
- Partitionierungsinformationen
- Displaydetails
- Auto-login
- Live Patching Status
- Desktopumgebung
- Displayserver
- Zeitzone
Siehe dazu auch entsprechenden Bericht auf OMG!Ubuntu.
Passend zur Veröffentlichung von openSUSE Leap 15 kam nun heraus: Auch openSUSE sammelt Daten. Das kommt jetzt nicht sonderlich überraschend, da bekannte Vorträge zu openSUSE in Zahlen (Beispiel 2016) logischerweise eine Grundlage haben mussten. Dazu vergibt openSUSE eine eindeutige System-ID (UUID), die im Verzeichnis /var/lib/zypp gespeichert ist. Hinzu kommen Informationen über die bei der Basisinstallation gewählten Pakete, die Installationsmethode (z. B. FTP) und die gewählte Locale (z. B. de-DE).
Die openSUSE Entwickler können dadurch nachvollziehen, wie viele Benutzer Systemaktualisierungen von einer Version auf die nächste machen und wie viele aktive Installationen es gibt, auch getrennt nach Leap und Tumbleweed.
Eine ausgewogene Analyse kann man beispielsweise in diesem Youtube-Video anhören. Relevant ist der Teil bis Minute 8.57.
Der dortigen Bewertung ist wenig hinzuzufügen. Beide Beispiele, openSUSE und Ubuntu, zeigen einfach, dass hier Linux-Distributionen versuchen zu ermitteln, wie relevant sie in welchen Märkten sind. Hinzu kommen einige Hardwaredaten, die durchaus nachvollziehbar wichtig sind. Da geht es immerhin um Fragen, welche Treiber für die Anwender wichtig sind, wie viel Leistung ihre Systeme haben etc. pp.
In beiden Fällen täten die üblichen gleichermaßen ahnungslosen, wie lautstarken Wutkommentatoren gut daran ein bisschen vom Gaspedal zu gehen. Beide Distributionen erheben erst einmal keine personenbezogenen Daten (die IP-Erhebung bei openSUSE ist dafür zu unklar). Grundsätzlich ist es eine Binsenweisheit, dass auch Linux-Systeme Verbindungen nach außen aufnehmen und dabei zwangsläufig Informationen wie die IP-Adresse teilen. Aufnahme zu Updateserver, NTP etc. sind gar nicht anders möglich.
Bei Ubuntu wäre natürlich eine Opt-in Vorauswahl wünschenswert, bei openSUSE überhaupt eine grafische Wahlmöglichkeit für den Anwender. Das sind aber Feinheiten, die schon alleine deshalb irrelevant sind, weil die grafische Wahlmöglichkeit bei Ubuntu die üblichen Wutbürger nicht besänftigt hat.
Außerdem ist nicht jede Datenerhebung von vornherein bösartig. Entwickler brauchen Feedback um sinnvolle, datengestützte Entscheidungen treffen zu können. Problematisch wird es erst, wenn diese Daten zu großen Datenpools verbunden werden (Stichwort Weitergabe an Dritte), die dann umfassende Aussagen über ihre Verursacher zulassen. Beides ist bei den kleinen Linux-Distributoren weder aktuell der Fall, noch unmittelbar zu befürchten.
Mit solchen emotionsgeleiteten Debatten leitet man nur Wasser auf die Mühlen der großen IT-Giganten, die immer behaupten, was sie machen wäre nicht schlimm bzw. würden alle anderen sowieso auch tun. Wenn Microsoft mit Windows 10 viel umfassendere Telemetriedaten erhebt (Stichwort Suchbegriff, Browserverlauf etc. pp.), kann es diese Daten mit vielen anderen Datenquellen (z. B. Skype, Bing) zusammenführen und dies ist daher wesentlich problematischer. Der einordnende Vergleich ist somit notwendig und nicht relativierend.
Ganz im Gegenteil, es wäre wünschenswert, wenn viel mehr Linux-Distributionen das machen. Eventuell würde so manchem Entwickler dann mal klar werden, dass er sein einziger Anwender ist. Aber das nur am Rande.