Die Distribution elementary OS gehört zu den bekannteren Linux-Varianten. Insbesondere für macOS-Umsteiger wird sie immer wieder empfohlen. Aktuell steckt das Projekt wohl fest, auch wenn sich die Entwickler ausschweigen.
Planbarkeit gehört bei Open Source längst zum guten Ton. Den Status als nerdiges Hobby-Projekt haben viele Entwickler lange hinter sich gelassen und die Anwender verlassen sich zurecht darauf. KDE, GNOME, LibreOffice, Firefox – sie alle haben fest Roadmaps für die kommenden Versionen. Das gleiche gilt für die Distributionen – selbst Debians Veröffentlichungen sind in den vergangenen Jahren planbar geworden.
Ich habe elementary OS in der Vergangenheit sehr wohlwollend begleitet und im letzten Sommer auch experimentell auf einigen Systemen in den Produktiveinsatz gebracht. Für mich ist Pantheon einfach das bessere GNOME und zusammen mit dem GNOME-Stack eigentlich ein sehr gutes Desktopsystem.
Als Sponsor des Projekts kann man bereits seit Längerem auf die Entwicklungsschnappschüsse zugreifen. Die Entwickler bitten darum, daraus keine Testberichte zu machen, was ich deshalb bisher auch nicht getan habe. Die Daily-ISOs zeigen jedoch gravierende Probleme.
Das elementary-Projekt war sich nie so richtig im klaren, wohin die Reise gehen soll, auch wenn man das jetzt ganz stringent darstellt. Angefangen mit kleinen Mods, kam eine Desktop-Umgebung, ein Ubuntu-Derivat hinzu und zuletzt einen Haufen neuer Projekte.
Mit der neuen Version elementary OS 6 wollte man nicht nur ein eigenes Flatpak-Ökosystem etablieren – und arbeitete damit konträr zur Ubuntu-Basis – sondern zusätzlich auch noch einen eigenen Installer ausrollen. Dazu kommen Kooperationen, um elementary OS direkt auf Notebooks von kleineren Herstellern auszuliefern. Spoiler: Das Flatpak-System beschränkt sich gerade auf Epiphany und der Installer funktioniert mehr schlecht als recht.
Dazu wollte man die PIM-Suite von macOS kopieren. Ein eigener Mailclient, ein eigener Kalender, eine Aufgabenverwaltung und Kontaktverwaltung. Zumindest die Aufgabenverwaltung ist nett geworden und könnte mit dem CalDAV-Backend eine Lücke im Linux-Ökosystem schließen.
Ubuntu 20.04 ist jetzt vor circa einem Jahr erschienen. Wenn elementary OS 6 jemals fertig wird, ist die Basis schon ziemlich alt. Böse Zungen schreiben da gerne „verrottet“. Die Reise geht längst in Richtung der nächsten LTS 22.04, die bereits in einem Jahr erscheinen wird. Durch viele Eigenentwicklungen trifft das elementary OS nicht komplett, aber die meisten Anwender greifen auf diese oder jene App aus den Paketquellen zurück. Eine wenig Verzögerung ist bei diesen Projekten üblich, aber elementary OS 5 folgte nach lediglich 6 Monaten auf Ubuntu 18.04.
Die Frage, ob nicht eine andere Basis sinnvoll wäre, kam durchaus aus der Community und wurde ziemlich unwirsch abgebügelt. Die Hybris scheint sich also weniger auf so nahe liegende Probleme zu erstrecken.
Das ist durchaus ein Problem, da rund um elementary ein eigenes kleines App-Ökosystem entstanden ist. Hier ist aber seit einiger Zeit offenkundig die Luft raus. Vermutlich weil viele Entwickler kein Interesse mehr haben, für eine 18.04-Basis zu entwickeln.
Elementary-Anwender sitzen also weiter auf einer 18.04-Basis, bei der große Teile des universe-Bereichs zusammen mit den offiziellen Derivaten faktisch jetzt aus dem Support gefallen sind. Die Entwickler haben jetzt einen Relaunch des Stores vorgestellt. Eine Roadmap für die Version 6 wäre schöner gewesen.
Nachtrag 01.05.2021:
Etwas zu früh gemeckert: Heute hat das elementary Team wenigstens mal eine öffentliche Beta rausgebracht. Der Weg ist dennoch noch weit. Mindestens eine weitere Beta und eine RC und aus ersten Tests sehe ich da schon noch einige Showstopper. Eine Veröffentlichung wird es vermutlich frühestens im Sommer geben.
elememtaryOS ist jetzt 10 Jahre alt und ich verfolge deren Entwicklung seit Beginn an. Das Projekt steckte schon immer fest und kam noch nie aus der Hüfte. Ich mag den negativen Unterton in Deinem rumgeningel nicht. Ich hab das stets als Hobby-Projekt, Prototyping und F&E-Spielwiese, aber niemals als ernstzunehmende Distro wahrgenommen und ich glaub auch nicht, dass die Entwickler an sich selbst den Anspruch haben eine Distro für den produktiven Einsatz bereitstellen zu wollen. Dass da in den letzten 2 Jahren mal die release-Zyklen enger wurde mag ja sein, wenn die aber an jeder Ecke das Rad neu erfinden (und das tun sie seit ihrer Gründung) brauchste halt entweder ManPower oder viel Zeit … also dauert’s bei denen halt: Jupiter kam n halbes Jahr nach 10.10. Luna kam 16 Monate nach 12.04, Freya 12 Monate nach 14.04, Loki 5 Monate nach 16.04, Juno 6 Monate nach 18.04 und Hera satte 20 Monate nach 18.04 … elementary OS dient der Community ausschließlich als Fallstudien-Projekt, aber wer das Zeug irgendwo im reallife mit ernstem Anspruch einsetzt hat sein Leben nicht im Griff.
„Ich hab das stets als Hobby-Projekt, Prototyping und F&E-Spielwiese, aber niemals als ernstzunehmende Distro wahrgenommen und ich glaub auch nicht, dass die Entwickler an sich selbst den Anspruch haben eine Distro für den produktiven Einsatz bereitstellen zu wollen.“
Das ist deine persönliche Meinung und deckt sich absolut nicht mit der Außendarstellung der Entwickler.
Na klar ist das „meine“ Meinung, die will ich auch keinem Aufdrängen. Sie deckt sicht vllt auch nicht mit deren Außendarstellung (k.A. ich hab nie mit einem derer Dev’s persönlich gesprochen), sehr wohl aber mit deren Arbeitsergebnis. #Selbstbild #Fremdbild
Ich will’s mal anders formulieren: Wenn Du ein StartUp gründest und 10 Jahre später immernoch ein StartUp bist, dann bist Du kein StartUp, sondern eine etablierte Company deren Business Case nur so halb zündet. Die Frage ist am Ende welche Erwartungshaltung man denen gegenüber hat und ich hab da halt gar keine, Du offensichtlich schon.
Verstehe ich dich also richtig? Meine Kritik ist fehl am Platz, weil meine Erwartungshaltung zu hoch ist? Und das obwohl das Projekt selbst diese Erwartungshaltung nährt?
Wenn man so vorgeht, darf man ja überhaupt nichts mehr kritisieren?!
Klingt für mich nicht so, dass er damit sagen will, dass deine Kritik fehl am Platz ist. Ich denke eR wollte nur seine persönliche Meinung dazu geben und ich kann beide Seiten verstehen. Vermutlich habt ihr sogar beide Recht, es gibt dort vermutlich Entwickler die eine Vision haben (oder gerne hätten) und auch entsprechend für eine solche Außendarstellung sorgen, es gibt aber vermutlich auch die einzelnen Entwickler, die in ihrer Freizeit einfach ein paar hübsche Apps beitragen wollen ohne sich viele Gedanken über das drum herum machen zu wollen. Und als OpenSource-Projekt kannst du solchen Freizeit-Entwicklern (die vermutlich den Großteil ausmachen) auch schwierig vorschreibt wie sie zu arbeiten haben. Zumindest weiß ich aus eigener Erfahrung wie schwierig es ist ein Team aus freiwilligen beisammen zu halten ohne sie zu demotivieren, wenn das attraktive Motivationsmittel Geld fehlt oder sehr knapp ist.
Danke für deine kritischen Beiträge, nur indem auch vermittelt wird was (der Meinung nach des einzelnen) schief läuft, kann sich etwas verbessern und das ist wichtig. Und da darf die Erwartungshaltung auch gerne sehr hoch gesteckt sein, denn genau wie du ja in diesem Artikel auch thematisierst, ist es ebenfalls wichtig sich Ziele zu setzen und diese dürfen auch sehr hoch sein. Nur so kann man auch eine Vision haben und daran gearbeitet werden diese zu erreichen.
Und das betrifft nicht nur die Softwareentwicklung, das trifft auch auf viele andere Bereiche zu. Z.B. Politik. Ein Bedingungslosen Grundeinkommen ist utopisch? Kein Kriege und offene Grenzen ebenfalls? Ja mag sein aber nur wenn wir uns als Menschheit diese utopischen Visionen als Ziel setzen, dann können wir uns zumindest an sie annähern und da ist z.B. ein Mindestlohn zwar noch weit entfernt von der Vision eines Bedingungslosen Grundeinkommens, aber immerhin ein kleiner Schritt dorthin, und hoffentlich werden noch viele weitere kleine Schritte folgen.
In diesem Sinne: Lasst uns kritisch sein, lässt uns utopische Visionen, Ziele und Träume haben und jeder auf unsere Art und Weise versuchen seinen kleinen Teil dazu beizutragen. Vor nicht all zu langer Zeit wäre vermutlich auch der OpenSource-Gedanke noch als Utopisch abgestempelt werden. Wer hätte früher jemals gedacht, dass das größte OpenSource-Projekt einmal zum Mars fliegen wird? Und tausende von Zeilen Code täglich dazu kommen, entfernt oder bearbeitet werden? 100te von Firmen dafür kooperieren selbst wenn sie eigentlich Rivalen sind? Das technische haben wir erreicht, der nächste Schritt wird die User Experience, sodass wir auch die kreativen Designer mit dem OpenSource-Gedanken anstecken 😉 Soviel also zum Wort zum Montag ^^ Allen einen guten Start in die Woche! 🙂
Elementary OS hatte ich ganz zu Anfang auch einmal genutzt und damals hat es mir noch recht gut gefallen. Aber irgentwann kamen mit den darauffolgenden Versionen diverse Bugs und Veränderungen, die mir das Ganze verleidet haben, ganz ähnlich die Entwicklung bei Ubuntu. Da gefallen mir Debian, Linux Mint oder MX Linux schon besser, da diese auch auf ihre User hören und Kritik annehmen und sich bessern, wo es geht.