Stock-Android – Ein Blick in den Abgrund

Privat arbeite ich schon lange nur noch mit GrapheneOS. Jetzt auch auf meinem Pixel-Tablet. Nach einigen Jahren mit diesem auf Sicherheit und Datenschutz optimierten Android-System konnte ich mich schon fast nicht mehr erinnern, warum ich mal geschrieben habe, dass Android keine Alternative ist. Bis ich wieder ein Stock-Android in die Finger bekam.

Das Ziel war ein möglichst gutes Smartphone zu einem möglichst günstigen Preis. Denn das Smartphone muss nicht viel können und folglich ist es nicht notwendig dafür >500 € auszugeben. Es gibt einige Marken, die sich auf dieses Budgetsegment spezialisiert haben. Meine Wahl fiel auf Motorola, weil eine kurze Recherche ergab, dass dort relativ wenig Bloatware vorinstalliert ist und es sich um ein weitgehend sauberes Stock-Android handelt.

Diese Information ist grundsätzlich nicht falsch. Dabei vergaß ich nur eines: Sauberes Google-Stock-Android ist immer noch randvoll mit Google-Apps. Dazu kommen noch ein paar Extras. Vorinstalliert sind:

  • Klassische Bloatware: LinkedIn, Booking.com, Facebook – Das lässt sich wenigstens alles deinstallieren.
  • Motorola Apps: 6 Apps von Motorola mit mehr oder minder sinnvollen Funktionen zur Anpassung und Verbindung des Geräts mit anderen Geräten. – Nichts davon lässt sich deinstallieren.
  • Google: Unzählige Apps von Google. Google Maps, GMail, Assistent, Chrome, Drive, Files, Fotos, GBoard, Google, Google One, Google Play, Google TV, Kalender, Meet, YouTube, YouTube Music – Um nur die Apps zu nennen, die sich nicht deinstallieren lassen.

Das obligatorische Google-Konto führt natürlich zu einer unausweichlichen Personalisierung des Datenflusses. Google sorgt zudem durch Manipulation der Anwender, dass möglichst viele Daten auf die Google-Server geleitet werden. Neue Kontakte werden z.B. standardmäßig im Google-Konto angelegt. Die omnipräsente Möglichkeit zur Synchronisation wird mit Sicherheitsversprechen beworben, während bei Abschaltung derselben eine Warnung erscheint. Möchte man dies nicht, muss dies explizit ausgewählt werden Über allgegenwärtige Abfragen beim Start neuer Apps versucht Google, privatsphäreorientiertes Handeln vorzutäuschen, indem Abwahlmöglichkeiten zur Datensammlung angeboten werden. Dadurch wird ein Gefühl der Kontrolle vermittelt, das jeder Grundlage entbehrt.

Eine Analyse des Datenverkehrs zeigt nämlich trotz sorgfältiger Konfiguration aller angebotenen Optionen immer noch unzählige Verbindungsaufbauten pro Minute, also gewissermaßen eine Standleitung zu Google.

Android in der Variante, die Google über die Gerätehersteller ausliefert, ist und bleibt ein Albtraum. Ein Albtraum, den Millionen Menschen in Deutschland täglich nutzen, weil im Duopol von Android und iOS nur Android-Smartphones preisgünstig zu haben sind.

Wer nicht gezwungen ist im Budget-Segment zu fischen und wem die Konfiguration mit Pixel-Geräten und GrapheneOS zu aufwändig ist, dem empfehle ich weiterhin den Griff zu einem iPhone. Selbstverständlich erhebt auch Apple Daten, aber der Datenabfluss lässt sich deutlich stärker einschränken als dies bei Googles Android-Variante der Fall ist. Letztendich gilt in meinen Augen immer noch das, was ich 2020 mal zum Vergleich von Apple und Google geschrieben habe. Google ist im Kern eine Werbefirma und Werbung geht einher mit Tracking. Diese Firma kennt keine Kunden, sondern nur Targets. Apple ist hingegen eine Hardware-Firma und möchte Geräte verkaufen. Das verwischt zwar durch die Diversifizierung des Portfolios bei beiden zunehmend, aber dieser Kern prägt das Selbstverständnis einer Firma und ihren Umgang mit den Daten ihrer Kunden.

Insofern hat mich dieser Ausflug in die Stock-Android-Welt erinnert, dass Android in der von den meisten Menschen verwendeten Variante nach wie vor eine Katastrophe ist. Diese wird tendenziell schlimmer, obwohl DSGVO und EU-Vorgaben es eigentlich besser machen sollten.

Cruiz
Cruizhttps://curius.de
Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.
  1. lustig, Albtraum oder Alptraum oder einfach beides? Ich musste schmunzeln.

    Irgendwie endet der Artikel sehr abrupt, ist das Absicht?

    Für Budgetkäufer halte ich auch nach wie vor LineageOS für eine akzeptable (für mich zufriedenstellende) Lösung, trotz der unabstreitbaren Unzulänglichkeiten, die insb. von GrapheneOS-Nutzern gerne betont werden. Unbedarften Dritten taugt das allerdings zweifelsohne auch nicht und würde ich hier auch nicht empfehlen. GrapheneOS ist meiner Meinung nach aber auch nicht wirklich die Lösung, da viele als grundlegend empfundene (Google-)Funktionen fehlen und Apps, die auf den Google-Kram angewiesen sind, nicht ohne weiteres funktionieren. Ja ich weiß, sandboxed gapps gibt es dort, aber das ist doch schon zu viel verlangt von den meisten Nutzern sich mit sowas zu befassen.

    Letztendlich ist wohl das Iphone tatsächlich nicht die schlechteste Wahl, da gibt es auch einen florierenden Gebrauchtmarkt, sodass die Preise bei budgetorientierten Käufern auch in den Griff zu bekommen sind.

    Alles in allem doch eine sehr unschöne Situation, aber naja, mein Problem ists nicht. Der Verbraucher hat sich eh längst daran gewöhnt.

  2. Ich habe mir im nachweihnachtlichen Ausverkauf auch ein neues Moto gegönnt.
    Das erste Smartphone seit Jahren das ich nicht mehr gerootet hab.

    Mit Shizuku und Canta hab ich alles unerwünschte deinstalliert.
    Unifiedpush und RethinkDNS eingerichtet.

    Mit dem Setup bin ich auf stock unterwegs und bis auf network location bin ich zufrieden.

      • Hab ich auch so gelesen. Anscheinend nur bei major updates.
        Seit Ende Dezember 2 kleinere Updates durch. Hat nix wieder installiert.
        In der OS App Liste stehen all die Apps mit dem Zusatz “Nicht für User installiert”.

  3. Das Problem ist halt, wie so oft, der Massenmarkt. Für normale User ohne tiefergehende Kenntnisse liest sich die Installationsbeschreibung ziemlich kompliziert. In meinen Augen viel komplizierter als etwa eine Linux-Installation auf alten Rechnern. Außerdem: Wenn ich es richtig interpretiere, werden ältere Smartphones (z.B. Pixel 3a) von GrapheneOS ebenfalls nicht mehr unterstützt. Dabei wäre gerade das zur Vermeidung von Elektronikschrott besonders attraktiv. Im Gegensatz dazu kann man Linux auch auf älteren Rechnern installieren und dort problemlos betreiben. Deshalb lässt man es aus Angst, ein funktionierendes Smartphone beim Installationsversuch von alternativen Betriebssystemen dauerhaft zu beschädigen, lieber gleich bleiben.

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