KDE Plasma 5 Teil II: Kein Feinschliff, keine Vision, kein Grund zu wechseln?

  1. KDE Plasma 5 Teil I: Käfer und Schuldzuweisungen
  2. KDE Plasma 5 Teil II: Kein Feinschliff, keine Vision, kein Grund zu wechseln?
  3. KDE Plasma 5 Teil III: Kein Name, keine Identifikation?

KDE SC 4 und GNOME 3 lösten unter den jeweiligen Anwendern regelrechte Schockwellen aus. Radikal wurde am bisherigen Nutzungskonzept eines Desktops gerüttelt und die jeweiligen Entwicklergruppen präsentierten ihre Vision eines modernen Desktops. KDE Plasma 5 fehlt eine solche Vision. Der Desktop verhält sich im wesentlichen identisch zu Plasma 4, lediglich ein neues Design wurde anstelle der bisherigen Oxygen-Optik implementiert. Einige Funktionen wurden modifiziert, aber das fällt in den Bereich evolutionärer Entwicklung. Viele Anwender werden eine konservative Bedienung des Desktop begrüßen, aber warum sollten Anwender zu einem System wechseln, dass keine Vorteile, wohl aber viele neue Fehler bietet.

Die größte oberflächliche Neuerung des neuen KDE Plasma 5 ist das Design Breeze. Plasma präsentiert sich in einer deutlich zurück genommenen Form und weniger 3D-lastig, als dies bei Oxygen der Fall war. Damit passt KDE das Design an den Zeitgeist an, ohne aber wie eine billige Kopie von Windows oder Mac OS X zu wirken. Unter der Haube wurde KDE Plasma zwar vollständig neu entwickelt, aber das sind technische Details, die den Anwender kaum tangieren. Die Visual Design Group (VDG) hatte allerdings im Vorfeld viele Designideen für zentrale Bereiche des Desktops präsentiert und weit mehr Arbeit investiert, als lediglich ein neues Design für die Fenster. Viele dieser Vorschläge lassen sich auf den Seiten der VDG-Community betrachten. Ein aktueller Vergleich mit der Realität des Plasma-Desktops zeigt, dass diese größtenteils nicht, oder nur teilweise umgesetzt wurden.

Die Systemeinstellungen als Beispiel

Diese Entwicklung soll hier am Beispiel der Systemeinstellungen dargestellt werden. Die Systemeinstellungen sind deshalb ein gutes Beispiel, weil sie bei einer optionslastigen Oberfläche wie KDE Plasma zu den Kernbereichen des Desktops gehören. Es ist eben sehr viel schwieriger dutzenden Optionen sinnvoll zu präsentieren, als lediglich einige wenige, wie das z.B. bei GNOME der Fall ist.

kubuntu 0804 systemeinstellungenVorschau auf die neuen Systemeinstellungen in Kubuntu 08.04

Der gegenwärtige Aufbau wurde im Rahmen der Entwicklung von KDE 4 ausgerollt, KDE 3.5 verwendete standardmäßig noch eine Baumansicht. Seitdem wurden zwar einige Module umplatziert, andere kamen hinzu und wieder andere fielen weg, der Grundaufbau änderte sich jedoch nie. Im Rahmen der Entwicklung machte man sich die Mühe die Position der einzelnen Module zu evaluieren und bestehende Strukturen zu hinterfragen. Diese Entwicklung wurde ergänzt durch eine ganze Reihe von Vorschlägen aus der Community, wie man die Systemeinstellungen besser präsentieren könnte. Zentrale Punkte waren neben den optischen Änderungen ein interaktives Interface (zuletzt geänderte Einstellungen, weiterführende Informationen etc. pp.).

Verändert wurde im Ergebnis bisher nur die Anordnung der einzelnen Module. Durch die halbherzige Umsetzung ist diese Neuanordnung nur bedingt sinnvoll und verständlich.

Die Systemeinstellungen sind hier nur ein Beispiel unter vielen. Auch viele andere Bereiche wurden angerissen, aber nicht zu Ende ausgearbeitet. Dazu gehören relativ zentrale Anwendungen wie der „App-Store“ Muon Discover und viele andere Aspekte des Desktops. Selbst im eigentlichen Designbereich blieben viele Abeiten unvollendet. Das dunkle Breeze-Theme ist eine hübsche Idee, aber einzelne Anwendungen (wie z.B. der Bildbetrachter) lassen sich immer noch nicht sinnvoll auf das dunkle Design umschalten, da die Icons dann fast nicht mehr sichtbar sind.

Stattdessen befassen sich viele namhafte KDE Entwickler mit Bereichen die man unter „KDE next“ verbuchen könnte: Wayland-Support, Mobilsysteme etc. Das sind zweifelsohne wichtige Projekte, weil ein Projekt sich an die technische Entwicklung anpassen muss. Für den Desktopanwender am Ende des Jahres 2015 bringt das aber herzlich wenig und es bietet noch nicht einmal eine Vision wohin die Reise hier gehen soll.

Natürlich ist KDE eine Gemeinschaft freier Individuen. Niemand kann einen Entwickler zwingen an etwas zu arbeiten, wozu er keine Lust hat – er wird ja dafür in der Regel nicht bezahlt. Zudem kann nicht jeder Entwickler an jedem Bestandteil des KDE-Universums sofort mithelfen. Dies wird aber viel zu oft als Ausrede benutzt, wenn mal wieder eine Unzulänglichkeit über Generationen der Desktopumgebung mitgeschleppt wird. Grundsätzlich scheint es innerhalb der KDE-Entwicklergemeinschaft wenig Bereitschaft zu geben, unliebsame Aufgaben zu übernehmen um ein runderes Gesamtpaket für den Endanwender auszuliefern. Denn letztlich sollte es doch auch im Interesse der Entwickler sein einen benutzbaren Desktop für die Anwender auszuliefern, ansonsten macht das ganze Projekt kaum einen Sinn.

Im aktuellen Zustand gibt es kaum einen rationalen Grund auf die neue Version zu wechseln. Sie bedient sich im wesentlichen wie KDE SC 4, das neue Design lässt sich mühelos rückportieren und die alte Version hat weniger Fehler. So müssen sich die Entwickler nicht wundern, wenn eine weitere Gruppe scheinbar abgehängter Nutzer entsteht, die keinen Drang zu wechseln verspürt.

Cruiz
Cruizhttps://curius.de
Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.

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