Derzeit laufen Kampagnen, die Open Source Software angesichts der weltweiten Entwicklungen wieder stärker in den Vordergrund rücken wollen. Ein hehres Ziel, das aber nicht über die Tatsachen hinwegtäuschen sollte. Auch die Open-Source-Welt wird von US-amerikanischen Strukturen dominiert.
Ältere Nutzer werden sich vielleicht noch an PRISM-Break erinnern. PRISM war eines der NSA-Programme, die Edward Snowden bei seiner Enthüllung der globalen Überwachungs- und Spionageaffäre aufgedeckt hatte. PRISM-Break war eine Seite, die Nutzer davon überzeugen sollte, quelloffene Alternativen zu nutzen. Der Sinn war angesichts der Überwachungsarchitektur der NSA schon damals mehr als fraglich.
Angesichts der Politik von US-Präsident Trump erfahren solche Kampagnen gerade eine Neuauflage (z.B. #UnplugTrump aber auch sehr prominent auf Mastodon) und wieder geht es darum, sich von der US-dominierten IT-Landschaft zu emanzipieren. Und wieder zielen solche Kampagnen vor allem darauf ab, Open-Source-Alternativen zu stärken. Was vermutlich schon daran liegt, dass die proprietären Alternativen aus Europa überschaubar sind.
Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Open Source kann immer einen Schub gebrauchen. Das Problem hinter solchen Kampagnen ist nur leider, dass hier ein Ziel vorgeschoben wird, das so unmittelbar gar nicht zu erreichen ist. Gegen die US-Dominanz im IT-Bereich hilft eine Hinwendung zu Open Source in der jetzigen Organisationsform nur bedingt. Denn Open-Source ist nicht staatenlos, darauf habe ich in der Vergangenheit schon hingewiesen.
Gehen wir einige problematische Beispiele durch.:
- Signal: Wird entwickelt von der Signal Foundation mit Sitz in den USA. Die Daten sind vollständig verschlüsselt, laufen aber über Service von AWS.
- Suchmaschinen: MetaGer und andere Alternativen zu Google greifen im Hintergrund immer noch auf die US-Dienste wie Google, Bing & Co zu.
- MyCroft wird eine Foundation mit Sitz in den USA entwickelt. Allerdins gab es hier positive Entwicklungen. OpenVoiceOS sitzt nun in den Niederlanden.
- Linux: Die Linux Foundation sitzt in den USA und unterliegt US-Gesetzen. Wichtige Distributionen wie Red Hat / Fedora ebenfalls. Das gilt für Beteiligung, wie auch für Exportbestimmungen.
- GitHub als zentrale Codeverwaltung für viele Open-Source-Projekte gehört Microsoft. Das löst immer wieder Schwierigkeiten aus. Jüngst wurde OrganicMaps wegen Beiträgen aus sanktionierten Staaten gesperrt (Siehe Meldung auf Mastodon).
- Die Mozilla Foundation als Rückgrat des letzten freien Webbrowsers sitzt ebenfalls in den USA.
- Die GNOME Foundation (wichtige Desktopumgebung und Spendenabwickler für Projekte wie GIMP) sitzt in den USA.
- Die Apache Foundation sitzt in den USA
- Das Tor Project hat seinen Sitz in den USA und wurde in der Vergangenheit stark von US-Regierungsstellen finanziert.
Zum Glück sitzen nicht alle Strukturen in den USA:
- Manche Foundations wie OpenStreetMap oder Collabora haben ihren Sitz in Großbritannien. Das stärkt zwar die Unabhängigkeit von den USA, bedeutet aber keineswegs bessere Bedingungen im Bereich Überwachung und Datenschutz. Die jüngsten Schwierigkeiten von Apple sollten hier Mahnung genug sein.
- Die GrapheneOS Foundation ist ziemlich versteckt, sitzt aber vermutlich aktuell in Kanada.
- BigBlueButton Inc. sitzt ebenfalls in Kanada.
- Nur sehr wenige Entwicklungen wie LibreOffice oder Nextcloud sitzen wirklich in der EU.
Das bedeutet natürlich nicht, dass eine Hinwendung zu Open-Source falsch ist. Den Kopf in den Sand stecken und einfach dem US-Tech-Oligopol mit seinen opportunistischen politischen Wendungen zu folgen, kann mit Sicherheit nicht die Lösung sein. Letztlich bietet nur eine kollaborative Entwicklung und offene und transparente Strukturen genug Unabhängigkeit vom Tech-Oligopol, das sich (hauptsächlich) in den USA formiert hat. Es sitzen natürlich auch nicht alle Hauptentwickler und Contributors im Land, in dem die jeweilige Stiftung/Foundation angesiedelt ist.
Ich halte es nur für falsch zu kommunizieren, dass eine Hinwendung zu Open-Source alleine alle unsere Probleme löst, denn auch innerhalb der Open-Source-Projekte haben die USA eine übermächtige Position und die meisten Projekte müssen sich direkt oder indirekt den US-Bestimmungen beugen. Wer das unterschlägt, betreibt billige Open-Source-Propaganda, um auf einer aktuellen Trump-Aufmerksamkeitswelle mitzugleiten.
KDE ist deutsch 🙂
(https://ev.kde.org/whatiskdeev/)
hilft in keinster Weise, ist aber trotzdem ein Beispiel für ein großes europäisches Projekt (Gnome wird oben ja ebenso genannt).
Dass OpenSource hauptsächlich in den USA entwickelt ist macht dieses jedoch nicht zu einem rein amerikanischen Produkt. Neben den Lizenzgründen kann dich schon allein durch die dezentrale Entwicklungsstruktur niemand daran hindern ein bestehendes OS-Projekt zu forken und in zu Hause, evtl. unter anderem Namen (Markenrecht) weiterzuentwickeln. Sollte dies jemals wirklich notwendig werden können dich auch nicht die USA daran hindern. China zum Beispiel setzt stark auf OS-Soft- und Hardware auch wenn diese ursprünglich aus den USA kommen.
Außerdem ist ein sehr großer Vorteil dieser „Forkability“, dass die Wertschöpfung dezentral gestaltet werden kann, wodurch Abhängigkeiten vermieden oder zumindest abgemildert werden können, etwas das auch bei heimischer, proprietärer Software nicht möglich wäre
Korrekt. Aber Beiträge zum Original sind u.U. nicht möglich. Je nach Projektgröße ist so ein Fork auch schwer zu warten.
Das ist aber IMHO zu kurz gedacht. Natürlich kann man forken, natürlich auch auf einen Server, der z.B. bei einer deutschen Firma in einem deutschen Rechenzentrum steht. Dann hat man den Code – aber sonst nicht viel gekonnt, weil man keine Entwickler hat. Die US Amerikanische Dominanz bezieht sich stark darauf, woher die Kohle für die Entwickler kommt – nämlich für die o.g. Projekte von US Firmen. Dabei ist es dann auch sekundär, wo die Entwickler sitzen. Große Projekte wie z.B. den Firefox nur mit freien Entwicklern ohne Entgeld in deren Freizeit zu Entwickeln ist illusorisch.
Nur weil ein erheblicher Teil der Entwickler eines Projektes in den USA angestellt ist bedeutet das ja nicht, dass die gesamte Wertschöpfung in den USA stattfindet. Auch in Europa gibt es sehr viele sehr gute Programmierer, viele von ihnen remote angestellt in den USA. Sie werden ihren Firmen mehr Geld einbringen als sie kosten (sonst wären sie da wohl nicht lange), aber viel dieses Geldes fließt eben auch nach Europa.
Nehmen wir das simple Beispiel einer Ausschreibung:
Im Moment ist es so, dass die Erfordernisse ausgelistet werden und dann die Firma den Zuschlag bekommt die das günstigste Angebot abgibt das alle Erfordernisse erfüllt.
Wäre ich diese Firma würde ich meine Software zu absoluten dumping Preisen verkaufen da ich dann der einzige bin der sie warten, weiterentwickeln oder an neue Erfordernisse anpassen kann, das kann ich mir dann vergolden lassen solange die Anpassung immernoch günstiger ist als eine komplette Reimplementierung.
Muss aber auf OpenSource gesetzt werden, dann kann jede Anpassung neu ausgeschrieben werden, jede interessierte Firma kann den Code einsehen und im Falle die gewünschten Anpassungen durchführen. Da Anpassen für gewöhnlich einfacher ist als das Rad neu zu erfinden senkt dies die Einstiegshürden massiv. Zusätzlich kann damit auch die Wertschöpfung in Europa verlagert werden, sollte dies Teil der Ausschreibung sein.
Es stimmt schon, eine Software wie Linux oder Firefox ist nicht von Freiwilligen zu stemmen, solange man aber nicht wirklich im Krieg ist, ist man ja auch nicht vollständig vom Upstream abgeschnitten. Ich finde der bedeutendste Faktor von OpenSource ist eigentlich dass die Katze aus dem Sack ist und nicht mehr weggenommen werden kann
Alles schön und gut, aber warum jammern wir hier eigentlich? Tatsache ist doch, dass europäische IT-Unternehmen offenbar nichts auf die Reihe bekommen – es gibt keinen europäischen Browser, keine eigenständige europäische Suchmaschine (die auch wirklich unabhängig agiert), es gibt kein europäisches Betriebssystem, usw. usw. In Europa wird viel über die Dominanz der Amerikaner geschimpft und gejammert, aber selbst kriegt Europa doch nichts auf die Reihe. Zeit genug hatten wir ja….aber wir haben nix gemacht. Wie heisst es so schön: „Wer zu spät kommt….“