Red Hat Enterpise Linux 9 – Bedeutung ungleich Resonanz?

Vor Kurzem veröffentliche Red Hat mit Red Hat Enterprise Linux 9 die nächste Hauptversion der wichtigsten Linux-Distribution. Erstaunlich finde ich die geringe Resonanz. Das passt in einen längeren Trend der Entkopplung von “gefühlter” und “realer” Bedeutung von Distributionen.

Red Hat Enterprise Linux ist meiner Ansicht nach die wichtigste Linux-Distribution überhaupt. Die Gründe dafür sind leicht erklärt. Red Hat war vor der Übernahme durch IBM die erfolgreichste und finanzstärkste Firma im direkten Linux-Umfeld und daran hat sich seitdem nichts geändert. Alle wichtigen Weiterentwicklungen entstammen dem Red Hat-Umfeld oder werden dort ganz massiv vorangetrieben: Systemd, PulseAudio, PipeWire, Wayland, GNOME, Flatpak, Podman, Etablierung von SELinux im Linux-Bereich, viel Weiterentwicklung im Container-Segment. Bestimmt habe ich hier noch ganz viel vergessen.

Neben diesen eher harten Fakten spielt die Verbreitung noch eine wichtige Rolle. Wie immer gibt es keine harten Zahlen und Fakten im Linux-Segment und daher kann jeder nur mit seinen eigenen Beobachtungen arbeiten. Ich habe in meinem Arbeitsleben bisher beobachten können, dass auf dem Desktop der IT-Mitarbeiter alles mögliche läuft – Windows, macOS und wenn Linux dann alles von Ubuntu über Manjaro bis zu Fedora – aber im Serverbereich zwei Anbieter führen: Red Hat und SUSE. Wenn ein kostenloses System genutzt wird, dann meist ein freier Klon von RHEL. Das mag natürlich an den Branchen liegen, in denen ich bisher gearbeitet habe, aber die Umsatzzahlen der Unternehmen müssen ja irgendwelche Grundlagen haben.

Ich wunderte mich deshalb in den vergangenen Wochen, wie ruhig es rund um den Release von RHEL 9 blieb. Schaut man sich die einschlägigen IT-Portale an, dann gibt es kaum Resonanz. Weder in Form von Artikeln noch bei den Kommentaren unter den wenigen vorhandenen Meldungen. Die neue Version ist nun sicherlich auch nicht gerade vollgepackt mit Änderungen, aber wo gibt es aktuell bei Linux schon umstürzende Entwicklungen?

Im Bereich der Blogs bin ich lediglich auf folgende zwei Berichte gestoßen:

Abgesehen von den beiden Blogartikeln sind das größtenteils Berichte auf dem Niveau von “Agentur-Meldungen” und in wenigen Minuten geschrieben. Das ist kein Vergleich mit dem Release einer Debian-Version (der Vergleich mit Ubuntu hinkt, weil das auch auf dem Desktop eine herausragende Bedeutung hat). Das finde ich beachtlich, da in meiner persönlichen Wahrnehmung – und das hat wirklich nichts damit zu tun, wie ich persönlich Debian finde – Debian seine primäre Bedeutung als Basis für verschiedene andere Distributionen und Enterprise-Produkte wie beispielsweise Proxmox hat. Ein Debian-Release ist eigentlich erst dann interessant, wenn es in diese Produkte einfließt.

Was steckt dahinter? Entkoppelt sich die online präsente Linux-Community zunehmend von dem, was manche abfällig “Enterpise-Linux” nennen oder ist das Zufall?

Cruiz
Cruizhttps://curius.de
Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.
  1. Neues aus Verallgemeineringen:

    > die online präsente Linux-Community

    Treffender wäre wohl “die für mich sichtbare Linux Community”.

    > Im Bereich der Blogs

    Du verengst die Parameter massiv auf Personen, die ihre Gedanken und Anmerkungen in Blogform teilen. Vielleicht ist es also nicht die fehlende Aufmerksamkeit durch die Community, sondern eine sinkende Anzahl der Blogger?

    • Wie ich schon schrieb:

      “daher kann jeder nur mit seinen eigenen Beobachtungen arbeiten”
      “da in meiner persönlichen Wahrnehmung”
      usw.

      Soll ich demnächst hier einen riesigen Disclaimer drüber setzen: Kann Spuren von eigener Meinung und Ansicht enthalten? Mir fällt dazu echt nichts mehr ein.

      Ich bin bei Recherchen übrigens auch gerne auf z. B. reddit oder Stack Exchange unterwegs. Es sind also mitnichten nur fehlende “Blogger-Stimmen”, sondern allgemein wenig wahrnehmbare Resonanz. Oder welche Kanäle übersehe ich hier?

      • Was erwartest du bei einer Kommentarfunktion? Beifall? Wer spitz formuliert muss sich daran messen lassen. Aber sei es drum. Sachliche Auseinandersetzung war ja eh noch nie so deines.

        Zum Thema:
        Chats. Du übersiehst Chats. Das sind _die_ sozialen Netzwerke mittlerweile und sie laufen weitgehend unter einem öffentlich sichtbaren Radar.
        Auf Reddit und Twitter hat doch kaum noch jemand Lust. Und Stackexchange ist eh zu 80% Hit and run.

  2. Das ist jetzt etwas OT, aber bei den deutschprachigen Meldungen zur Verfügbarkeit von AlmaLinux 9 ist mir aufgefallen, das dort öfters geschrieben wird, es gebe auch Live-Medien mit XFCE und KDE als Desktop. Dies stimmt so aber nicht. In der Originalmeldung im Blog von AlmaLinux wird gesagt, diese Live-Medien würden in Kürze verfügbar sein. Im Live-Zweig findet man auch tatsächlich weiterhin nur 8er-Isos.

    • Guter Punkt. Ich hatte das bei Michael Kofler auch explizit angemerkt und es wurde dann korrigiert. Das ist halt so ein Fall, wo eine Pressemitteilung per Flüsterpost weitergetragen wird. Passiert halt mal 😉

  3. Hallo Gerrit,
    so unterschiedlich können Wahrnehmungen sein. Ich fühlte mich in den sozialen Medien und von Online-Magazinen von Meldungen rund um RHEL 9 so zugedröhnt, dass ich schon überlegt hatte, gar keinen eigenen Artikel zu schreiben.

    Das wird bei mir sicher daran liegen, dass ich als Red Hat Accelerator etlichen Quellen von Fedora und Red Hat folge, wo wenig überraschend viel Marketing rund um ein neues Release betrieben wird. Noch dazu habe ich mich schon seit dem GA der RHEL 9 Beta mit dem neuen Release beschäftigt. Es ist gefühlt schon fast ein alter Hut.

    Allgemein sind RHEL 8.6 und RHEL 9 eher langweilige Releases. Es gibt kein neues Init-System, niemand will an unsere HOME-Verzeichnisse ran, ein neues revolutionäres und produktionsreifes Dateisystem ist ebenfalls nicht in Sicht. Und glücklicherweise sind auch nicht allzu viele Treiber über Bord gegangen. Also eine echte Innovation gibt es anscheinend nicht. Da ist das Release vermutlich auch keine großartige Meldung wert.

    Ich denke, wenn eine Desktop-Umgebung mal wieder die Knöpfe zum Maximieren, Minimieren und Schließen von Fenstern an eine andere Stelle verschieben, erzeugt das bestimmt mehr Aufmerksamkeit. 😉

    Genieß das Pfingstwochenende.

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