Nun ist es soweit. Ubuntu ist da und die Firefox-Snap-Realität ist eingetreten. Die Hölle gefriert, es regnet tote Frösche und so mancher Altvorderer vor seinem 19″ (4:3 Formaaaaat!) beißt in seine mechanische IBM-Tastatur. Eine nicht ganz ernst gemeinte Presseschau.
Ich hatte überlegt, einen Test zu schreiben, aber alles wesentliche hatte ich hier bereits in einer Vorschau geschildert. Das Osterwochenende nutzte ich bereits um ein paar Maschinen auf Kubuntu 22.04 (es ist leider vorerst kein openSUSE geworden) umzustellen. Teilweise per Upgrade, teilweise per Neuinstallation, um hartnäckige Probleme endlich loszuwerden. Kubuntu 22.04 ist ein sehr rundes Release geworden. Plasma 5.24 LTS in Kombination mit KDE Gear 21.12 ist in einem Zustand, den man bedenkenlos 3 Jahre nutzen kann. Angesichts des demnächst sicher irgendwann mal einsetzenden Wechsels auf Qt 6 bzw. Plasma 6 ist Kubuntu 22.04 vielleicht für manche Anwender ein sicherer Hafen, um die Stürme auszusitzen (die hoffentlich nicht Orkanstärke erreichen). Die Zahl der Neuerungen hält sich aber dermaßen in Grenzen – standardmäßig setzt Kubuntu nicht mal auf Wayland – dass ich mir einen umfassenden Testbericht spare. Ich wüsste gar nicht, was ich schreiben sollte. KDE-Software liegt halt in einer neuen Version vor.
Das erledigen andere und ich hatte ja bereits prognostiziert, dass die Entscheidung für Snaps es in viele Artikel schaffen würde. Gewohnt niveaulos und schwer zu übertreffen startet Heise, die in ihrem Titel schreiben: „GNOME 42, Wayland als Standard und Snap-Ärger„. Was dieser Snap-Ärger sein soll, erschließt sich nach Lektüre des Artikels nicht. Es werden viele Behauptungen in den Raum gestellt, aber der Autor hat vor allem Probleme mit KeePass. Nun, logische Argumentation darf man bei Heise-Autoren schon lange nicht mehr erwarten. Letztlich sind die Artikel ja auch nur noch der Auftakt für den Trollsportverein im Forum, dessen Klicks vermutlich die Existenz des Verlags sichern.
Michael Kofler mag Snaps auch nicht. Aber wenigstens argumentiert er nicht auf Heise-Niveau, sondern zeigt ein paar Lösungswege auf. Dass Snaps eine Antwort auf die von ihm bemängelten veralteten Versionsstände sind, ist ihm irgendwie entgangen. Ansonsten scheint das Problem mit KeePass als Textbaustein wohl an alle Snap-Gegner geschickt worden zu sein. Ich wünschte ja wirklich, dass das ein Problem für die Allgemeinheit wäre, denn dann wären Passwortverwaltungen endlich Standard. Träume darf man noch haben. Kofler hat auch noch nichts von modernen Dateisystemen mit Deduplizierung gehört (die mag er auch nicht so), wobei das in diesem Fall sogar in Ordnung geht, weil Ubuntu ja standardmäßig ext4 nimmt. Wenigstens kommt er abschließend zur Einschätzung, dass Ubuntu (oder Mint) eben doch die Einstiegsdistribution ist und bleibt. Bei vielen im Linux-Universum hat sich ja hier eine komische Wahrnehmungsverzerrung eingebürgert und alle glauben jeder würde MX Linux oder Arch Linux nutzen.
Bei Golem haben sie Snaps mit keinem Wort erwähnt. Sakrileg! Ich bin schwer enttäuscht. Zum Glück hat ein Kommentator diesen Fauxpas erkannt und halbherzig ergänzt. Mal schauen, ob noch jemand den KeePass-Textbaustein einbaut.
Auf Linuxnews werden Snaps auch nicht gerne gesehen, aber Ferdinand Thommes verweist da eher auf den Ubuntu-Sonderweg und fragt sich, ob die Reise nicht doch eher in Richtung Flatpak geht. Kann man definitiv so sehen, wir erinnern uns ja alle an Unity, Mir, Upstart usw. usf.
MichlFranken hat immerhin mal einen tieferen Blick ins System geworfen und festgestellt, dass außer Firefox gar keine anderen Snaps vorinstalliert sind. Bei Heise & Co hört sich das manchmal anders an. Aber vielleicht konnten die auch einfach nicht so gut testen, weil Virtualisierung auf den neuen Apple M1 Maschinen ja nicht mehr so gut klappt.
Andreas Proschofsky hat für DerStandard einen sehr lesenswerten und umfassenden Testbericht geschrieben. Snap ist bei ihm nur ein Thema unter vielen und Proschofsky konzentriet sich auf wirkliche Probleme anstelle pauschaler Kritik. Außerdem wirft er die Frage auf, warum Canonical es nicht gleich richtig macht und viel stärker auf Snap setzt. Wenn schon, denn schon. Berechtige Fragen.
Den meisten Anwendern wird dieses Problem wohl verborgen sein. Hast du ein Problem mit Snaps? Nein, nur ohne. Zum Wohl! Auf ein weiteres gutes Release. Mal sehen, wie die Linux-Welt bei der nächsten LTS 2024 aussieht.
Nachtrag 24.04.2022
Test aus dem Standard ergänzt.
Deine Artikel lese ich gerne. Aber leider kann ich nicht nachvollziehen, warum Du die Problematik mit Keepass so ins Lärchliche ziehst.
Es ist ja wirklich so, dass mit der Snap-Version von Firefox das automatische Einfügen von Passwörtern nicht mehr funktioniert.
Das ist nun mal für viele ein Problem oder mindestens ein Komfortverlust.
Mir ist bewusst, dass das an der Container-Technik im allgemeinen und nicht an Snap im besonderen liegt. Soll heißen, bei Flatpak gibt es das gleiche Problem.
Ich halte es für legitim in einem Artikel über das System auf den Umstand hinzuweisen.
Sofern Du eine Lösung für das Problem hast, immer her damit;)
Ich ziehe es nicht ins lächerliche, es ist lächerlich, wenn alle von Problemen sprechen und exakt ein einziges Problem benennen.
Ein Problem, das die Mehrheit (leider) nicht hat und das zudem in der Zuständigkeit von KeePassXC liegt, weil sie ihr Programm an die Entwicklung bei Linux anpassen müssen. Es betrifft ja eben nicht nur Snap.
Zudem finde ich (und damit bin ich nicht alleine) dieses Browser-Addon sehr suspekt, weil es eine mögliche Schwachstelle der Passwortverwaltung ist.
Das Problem hast du genauso mit 1password, download-helper & co.
Das Issue dazu ist seit 2018 offen. Und damit hat es das Problem sogar in ein 22.04 LTS geschafft. Angeblich fixen sie das Problem jetzt plötzlich, nachdem sie es veröffentlich haben. Man kann von snaps halten was man will, aber dass sie dieses Problem in die LTS variante eingebaut haben, nachdem es 3 jahre bekannt war, ist ein Unding. Gerade weil die einzige Lösung jetzt ist manuell per ppa und apt einstellungen auf Firefox Beta oder ESR zu wechseln bis dahin.
> Das Issue dazu ist seit 2018 offen.
Und irgendwie hat es keiner der Entwickler von KeepassXC und den anderen Programmen seit diesem Zeitpunkt geschafft diesen Bug mit Priorität zu forcieren. Es ist ja nicht so, dass Canonical in den letzten Jahren Snap permanent um diverse Funktionen erweitert hat um solche Probleme zu beseitigen.
Aber wie so oft im Leben, haben die Entwickler es lieber ausgesessen, anstatt sich darum zu kümmern.
…und ich dachte, das wäre die grundsätzliche Idee der Containerformate: Anwendungen voneinander abzuschotten.
Da hab ich wohl irgendwas nicht verstanden…
Mit Verlaub, ich muss widersprechen. Mit Flatpak läuft das Addon sehr wohl, es ersetzt hier Autotype. Die von dir genannte Schwachstelle sehe ich nicht, da das Addon ein Portal ist, dessen Berechtigungen durch KeepassXC selbst justiert werden. Natütlich ist es fraglich ob man Mozilla derartig viel Vertrauen zuspricht, aber im Zweifel lässt sich dad Addon immernoch selbst compilen.
Sorry, wusste ich nicht.
Als ich es das letzte mal ausprobierte, hat es nicht funktioniert.
Müssen/ dürfen Firefox und KeepassXC in der Flatpak-Version verwendet werden?
Funktioniert es out-of-the-box oder ist eine bestimmte Konfiguration nötig?
Danke schonmal
Ich würde noch einen Testbericht ergänzen: https://www.derstandard.de/story/2000134895087/ubuntu-22-04-im-test-linux-zwischen-wichtigen-fortschritten-und
Der legt einen relativ geringen Schwerpunkt auf Snap, zeigt dort allerdings auch durchaus noch ein weiteres Problem auf, das in meinen Augen deutlich relevanter ist: Sind die Snaps noch älter, als die Pakete aus der Paketverwaltung, hilft mir so ein System herzlich wenig. Als normaler Anwender möchte ich ungern für jedes Programm differenzieren müssen, ob nun die Paketverwaltung, das Snap, Flatpak oder AppImage seriös gepflegt wird. Man kann nur hoffen, dass sich die Linux-Desktop-Welt durch den Kram nicht ausbremst statt vorankommt.
Danke für den Hinweis. Wird eingearbeitet!
Hallo Lennart!
Danke für den Link! Das ist natürlich dann schon etwas „unglücklich“, wenn ich die sicher unbestreitbaren Vorteile solcher Containerlösungen wieder so aus der Hand gebe.
Ich nehme damit die Nachteile von Snap in Kauf und „als Dank“ bekomme ich dann sogar teilweise ältere Softwarestände als in den herkömmlichen Paketquellen.
Dann sollte sich Canonical nicht über die große Skepsis unter den Usern wundern, zumal sie ja bei Ubuntu noch mit Universe/Multiverse auch so ihre Probleme über LTS-Laufzeit haben (ich weiß, gepflegt von Community).
Wenn dann aber hier Snap als Alternative auch nicht, oder nur bedingt taugt, ist Ubuntu an sich auch nicht sehr empfehlenswert.
Snap hat vollends seine Daseinsberechtigung und kann im Gegensatz zu Flatpak auch CLI-Produkte deployen.
Ebenso ist Snap im Kern auch für Serveranwendungen gedacht (gewesen).
Daher ist es bei Serveranwendungen auch nicht unbedingt tragisch, wenn der erste Start etwas länger dauert, die Kisten laufen anschl. ja sowieso durch.
Aber Canonical ist das „Problem“ auf dem Desktop bewusst und man arbeitet daran.
Die 3 großen Player (Canonical,RedHat,Suse) haben ihren Fokus sowieso auf Enterprise und primär Serverbereich (und alles was dazugehört), da verdienen die ihr Geld.
Und jetzt ist Canonical so nett und stellt ihr Produkt einfach so der Community zur Verfügung. Auch der extended Support wird kostenlos für 3 Maschinen angeboten….alles „einfach so“.
Und dann stellen die auch für Derivate und andere ihre Infrastruktur zur Verfügung…. „einfach so“.
Die verdienen zusätzlich auch mit dem meckernden User im *setze beliebiges IT-Portal ein* genau mal Null Geld.
Da herrscht ein komplett verzerrtes Bild der Realität.
Ein Ubuntu, ein Suse Enterprise oder RedHat ist kein Manjaro oder anderweitiges „Community-Projekt“, was folglich maßgeblich Abhängig von eben dieser ist.
Auch ein Fedora unterliegt den Interessen von RedHat 😉
Damit will ich nicht sagen, dass eine Community für Canonical unwichtig ist….aber im Consumer-Heinz-Michel-Bereich dann doch eher nicht ganz so relevant.
Man kann es nutzen….oder man kann es lassen. Der Ubuntu Desktop ist in meinen Augen eine „Beigabe“ zum Kerngeschäft und um das Portfolio zu vervollständigen.
Aber der Linux-Bubble-User ist hier der Meinung, die Community wäre der Ast an dem Canonical sägt….der Ast ist da wo Geld verdient wird.
Im Enterprise-Bereich herrscht auch deutlich weniger „Beißzangen-Verhalten“ was proprietäre/unfreie Dinge angeht (wie der SnapStore). Da kriegt auch keiner Schnappatmung, wenn eine Komponente unfreie Firmware für etwas benötigt…das Ding soll laufen.
Das Betriebssystem hat sich den Anforderungen der Hardware und den Unternehmenszielen unterzuordnen und nicht umgekehrt.
Ich kann ja nicht sagen: „Okay…wir brauchen 4x FibreChannel für die SAN-Anbindung….aber geht mit XY aufgrund nötiger Firmware nicht…dann lassen wir das SAN halt weg oder nehmen doch Cat5“
Dieses ganze Rumgeweine in den IT-Portalen ist so zum erbrechen, weil die sich alle eine Relevanz anmaßen, die sie gar nicht haben.
Damit kriegt man ein Manjaro vielleicht dazu, dass die beim nächsten Release das Wallpaper ändern….aber für die strategische und technologische Entwicklung innerhalb des „Linux-Ökosystems“ sind die sowas von dermaßen irrelevant.
Diese drei oben genannten bestimmen wo es lang geht und wie es lang geht. Klingt komisch, ist aber so.
Und ein plötzliches Verschwinden von Manjaro,Endeavour,MXLinux und 100 weiteren wäre Schade….aber auch für die weitere Entwicklung im Linux-Bereich völlig irrelevant. Das sind alles Distributoren zur Privatbespaßung für Privatanwender…die so gut wie alle letzten Endes doch wiederum von den großen Abhängig sind….ein Teufelskreis 😉 Damit kann man daher das Unvermeidliche hier nur hinauszögern.
Snap ist bereits verbrannt seit der Befehl apt install chromium einen ungefragt und heimlich das snap Paket unterschob. Was außer hinterlistig kann man das nennen?
Das der Snap Store ein walled garden ist kommt erschwerend dazu.
Das sind die Probleme die die meisten mit snap haben. (Oder sollten)
Dass der Autor dieses polemischen Blogs sich über fehlende Neutralität der Reviewer aufregt, ist ja wohl an Ironie nicht mehr zu überbieten.