Kommentar: Datenschutz im Alltag – Auch kleine Schritte lohnen

Hier im Blog spreche ich mich immer wieder für Produkte bzw. Betriebssysteme von Apple aus und bekomme dafür ebenso oft Kritik. Meiner Meinung nach ist jedoch Perfektion der Feind des Guten und auch kleine Fortschritten lohnen sich.

Desktop und Smartphone sind nicht alles

Zuerst einmal lohnt es sich mal einen Schritt zurück zu machen und den ganzen Komplex Betriebssysteme, Smartphone und Desktop von seinem Sockel runter zu nehmen. Datenschützer schreiben gerne über den Komplex, weil man hier was tun kann und kehren alle anderen Bereiche unter den Teppich. Gedanken zu dieser Selbstermächtigung im Angesicht der Ohnmacht hatte ich vor einiger Zeit schon mal was geschrieben.

Auf konkretes Beispiel heruntergebrochen: Du kannst ein super gehärtetes System mit Coreboot und FreeBSD nutzen und vielleicht ein Purism Librem 5 als Smartphone (ich übertreibe jetzt absichtlich). Wenn du dann vor die Tür gehst und in deinen Tesla oder ein anderes modernes Auto steigst, ist dein persönlicher Datenschutzniveau bereits völlig im Eimer – um es mal umgangssprachlich auszudrücken. Und hier haben wir noch nicht mal von Konzepten wie beispielsweise der elektronischen Patientenakte gesprochen, die sich völlig der Kontrolle des Einzelnen entzieht. Ganz zu schweigen davon, dass man natürlich an keinem Bonusprogramm wie payback & Co partizipiert. Mit Kredit/Debitkarte zahlt man natürlich auch nicht. Und man schließt besser auch keine Verträge mit Schufa-Überprüfung. Unter der Brücke, soll es sich ganz gut leben lassen, hab ich gehört. Hauptsache der Datenschutz ist gewahrt! Allerdings natürlich nur wenn man ein blickdichtes Zelt hat.

Das bedeutet jetzt nicht, dass man im Bereich der eigenen Geräte nichts machen sollte, aber vielen Leuten würde es guttun, von ihrem Sockel herunterzusteigen. Die vermeintlichen Lichtgestalten strahlen außerhalb ihrer Selbstdarstellung meist gar nicht so hell. Datenschutz im Alltag ist viel mehr und gemessen am großen Ganzen wiegen die Fortschritte im digitalen Bereich vielleicht gar nicht so schwer.

Ausgangsniveau beachten

Maßnahmen muss man auf Basis des Ausgangsniveaus der meisten Menschen bewerten. Ausgehend von den Marktanteilen nutzt der durchschnittliche Anwender ein Notebook mit Windows 10 und ein Android-Smartphone. Bei den mobilen Begleitern sind das ausweislich der Zahlen meist ein Budget-Modell von Samsung oder ein Gerät von Xiaomi. Huawei hat zuletzt Marktanteile eingebüßt.

Diese Hardware/Betriebssystem-Ausgangsbasis ist dann mit zahllosen wenig Datenschutz-freundlichen Diensten angereichert. E-Mail-Konten aus dem United Internet-Universum, Cloudspeicher bei einem der großen amerikanischen Unternehmen, Stream für Musik und Serien/Filme usw. usf. Vielleicht auch bereits erste Anleihen am Smart Home-Trend, smarte Lautsprecher und smarte Fernseher. Natürlich mit Rundumüberwachung.

Kleine Schritte, große Wirkung

Bei dieser Ausgangslage können bereits kleine Schritte viel Effekt erzeugen. Mal die Einstellungen auf dem Smartphone durchgehen, den ein oder anderen Dienst, den man nicht braucht abbestellen oder durch eine Datenschutz-freundlichere Alternative ersetzen. Gerade am Anfang ist das Optimierungspotenzial noch gewaltig, ohne gleich den Vorschlaghammer zu benötigen, der den kompletten eigenen Hardwarebestand zertrümmert. Die eigene Hardware kommt dann erst in einem weiteren Schritt dran, vielleicht beim nächsten Erneuerungszyklus, wenn auch aus Gründen des Datenschutz ein anders Gerät von einem besseren Hersteller gewählt wird.

Genau an diesem Punkt kommt für mich auch die Empfehlung für ein MacBook, iPhone & Co. Gemessen an der Datenerhebung von Microsoft und den massiven Datenabflüssen zu Google und nach China bei handelsüblichen Android-Smartphones, bietet Apple einen substanziellen Fortschritt. Keine Perfektion, denn auch bei Apple ist beim Datenschutz noch viel Luft nach oben, aber ein Grundverständnis für Privatsphäre und Datenschutz gibt es zumindest in Teilen des Unternehmens und keine enge Verquickung mit der Werbebranche. Ein “dummer” Fernseher mit einem Apple TV ist im Zweifelsfall eben doch Datenschutz-freundlicher als ein smarter Xiaomi-TV.

Die stetig steigenden Marktanteile des iPhones in Deutschland sind somit eine gute Entwicklung für das allgemeine Datenschutz-Niveau, zumindest bezüglich der Endgeräte und Dienste.

Kein Datenschutz ohne freie Software?

Der Ruf nach freier Software bzw. die Gleichsetzung von Open Source und Privacy hat sich inzwischen in vielen Köpfen verankert. Ohne Linux kann es bei vielen Kommentatoren keinen Datenschutz geben. Dadurch schirt sich eine exklusive Gruppe nach außen ab und alle anderen können sowieso keinen Datenschutz erreichen.

Das sehe ich nicht so. Erstens hängt das von der Art ab, wie man Linux nutzt und zweitens halte ich reale Fortschritte für wichtiger als für viele unerreichbare ideale Fernziele. Für diese harten Aussagen gibt es mutmaßlich wieder empörte Kommentare, aber so ist das halt. Linux wird auf dem Desktop in der bisherigen Form keine substanzielle Position mehr einnehmen, der Zug ist abgefahren. Das aktuelle Niveau mag man halten, aber mehr auch nicht. Eher glaube ich noch an steigende Marktanteile von macOS im Desktopsegment und das wäre bei richtiger Konfiguration für den Datenschutz nicht so viel schlechter als ein Linux-System

Die Linux-Community hat schon vor längerer Zeit den Versuch aufgegeben, auf dem Desktop eine gleichwertige Alternative zu macOS oder Windows anzubieten. Ungefähr zu jenem Zeitpunkt, als Canonical seine Investition in den Ubuntu-Desktop massiv zurückfuhr. Stattdessen hat man sich in der Nische eingerichtet, bedient die Bedürfnisse einer hochgradig spezialisierten Community, führt lächerliche Grabenkämpfe und feiert das als Stärke von freier Software.

Im mobilen Bereich ist man sogar von diesem erbarmungswürdigen Niveau noch Jahre entfernt und freut sich schon, wenn das Gerät mit freier Software startfähig ist und rudimentäre Funktionen bietet. Andere Bereiche hat die Community noch nicht mal in den Blick genommen, weil die Kriege von gestern zu viel Ressourcen binden, um in die Zukunft zu schauen.

Es ist daher vollkommen fehlgeleitet, Anwender auf den Linux-Pfad zu zwingen, wenn sie “nur” etwas für den Datenschutz tun wollen. Da gibt es leichtere, sinnvollere und zukunftsfähige Alternativen. Diese werde ich hier weiter empfehlen, denn diese Seite hat den Anspruch praktische Hilfestellung für digitalen Selbstdatenschutz zu vermitteln und nicht die reine Lehre zu predigen, die dann trotzem niemand umsetzt.

Schlussfolgerung

Wenn man mit Linux arbeiten kann und möchte, ist das natürlich noch besser, als wenn man macOS nutzt, wenn man Lust hat, sich mit Custom ROMs zu befassen, ist Android besser als iOS. Wenn man das aber zum alleinseeligmachenden Anspruch erhebt, dann haben in diesem Land <5% der Nutzer eine Chance auf wirksamen Datenschutz.

Hier sollte man hinterfragen, ob das wirklich faktengestützt ist oder nur der Selbstdarstellung einer kleinen Minderheit dient, die für ihre Leidensfähigkeit belohnt werden möchte.

Dazu möchte ich ein kleines Bild bemühen. Wenn man sich Datenschutz im digitalen (!) Alltag im Bereich der Endgeräte als Skala von 1 bis 100 vorstellt, wobei “1=Windows/Stock-Android+Crap-Dienste” und “100=gehärtete Linux+GrapheneOS+selbstgehostete Dienste”, dann kommt man mit macOS/iOS und so Diensten wie Posteo vielleicht schon in Richung von 70-80 Punkte. Hier darf durchaus hinterfragt werden, ob die Entbehrungen für die letzten Meter noch einen nennenswerten Ertrag bringen. Das Paretoprinzip lässt hier freundlich grüßen.

Für die große Mehrheit ist ein Wechsel auf macOS/iOS schon ein Fortschritt für den persönlichen Datenschutz und dieser Fortschritt ist realistischer als ein verbreiteter Einsatz von Linux.

Zumal – und das führt an den Anfang des Artikels zurück – Desktopbetriebssysteme und Smartphones nur ein sehr kleiner Baustein sind und nur, weil man hier verhältnismäßig viel Einfluss nehmen kann, sollte man nicht dem Glauben verfallen, hier auch einen großen Effekt zu haben. Ob man hier nun ein zu 80 % oder 100 % perfektes System hat, ist auch schon wieder nicht mehr so wichtig, wenn der Rest nicht auch perfekt ist – und das ist er bei niemandem.

Cruiz
Cruizhttps://curius.de
Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.
  1. Was ist an Apple Betriebssystemen datenschutzfreundlich? Apple Geräte sind doch eine Blackbox, die man nicht ändern kann. Oder irre ich da?

    • Du kannst das Datensendeverhalten eines iPhone genau so auswerten, wie das eines Android-Geräts oder von Linux. Oder glaubst du, man müsste immer in den Quellcode schauen, um das zu verstehen?

      Das Gleiche gilt für Verschlüsselung und Sicherheitskonzepte.

  2. Ich würde weder was auf den Sockel heben und einen Heiligenschein aufsetzen noch was verdammen. Ich habe auch keine Lust zu diskutieren welches OS nun das sinnvollste, beste oder was auch immer ist. Machen wir uns doch nichts vor, geschenkt wird dir nichts, mit bequem geht auch nichts. Was kann ich mit einem vertretbaren Aufwand erreichen? Was kann mit den Gegebenheiten die ein jeder hat erreicht werden? Mag ja sein das ein Handy Wechsel den persönlichen Datenschutz voranbringt. Sinnvoll ist doch erstmal das Verhalten anzupassen und nicht jeden Dienst unreflektiert zu nutzen. Nur weil mir irgendein Programm beim ersten Start einen Gerätes meint ich muß hier meine Daten angeben für ein perfektes User Erlebnis muß ich das nicht tun. Ja es ägert mich auch das man i.d.r. sich erstmal durch die Einstellungen kämpfen muß um die vermeintlichen Funktion die ja alle nur dafür da sind mein User Erlebnis besser wird wieder abzustellen. Natürlich sind die nicht dafür da um an meine Daten zu kommen. Jeder kennt Android, jeder kennt IOS. Frag mal nach Posteo. Meine Post bringt der Briefträger ….. Wenn man erstmal seine Möglichen ausgeschöpft hat können wir gerne diskutieren ob das nächste Laptop mit Windows, MacOS oder Linux ausgestatttet wird.

    • Nein, das ist eine arg verkürzte Zusammenfassung. Ich kenne die Studie natürlich. Es fängt schon dabei an, dass für Android ein Pixel-Gerät genommen wurde, was in Deutschland nicht repräsentativ ist (siehe Zahlen oben) und geht damit weiter, dass die unterschiedliche Firmenstruktur keine Berücksichtigung findet. Niemand hat je behauptet, ein iPhone würde keine Verbindungen zu Apple aufbauen.

      Ich hatte dazu schon mal ein bisschen was geschrieben: https://curius.de/2020/04/apple-vs-google-datenschutz-und-sicherheit/

  3. Persönlich enttäuscht von OpenSource?

    Seit einiger Zeit kommt kaum Artikel in diesem Blog ohne ätzende Kritik an OpenSource Software, Linux und der angeblich engstirnigen arroganten Community aus. Auch wenn die Kritik oft ein Korn Wahrheit enthält, nervt es zunehmend. Wirkt wie ein ehemaliger Kettenraucher, der das Rauchen aufgegeben hat und nun mit missionarischen Eifer gegen das Raucher ins Feld zieht. Mag auch keiner mehr hören.

    Ist die persönliche Enttäuschung so groß?

    Der Artikel wär nicht schlechter, wenn er einfach nur pragmatische aufgezeigt hätte, wie viel sich schon mit geringer Verhaltensänderung für den Datenschutz erreichen lässt, auch ohne das nachtreten gegen Linux (ist verzichtbar).

    • Dann wäre der Artikel aber nicht ehrlich gewesen, denn die Motivation dazu leitete sich aus Kommentaren her, die ich hier und per Mail bekomme, wenn ich für den Alltagsgebrauch macOS/iOS empfehle.

      Dein Vorwurf ist übrigens unangebracht, oder du liest halt nur selektiv hier im Blog. Wenn ich so die letzten Artikel auf Seite 1 runter scrolle sehe ich folgendes:
      – zwei Artikel mit einer Anti-Google-Stoßrichtung (Pixel 6 und Tracking)
      – eine Hilfestellung für ein konkretes Linux-Problem
      – einen Artikel zur Bund/Länder-Strategie (darauf mag deine Kritik zutreffen)
      – eine Wasserstandsmeldung zum elementary OS-Experiment
      – einen Hinweis auf eine tolle Entwicklung bei DAVx5
      – einen Kommentar zu Apples Anti Tracking-Strategie
      – einen Kommentar zu Facebooks Namenswechsel
      Hab kurz einen Blick auf Seite 2 geworfen und könnte das so weitermachen, aber das spare ich mir hier jetzt.

  4. Vom Grundsatz her stimme ich mit dem Inhalt des Artikels in vielen Punkten überein. Ich emnpfinde den Eintrag aber durchaus sarkastisch, was ich z.B. an der überschrift “nett aber verzichtbar” festmache. Wo hingegen bei diesem Artikel trefflich über den Grad des Sarkasmus gestritten werden kann, kann man das bei dem oben verlinkten Artikel zu Linux und der “Datenschutzhölle” weniger. Das ist meines Erachtens Sarkasmus pur.
    Ich kenne einige Leute, die Linuxdistributionen wie ich seit Jahren oder Jahrzenten auf dem Desktop erfolgreich einsetzen. Ein bisschen Surfen im Web, ein bisschen Mail, ein bisschen Textverarbeitung, Bildbearbeitung und Videobearbeitung …. Windows ist oftmals überflüssig. Gerade Ubuntu bietet hier eine einsteigerfreundliche Distribution mit super Wiki. Warum also das Nachtreten, das Bashing …. und ist es wirklich die Schuld von Linux bzw. den Entwicklern und Entscheidern, dass die Desktopnutzung gering ist? Abgesehen von der Spitzfindigkeit das “Linux” ja nur der Kernel ist, liegt die Schuld ja wohl eher bei der Trägheit der Massen. Wir kommen von Windows, Whatsapp und Google einfach nicht weg, weil wir faul, unflexibel und gezig sind.

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