Marketing-Sprech wird immer offensiver und immer nerviger. Die „Amazing“ und „Awesome“-Orgien bei Apples PR-Events sind ja inzwischen zig mal durch den Kakao gezogen worden. Bei freier Software hat man sich das leider abgeschaut. Auch wenn man nichts Neues zu berichten hat.
Warum arbeite ich mich so oft an KDE ab? Nun erstens natürlich, weil ich es nutze und was man nutzt, das betrifft einen direkt. Wenn also irgendwas nicht funktioniert oder sich in die falsche Richtung entwickelt, dann ärgert mich das und wozu habe ich einen Blog, wenn nicht um das zu thematisieren.
Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Der andere ist, dass mich der PR-Sprech, der bei KDE eingezogen ist, extrem herausfordert.
Die wöchentlichen Entwicklungsberichte von Nate Graham sind voll davon. Da werden winzige Fortschritte so beschrieben „there is a truly massive amount of them“ oder so „Keep in mind that this blog only covers the tip of the iceberg! Tons of KDE apps whose development I don’t have time to follow aren’t represented here, and I also don’t mention backend refactoring, improved test coverage, and other changes that are generally not user-facing.“ (siehe hier) oder „This week I want to highlight something big: Elisa“ (siehe hier).
Nur das Blog eines Entwicklers? Die offiziellen Ankündigungen lesen sich kaum anders. Ein neuer Launcher (mit zig Bugs) ohne funktionale Neuerungen wird so beworben: „Find, reach and run your apps faster and easier than ever with Plasma’s new app launcher.“ (siehe hier) oder „These are but a few of the apps releasing new updates today. When combined with the KDE’s powerful Plasma desktop, they provide you with most, if not all, the tools you need to be productive in a versatile and flexible Linux environment.“ (siehe hier)
Ich finde das lächerlich. Dieser PR-Sprech ist schon bei Apple lächerlich, aber dort hat man wenigstens ab und an mal echt tolle Neuheiten vorgestellt.
Rund um Ostern habe ich ein paar Kubuntu 18.04 Systeme auf 20.04 aktualisiert. Das bedeutete Sprünge bei Plasma von 5.12 auf 5.18 und bei den Applicationen (die ja nun schon wieder anders heißen) von 17.12 auf 19.12. Das sind 2 Jahre Entwicklungsarbeit.
Neuerungen im wahrnehmbaren Bereich: Es gibt ein paar neu designte Icons. Das war es dann auch schon. Im Grunde genommen tut sich bei KDE nicht viel mehr als bei MATE oder Xfce.
Das ist kein Vorwurf. O-Ton der Anwender besagter Kubuntu-Systeme. „Ein großes Upgrade und alles läuft wie immer – so soll das sein“. Zufriedene Anwender sind doch toll, was will man mehr?
Es passt halt nur nicht zum PR-Sprech. Was für ein Vokabular möchte man denn benutzen, wenn man wirklich mal was anzukündigen hat?
Die exzessive Nutzung von Superlativen nervt in jedem gesellschaftlichen Bereich und hat leider schon lange überall Einzug gehalten. Ein wenig mehr Understatement täte gut, aber unsere Gesellschaft sucht ja nicht einfach nur einen Star, sondern gleich einen Super Star ;).
In der Wissenschaft ist sie leider auch schon lange angekommen.
Ultra-Short-High-Power-Laser….
Volle Zustimmung. Mehr Bescheidenheit, dann kann man die großen Änderungen auch gut artikulieren. Linux war für mich eigentlich immer mit Bescheidenheit verbunden. Darum habe ich wahrscheinlich seit KDE 4.0 und allen Folgereleases schnell das Interesse verloren, weil Anspruch und Realität nie stimmen wollten und auch Ausblicke in die Zukunft davon getrübt wurden.
Und so blieb es bei mir dabei: Warum soll ich was anderes als Unity oder Gnome installieren? Micomanagement mit AAA-Marketingsprech. Open Source und vieles in Commits nachlesen können ist interessant und lehrreich. Abgehobenes, überzogenes Marketing empfinde ich als irreführend oder gar Betrug. Meine Empfehlung an nicht-Open Source Apologeten: Du kannst alles ausprobieren und angucken aber spar dir es dir die Ankündigungen zu lesen wenn es nicht Technische Dokumentation ist.
Im Gegensatz zu dem anderen KDE-Artikel (alte Muster) betrifft diese Beobachtung tatsächlich eine recht aktuelle Entwicklung. In den Release-Ankündigungen ist das viel zu viel PR-Sprech. Vor allem trifft das auf Elisa zu. Im Vergleich zu Amarok und Clementine sind die Features weiter recht bescheiden und Elisa hat ordentlich viele Bugs, wenn es auch Potential hat. Indem man so früh (für den Entwicklungsstand) Nutzer anlockt, die dann enttäuscht sind, verprellt man sich später eine größere Nutzerbasis. Nimmt man dagegen die Fortschritte von kdenlive, ist da auch durchaus etwas Marketing angebracht.
Den Blog von Nate Grahem (bzw. generell den Planet KDE) würde ich aber generell ausnehmen, weil er vor allem für einen engen Interessentenkreis gedacht ist. Fokus ist hier auch klar neue Entwickler anzuziehen. Dafür ist es schon toll zu sehen, wie gerade auch Beiträge neuer Leute gefeiert werden. Das motiviert jedenfalls deutlich mehr, als der fünfte OSBN-Artikel (bzw. Ubuntuusers-Planet) hintereinander zum Thema, wie schlimm doch freie Software heute ist.