Die aktuelle Krise und die politischen Entscheidungen zu ihrer Eindämmung haben dem Homeoffice ganz neuen Schub verliehen. Weil deutsche Firmen und Institutionen dies bisher sträflich vernachlässigt haben blüht nun der Wildwuchs und es werden zweifelhafte Technologien eingesetzt. Datenschutz hat bei vielen in der Krise kein Gewicht.
Grundsätzlich möchte ich vorweg schreiben, dass die ganze Homeoffice-Thematik medial gerade sehr aufgeblasen wird. Die Ironie dies genau in einem Artikel über Homeoffice zu schreiben ist natürlich klar. Nur eine Minderheit der deutschen Arbeitnehmer und Selbstständigen kann in der gegenwärtigen Situation ins Homeoffice wechseln. Dies ergibt sich schon durch die Struktur der deutschen Wirtschaft. So haben Politik und Medien in den vergangenen Jahren sicher nicht zu unrecht das Loblied der ausgebliebenen Deindustrialisierung gesungen, mit dem Ergebnis, dass immer noch knapp 1/4 der Deutschen in diesem Bereich arbeiten. Autos und Maschinen können aber nicht im heimischen Büro gebaut werden. Das gleiche gilt allerdings auch für große Teile des Dienstleistungsbereichs. Einen Bus fährt man halt nicht vom Küchentisch aus. Vielleicht denken da alle Medienschaffenenden dran, wenn sie Homeoffice mit einer absurden Ausschließlichkeit preisen und problematisieren.
In der Krise sieht allerdings auch viele Firmen und Einrichtungen ohne Konzepte für Homeoffice, obwohl sie theoretisch in der Lage wären ihre Angestellten ganz oder zumindest teilweise ins Homeoffice zu schicken. Umso mehr Lösungen werden mit heißer Nadel gestrickt. BYOD ohne Konzept, zweifelhafte Videokonferenz-Lösungen wie Zoom, Chat-Programme nach Gusto, Telefonkonferenzen über nicht geprüfte Anbieter etc. pp. Man muss sich darüber allerdings auch nicht wundern, wenn sogar die EU hier mit schlechtem Beispiel voran geht.
Datenschutzbeauftragte werden da schnell zum Gegner praktikabler Lösungen erklärt, wenn sie Probleme aufzeigen und im Zweifel massiv davon abraten. Denn Datenschutz-freundliche Lösungen dauern eben ein wenig länger in der Einrichtung, als die drei Mausklicks um mal eben einen Account irgendwo zu erstellen oder ein paar Dokumente auf den heimischen Laptop zu kopieren. Umso bedauerlicher, da für fast alle Zwecke Lösungen existieren.
Anstelle jetzt aber die Datenschutzbeauftragten an den Pranger zu stellen, sollten dort die „Entscheider“ (immer noch Unwort des Jahrzehnts) stehen. Wenn eine Firma oder öffentliche Einrichtung, die theoretisch Homeoffice-geeignet wäre, im Jahr 2020 keine entsprechenden Strukturen hat, dann ist das ein eklatantes Managementversagen. Häufig angetrieben durch Mikromanager mit „ich will meine Schäfchen um mich haben“-Mentalität, die Führung mit physischer Präsenz verwechseln. Meist symbolisiert durch Chef-Arbeitsplätze ohne jedwede Technik, bei denen die Assistenz bildlich gesprochen die ausgedruckten E-Mail vorlegt.
Diese „Entscheider“ sollten sich dringend fragen, ob sie Geschäftsgeheimnisse wirklich in dubiosen Tools besprechen wollen. In einigen Branchen mit sehr strengen Datenschutz-Vorgaben, wie der Gesundheitsbranche, birgt das ein nicht zu unterschätzendes juristisches Risiko.
Nicht der Datenschutz ist ein Problem, sondern die Management-Kultur in immer noch viel zu vielen Betrieben und öffentlichen Einrichtungen.
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Einleitungs- und Beitragsbild von Mudassar Iqbal via Pixabay