Linux (und Windows) Nutzer bezeichnen macOS gerne abfällig als goldenen Käfig. Mit diesem Mythos hatte ich mich hier schon mal theoretisch beschäftigt (siehe: macOS vs. Linux – Goldener Käfig gegen Freiheit?). Vergangene Woche habe ich meine Arbeitsabläufe wieder auf ein Linux-Gerät als primäres Arbeitsgerät verlagert (siehe: Erfahrungen mit dem ASUS ZenBook 14 UM425IA). Fazit: Es gibt keinen goldenen Käfig.
Der Umzug war absolut keine Herausforderung, so wie bereits im Juni 2018 theoretisch durchgespielt. Mein größtes Problem war tatsächlich, dass mein neues Gerät nur einen herkömmlichen USB-Anschluss hat und ansonsten nur mit USB-C Anschlüssen ausgestattet ist. Dadurch konnte ich ohne Adapter immer nur ein externes Speichermedium anschließen.
Wie man daran schon sieht, gab es keine nennenswerten Probleme.
Meine primäre Synchronisationsinstanz für Daten ist ein Synology NAS (siehe: Synology NAS I: Die Entscheidung für ein Synology NAS). Das war möglich, weil Apple bis heute moderne freie Schnittstellen in seinen Systemen implementiert. Anders als z. B. das in Open Source Kreisen so hochgelobte Android von Google, das man erst mittels Drittanbieter-Apps nachrüsten muss. E-Mails, Kontakte, Kalender und Aufgabenliste standen mir dank IMAP, CardDAV und CalDAV in Windeseile auf dem neuen Gerät zur Verfügung. Gleiches gilt selbstredend für die SMB-Freigaben.
Völlig unproblematisch war auch der Umzug meiner Keepass-Datenbank, da MacPass natürlich komplett kompatibel zu KeePassXC ist.
Im Bereich Office könnte LibreOffice hier sicherlich alle Dateien öffnen, die ich in den vergangenen Jahren so mit Microsoft Office 2016 angelegt habe, aber ich setze dann doch lieber auf Softmaker Office (siehe den Test der vorherigen Version: Softmaker Office 2018 – Proprietäre Officelösung für Linux, macOS und Windows). Hier konnte ich nahtlos an den laufenden Projekten weiterarbeiten.
Das gleiche galt für die erworbenen Medien. Ich habe in den letzten Jahren einiges bei iTunes gekauft. Die Dateien liegen als m4a-Dateien vor und sind ordentlich mit Metadaten versehen. Sie ließen sich problemlos in den Mediaplayer der Wahl (teste gerade Elisa aus) einlesen und mittels der obligatorischen Gstreamer-Codecs abspielen.
Etwas Arbeitsaufwand bereitete mir mein Homebanking. Unter macOS nutzte ich dafür das wirklich geniale MoneyMoney. Liebe Entwickler von KMyMoney, GnuCash, Moneyplex und Hibiscus: So geht UX-Design. Banking-Programme müssen nicht so wahnsinnig unlogisch strukturiert sein und so benutzerfeindlich. Aber das wusste ich vorher. Relevant ist etwas anderes: Dank OFX-Export ließen sich die Daten problemlos exportieren und fehlerfrei in KMyMoney importieren.
Ein bisschen nerviger waren da schon die RSS Feeds, da die Auswahl guter Feedreader bei Linux eher mäßig ist (siehe: Linux im Niedergang – Heute: FeedReader) und ich mit FreshRSS (siehe: RSS Feeds synchron halten mit FreshRSS) nicht den Darling TT-RSS nutze.
Der Rest war dann vor allem Fleißarbeit. Bei Firefox hätte man vermutlich das Profil mitnehmen können, aber hier habe ich die Gelegenheit nach all den Jahren mal zur Neueinrichtung genutzt, das IRC-Programm (natürlich Konversation!) einrichten und an die eigenen Wünsche anzupassen brauchte auch ein paar Gänge in die Einstellungen.
Warum war das so einfach? Weil die Frage, ob ein System zum Gefängnis wird, meist nicht vom System abhängt, sondern vom Anwendungsverhalten. Das Wichtigste ist erstens möglichst mit Programmen zu arbeiten, die auf Dateibasis arbeiten. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob es sich um Open Source handelt oder nicht. Wenn man nicht mehr einfach an die einzelnen Dateien herankommt, ist man in einem Gefängnis bzw. hat erhebliche Migrationsprobleme. Klassische Problembereiche sind hier DMS-Software und Fotoverwaltungen. Zweitens sollte man möglichst auf Insellösungen verzichten. Auch hier ist es wieder egal, ob es Open Source Lösungen sind oder nicht. Ausgenommen ich bin selbst Programmierer und kann das Problem im Zweifelsfall für mich selbst beheben. Ein Programm, das nur unter Linux lauffähig ist, kann mich genau so an Linux fesseln, wie sein Pendant unter macOS.
Natürlich kann man macOS oder Apple nicht mögen, beispielsweise weil sie den Kapitalismus auf immer neue Spitzen treiben, meinen Drang in den tiefsten Tiefen des Systems Änderungen vorzunehmen ausbremsen oder weil man die Benutzerführung von macOS nicht mag. Aber bitte lasst das Bild vom goldenen Käfig. Mit diesem Bild belügen sich nur jene, die eigentlich einen Mac wollen aber aus irgendwelchen Gründen bei Linux hängen geblieben sind. Beschäftigt euch lieber mit real existierenden Phänomenen.
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