Kommentar: Firefox im ewigen Niedergang

Es ist so traurig, aber Firefox kennt wirklich nur noch eine Richtung, was die Marktanteile angeht. Dabei hat sich funktional in letzter Zeit so viel zum Besseren verändert und auch so manches Fehlverhalten von Mozilla hat sich verbessert.

Vor wenigen Tagen konnte man bei dem ausgewiesenen Mozilla-Experten Sören Hentzschel lesen, dass Mozilla nach dem unerwarteten Wechsel auf dem CEO-Posten mal wieder Leute entlässt, Dienste neu priorisiert und Firefox stärken will. Dies ist nur die jüngste Kehrtwende in einem jahrelangen Niedergang und seien wir ehrlich: Hätte Google nicht aus Wettbewerbsgründen ein Interesse am Überleben von Mozilla Firefox, hätte Alphabet die Kooperation mit Mozilla bei der Standardsuchmaschine schon längst beenden und dem Feuerfuchs den Todesstoß versetzen können.

Natürlich kommen jetzt wieder die üblichen Nörgler mit irgendwelchen Geschichte von vor dem Krieg, die sich in der Community schon lange verselbständigt haben. Damals als Mozilla die Extensions getötet hat, weshalb „Millionen“ User abgewandert sind, weil man ohne drölfzig Extensions das Internet nicht nutzen kann oder damals als das Design geändert wurde. Wer kann schon ohne Menübar professionell arbeiten. Wir kennen das alles. Ich halte das für Quatsch, für den sich eine kleine Minderheit zu wichtig nimmt.

Sicherlich hat Mozilla einige fragwürdige Entscheidungen getroffen. Das Hin und Her mit Thunderbird, die Pocket-Geschichte, die zähe Entwicklung, als man noch erfolgreich war. Man könnte sicher einiges aufzählen. Aber Firefox war bereits auf dem absteigenden Ast und Mozilla stand unter Druck. In dieser Situation werden manchmal Entscheidungen getroffen, die sich im Nachhinein als falsch herausstellen. Die Geschichte ist immer offen und es ist immer leicht, sich im Nachhinein hinzustellen und alles besser gewusst zu haben.

Die Ursache für die Misere liegt aber woanders und das wird immer wieder thematisiert. Firefox ist ein Opfer der Entwicklungen im Mobilbereich. Immer weniger Menschen nutzen Desktopsysteme, immer mehr Menschen arbeiten nur noch mit Smartphones und Tablets. Es ist nicht so als ob Mozilla es nicht versucht hätte, aber alternative Systeme wie damals Firefox OS hatten keine Chance. Nichts besteht neben dem Duopol aus Android und iOS. Apple und Google haben mit ihren Systemen eine unangefochtene Dominanz und diktieren den Standardbrowser. Nur sehr wenige Menschen installieren hier überhaupt Alternativen und bei iOS war das dann bis zuletzt sogar nur die Oberfläche, weil die Apple-Engine festgelegt war.. Die Regulierungsbehörden haben das Thema viel zu lange missachtet und das was jetzt aus Brüssel kommt ist vermutlich zu wenig und zu spät.

Schaut man sich die Zahlen an, dann ist das aber noch ernüchternder als ich vermutete. Für Deutschland kommt Statista noch auf wenigstens 18% und der Sinkflug hat sich zuletzt auch verlangsamt. Weltweit sind es deutlich unter 10%. Selbst Apples Safari liegt hier deutlich vor dem traditionsreichen Open-Source-Browser. Jetzt kann man sagen, dass Statista halt auch nur eine Quelle ist und irgendwelche „gefühlten“ Zahlen angeben. Ich führe aus datenschutzgründen nur eine sehr rudimentäre Statistik, die ziemlich fehleranfällig ist, weil sie auf Fingerprinting und Cookies verzichtet, aber selbst die Logs hier ergeben nur noch circa 25% für Firefox und über 40% für Chrome.

Das hat mich doch überrascht, weil Firefox bei Linux immer noch der Standardbrowser unter allen Distributionen ist und oft auch der einzig richtig gut mit Sicherheitsupdates versorgte Weg ins Internet. Zudem lässt sich Firefox immer noch deutlich besser für eine privatsphäre- und datenschutzorientierte Nutzungsweise konfigurieren als die meisten Chromium-Varianten (Brave, Vivalid, Ungoogled Chromium etc.). Bei der Zielgruppe dieser Seite hätte ich daher mehr Firefox-Nutzer vermutet. Zuletzt hat man hier im Bereich Trackingschutz einiges richtig gemacht und die neu eingeführte automatische Cookiebannersteuerung ist auch vielversprechend.

Eine Umkehr werden wir nicht mehr erleben. Für die Zukunft ist das bedenklich, weil Google seine Torwächterfunktion immer hemmungsloser ausnutzen kann. Zuletzt kommentierte ich dies anlässlicher der Blockade von Drittanbieter-Cookies. Ob Abspaltungen von Chromium wirklich eigenständig lebensfähig sind und sich fragwürdigen Entscheidungen von Google konsequent widersetzen können, wird sich noch zeigen. Wir werden es vermutlich zeitnah bei den Werbeblockern sehen.

Cruiz
Cruizhttps://curius.de
Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.
  1. Ich frage mich ob es nicht möglich sein müsste die Finanzierung irgendwie in den Begriff zu bekommen, auch unabhängig von Alphabet. Dies ist sicher nicht leicht, aber es gibt ja durchaus Projekte die das schaffen. Thunderbird ist da ein gutes Beispiel wie es klappen kann. Der sanfte, aber doch gut sichtbare Hinweis zum Spenden scheint dort zu funktionieren. Ein Beispiel wie man es nicht unbedingt machen sollte ist Wikipedia, dies ist doch schon sehr penetrant, wobei es letztendlich ja auch zu funktionieren scheint.

  2. Naja, ich halte das „Hin und Her mit Thunderbird, die Pocket-Geschichte“ für Kleinigkeiten. Der Punkt den viele frühere Firefoxuser, die sich über das entfernen von Features beschweren, haben ist, dass diese oft die Verbreiter von Firefox waren. Also Leute die auf der einen Seite, es lieben ihre Software zu konfigurieren und zu gestalten, aber auch deshalb diese lieben und verbreiten. Die waren natürlich genervt von vielen Änderungen, die das einschränken. Für mich sind hochkonfigurierbare Blocker wie z.b. uMatrix wichtig gewesen. Auch habe ich gerne Cookies für jede Seite individuell zugelassen und abgelehnt (wurde in der Fx Version 44 entfernt).

    Ich habe früher in meinem halben Freundeskreis, die Windowsinstallationen betreut und dabei immer zuerst den Firefox als Standardbrowser eingerichtet. Wir waren Multiplikatoren.
    Auch Chrome habe ich am anfang noch empfohlen. Da ich aber mittlerweile nur noch Linux nutze und kaum noch jemand Desktoprechner, ist dieser Faktor entfallen.

    Heute zählt nur noch das, was schon auf dem System ist und die Leute sind damit zufrieden. Meine Erfahrung ist das Nutzer, die keinen technischen Hintergrund haben, nie irgendwelche Einstellungen vornehmen. Daher sind technische Argumente hier völlig nutzlos. Werbung und ein gutes Gefühl ist mehr als ausreichend für die meisten Nutzer.

    Wenn man mal über Daten spricht, merkt man zwar ein Unwohlsein, aber das führt nicht zu dauerhaften Konsequenzen. die Zeiten wo wir „Geeks“ als Ratgeber gefragt waren sind vorbei. Apple, google und Microsoft haben bis auf Nischen die Kontrolle daüber welche Daten auf die Rechner der Menschen kommen. Da ist die Entscheidung des Browsers nur noch Nachrangig. Das Manifest V3 wird nahezu alle Browser betreffen.

    • Der Multiplikatorenaspekt ist sehr relevant, darüber habe ich noch nie nachgedacht. Dennoch eine kleine Anmerkung.

      „Da ich aber mittlerweile nur noch Linux nutze und kaum noch jemand Desktoprechner, ist dieser Faktor entfallen.“

      Aber damit widersprichst du dir doch selbst. Die beschriebene Multiplikatorenrolle ist entfallen, weil sie keinen Bedarf mehr hat und nicht weil die Multiplikatoren sich von Mozilla Firefox abgewandt haben.

      • Deine Analyse ist wirklich auf den Punkt, Cruiz! Ich war und bin im in der gleichen Situation wie mutant77. Als Firefox-Nutzer der ersten Stunde trauere ich auch einigen weggefallenen Funktionen nach. Trotzdem nutze ich ihn auch weiterhin selbst und würde ihn im Bekanntenkreis auch weiter empfehlen.

        Das Ding ist nur: Trotz Werbeflut und Datenapocalypse ist die Wahl des Browsers heute nichts mehr, bei dem technische Laien Hilfe wollen. Im Grunde traure ich der Zeit auch nicht hinterher, in der ich wöchentlich von Leuten im Bekanntenkreis angehauen wurde, ich sollte mal einen Blick auf ihren neuen oder kränlelnden Desktop-PC, Notebook, Drucker, Smartphone, … werfen.

        Ich hab auch früher schon sehr drauf geachtet, niemanden zu missionieren. Weder zu Firefox noch Linux. Das bringt einem nur Ärger und unbezahlte Support-Abende ein. Inzwischen läuft es out of the box anscheinend gut genug, dass Nicht-Techies damit zufrieden sind. Manchmal möchte man als IT-Nerd die Hände überm Kopf zusammenschlagen, wenn man sieht, was „gut genug“ in dem Kontext bedeutet, aber wenn Schwiegermutter mit ihren selbst eingerichteten Werbewanzen in der Tasche und zu Hause auf dem Schreibtisch zufrieden ist, will ich ihr bestimmt nicht meine Hilfe aufzwängen.

        Vielleicht hat Mozilla tatsächlich gar nichts falsch gemacht und es ist im Kapitalismus einfach der Lauf der Dinge, dass nicht der freundlichste Anbieter gewinnt sondern der skrupelloseste mit dem größten Machtstreben.

  3. Es ist in der Tat traurig. Auch was das Thema Sicherheit unter Android angeht, bekelckern sich Gecko-Browser (Firefox und seine Abkömmlinge) nicht mit Ruhm. Da sind ihnen Chromium-Browser wohl weit überlegen, Stichwort Sandboxing.

  4. Ewiger Niedergang ist mir zu pessimistisch. Wie Du schreibts, hat sich Firefox in letzter Zeit wieder verbessert, und ich bilde mir ein, dass auch in den Grafiken erkennen zu können, auch wenn man nicht von einer Trendumkehr sprechen kann. Aber die Nutzerzahlen scheine sich doch eher auf niedrigem Niveau zu stabilisieren, sieht für mich zumindest so aus.

    Und wenn 8-10% Marktanteil gehalten werden könne, ist das doch immer noch eine Nutzerzahl, die für ein tragfähiges Geschäftsmodell reichen sollte.

    Zu alter Größe wird der Fuchs aber sicher nicht zurückfinden, einfach weil es kaum objektive Vorteile mehr hat, Firefox zu nutzen. Zu IE Zeiten war Firefox einfach klar besser, jetzt gibt es evtl. noch Vorteile in der Konfigurierbarkeit und im Datenschutz, aber die diversen Chrome Forks zeigen, das man auch dafür nicht zwingend auf den Firefox angewiesen ist. Die vielen Extensions waren ein Vorteil, aber für den mobilen Firefox gibt es quasi keine, fällt da also auch weg. Bleibt der wichtige Punkt, das man Google kein absolutes Monopol für die Browser Engine überlassen sollte, aber das bringt verständlicherweise keine Massen zum wechseln.

Kommentieren Sie den Artikel

Ergänzungen dienen der Diskussion über die Inhalte des Artikels. Nachfragen, Anmerkungen und Ergänzungen sind dezidiert erwünscht. Ergänzungen werden vor der Veröffentlichung moderiert. Wir behalten uns vor Kommentare ohne inhaltlichen Bezug oder abseitige Diskussionen nicht zu veröffentlichen.

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Weitere Artikel