openSUSE Leap vor dem Aus?

Der Weg von SUSE ist vorgezeichnet. Er führt zu einem unveränderlichen System. Die Community-Variante Leap kann ohne die SUSE Linux Enterprise-Basis nicht funktionieren. Sie muss mitgehen oder verschwinden. Im Moment sieht es nach letzterem aus.

OpenSUSE Leap kann nicht ohne SUSE Linux Enterprise existieren. Die komplette Basis stammt von dort, denn die Community steuert „nur“ die Desktopumgebungen und Endanwenderprogramme bei. Sie erweitert damit den Kern einer traditionell schmalen Enterprise-Distribution um all jene Komponenten, die Linux-Anwender in der Breite erwarten.

Leap hat traditionell einen Mangel an Entwicklern. Das hat man dem Produkt immer angemerkt. Viel Arbeit – auch im Bereich der Community – kommt von SUSE-Mitarbeitern. Die meisten aktiven Community-Mitglieder arbeiten mit und entwickeln für Tumbleweed. Das ist der Zweig, der ohne eine formale Anbindung an SUSE Linux Enterprise auskommt. Dies steht in einem gewissen Missverhältnis zu den Nutzungszahlen.

Am 2. Mai hat Richard Brown sich auf der Mailingliste erneut an die Community gewandt. Tenor: Wenn niemand bereit ist, sich einzubringen und Verantwortung zu übernehmen, wird openSUSE Leap mit dem Ende des klassischen Linux-Enterprise eingestellt. Das bedeutet, dass die für kommendes Jahr angekündigte Version 15.6 nochmal eine Gnadenfrist bedeutet, aber es könnte auch die letzte Version werden.

SUSE ALP Basis wird nicht alles enthalten, was die Community von einer Leap-Version erwartet. Sie wird sich sehr stark auf die Server-Implementierung konzentrieren. Wenn openSUSE Leap 16 ein Erfolg für die Community werden soll, muss insbesondere das Desktop-Ökosystem von der Community beigesteuert werden.

Man kann die Mail von Richard Brown durchaus so lesen, dass SUSE mit ALP auch den SUSE Linux Enterprise Desktop beerdigt, denn sonst würde Leap zumindest GNOME enthalten. Das passt zu der Ankündigung von Red Hat, seine Prioritäten im Desktopsegment zu überdenken. Der Linux-Desktop scheint in schwieriges Fahrwasser zu geraten.

Manche glauben, dass der Rückzug von Corporate Linux ein Segen wäre, weil die Community dann schon alles so regeln würde, wie es für die Anwender gut ist. In solchen Debatten tauchen dann immer wieder die antikapitalistischen Strömungen in der Open-Source-Community auf. Ich halte das für Wunschdenken. Linux wäre nie da, wo es heute ist, ohne die Beteiligung von Unternehmen. Alle Leuchtturmprojekte wurden von Firmen entwickelt oder sind mit massiver Firmenbeteiligung entstanden. Wer Open Source ohne nennenswerte Firmenbeteiligung und mit viel Stabilität sucht, sollte sich vielleicht einfach mal BSD anschauen.

Ein Rückzug der Firmen aus der Desktop-Entwicklung wäre ein Meilenstein und nicht zum Guten. Mal sehen, wohin die Reise geht. Sowohl beim Linux-Desktop als auch bei openSUSE Leap.

Cruiz
Cruizhttps://curius.de
Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.
  1. Der Linux-Desktop ist für mich schon länger „untergegangen“. Das meiste wo ich mit Linux in Verbindung heute komme sind Docker und Webserver. Wenn ich mir einen Linux-Desktop in einer VM einrichte, ist das meist ein Minimales System um mehrere Fenster zu starten und mit Google Chrome wie Visual Studio Code meine wichtigsten Werkzeuge zu nutzen. LibreOffice, VLC, etc. … alles uninteressant.

    SUSE ALP muss nur mir wichtige Sachen liefern und ich bin zufrieden.

  2. Dass es irgendeinen Desktop-Nachfolger für Leap gibt, damit würde ich schon rechnen. Die Anzahl der voraussichtlichen Entwickler/Maintainer ist zwar bisher beschaulich, aber halt auch nicht bei null. Kann sein, dass da (erst einmal) einige Kompromisse eingegangen werden müssen zwischen dem, was man Usern gerne anbieten würde und dem, was mit der begrenzen Manpower umsetzbar ist, aber abschreiben würde ich es definitiv noch nicht.

    „Man kann die Mail von Richard Brown durchaus so lesen, dass SUSE mit ALP auch den SUSE Linux Enterprise Desktop beerdigt“

    Das sieht wohl mittelfristig so auf. Was ich da so aus den Kommunikationen zwischen den Zeilen herauslese, ist dass man bei SUSE halt erst einmal versucht mit ALP ein Serverprodukt zum Laufen zu kriegen und das zu etablieren und dann später irgendwann vielleicht noch einmal guckt, ob man da ein Desktop-Produkt raufsetzen möchte oder halt nicht. Gerade in Himblick auf die Nischigkeit des Linux-Desktops würde ich da auf nicht allzu viel hoffen, auch wenn es rein formell bisher vielleicht eher ein auf unbestimmte Zeit Zur-Seite-Legen als rechtskräftiges Beerdigen ist.

  3. Ich denke, das Problem ist eher Richard Brown’s Führungsstil. Zumindest für mich fiel er ununterbrochen negativ in den sozialen Medien auf, wo er Nutzer der Open Source Version als Parasiten beschimpft hat. So lockt man keine Freiwilligen an, ganz im Gegenteil, ich bin jetzt bei Arch Linux untergekommen und paketiere dort. Wenn man es herunterbricht auf 100 % der Einnahmen im Server Segment und 100 % der Verluste durch Desktop, klar, dann muss man Prioritäten setzen. Insbesondere SUSE, deren Börsenkurs völlig abgestürzt ist. Es ist aber kurzsichtig, denn das, was Systemadministratoren auch gerne privat einsetzen, wird sicherlich firmenintern gerne auch auf dem Server eingesetzt.

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