Die Leute trauen Facebook, Google & Co alles zu (was erst mal gut ist) und viele glauben, diese würden über Smartphones alles mithören und dann unter anderem passende Werbung ausliefern. Solche Thesen kamen hier auch schon bei Kommentatoren vor. Dem ist (noch) allerdings nicht so.
Über GNU/Linux.ch bin ich auf den einen tollen Artikel in Republic.ch aufmerksam geworden, der das Phänomen sehr gut und ausführlich beschreibt. Die Artikel möchte ich dringend empfehlen.
Das Grundproblem ist einfach erklärt. Viele Menschen bekommen über Facebook & Co personalisierte Werbung für ein Thema ausgeliefert, über das sie kürzlich (meinen) gesprochen zu haben. Ein neues Auto, ein neues Smartphone, die geplante Hochzeit. Die vermeintlich logische Schlussfolgerung: Sie hören uns ab.
Woher die Urban Legend der stets mithörenden Datenkonzerne kommt, ist nicht ganz klar. Vermutlich spielen da viele Faktoren zusammen. Konzerne wie Facebook haben ein extrem schlechtes Image – der Konzern benennt sich wohl auch aus diesem Grund um – und die Leute trauen den Datensammlern deshalb viel zu. Das ist erst mal gut und richtig, aber sollte nicht zu falschen Schutzmaßnahmen führen. Meldungen über ständiges Mitlauschen moderner Sprachassistenten vor einigen Jahren könnte dazu beigetragen haben, die Idee vom ständigen Abhören zu verankern. Die wenigsten Menschen interessieren sich genug für das Thema, um die vielen Meldungen genau einzusortieren und oft fehlt es auch an technischem Verständnis. Hängen bleiben dann halt wenige Fetzen, die man weiter trägt.
Denn die Vorgänge sind komplex. Konzerne wie Facebook (nun demnächst „Meta“), Google usw. usf. nutzen eine schier endlose Bandbreite an Möglichkeiten, um Daten über die Anwender zu bekommen und die verschiedenen Informationen von unterschiedlichen Geräten für ein Profil zu verknüpfen. Dazu gehören offenkundige Sachen wie Browserverlauf oder Suchanfragen, aber auch viel komplexere Sachen wie App-Nutzungsdaten, Standortdaten, über Datenhändler zusätzlich eingeworbene Datensätze und zig weitere Methoden. Ständig kommen neue Sachen hinzu. Die größte Innovationskraft im Silicon Valley hat schon lange die werbegetriebene Überwachungsindustrie. Dank verbreiteter Verwendung von Konten für alle großen Dienste lassen sich in der Regel auch unterschiedliche Geräte verknüpfen. Den Nutzern wurden diese bereits vor längerer Zeit über vermeintliche Komfortfunktionen schmackhaft gemacht.
Die einzelnen Verbraucher werden anhand der vorhandenen Daten kategorisiert, wodurch Leerstellen gefüllt werden können und man zukünftiges Verhalten und vor allem Konsumwünsche vorhersagen kann. Die meisten Menschen sind in ihrem Lebensentwurf und Konsumverhalten nicht so individuell, wie sie glauben. Nicht anderes beabsichtigt Google in großem Stil mit Chrome auszurollen und behauptet dabei, die Nutzer sogar vor Tracking zu schützen.
Es ist viel effizienter, solche maschinenlesbare Daten zu sammeln und auszuwerten als möglicherweise unverständliche Sprachdaten, die mit großem Einsatz menschlicher Arbeitszeit ausgewertet werden müssen. Eben um genau dieses Problem der menschlichen Auswertung von Sprachdaten ging es schließlich damals bei dem „Abhörskandal“ rund um Alexa, Siri, Cortana und Google.
Weil die meisten Nutzer diese komplexe Materie nicht oder nur unzureichend durchdringen, greift man zu einer leichteren Erklärung: Sie hören uns ab. Das kennt man aus der Vergangenheit, von der Stasi oder zahlreichen Geheimdienst-Filmen. Das kann man sich irgendwie besser vorstellen als die Idee, dass das eigene Leben sich durch die Daten, die man erzeugt, erfassen, systematisieren und prognostizieren lässt.
Den Konzernen hilft diese Urban Legend sogar. Anstelle das Tracking wirklich in den Fokus zu nehmen, bauen Konzerne wie Google in ihre Betriebssysteme Alibi-Maßnahmen ein. Dazu gehören zum Beispiel als Trackingschutz vollkommen nutzlose Indikatoren, wenn Apps auf Mikrofon oder Kamera zugreifen. Damit fühlen sich Verbraucher geschützt, weil sie glauben, Facebook & Co würden sie abhören. Die wirkliche Datensammlung geht einfach weiter.