Vor diesem Szenario warnen Datenschützer schon seit Jahren. Einmal angelegte Datensammlungen und Datenbanken verschwinden nicht einfach, wenn ein politisches System kollabiert oder durch feindliche Kräfte übernommen wird. Noch schlimmer sind biometrische Daten, denn Biometrie kann man nicht auswechseln.
Für das Thema möchte ich zwei Artikel des SPIEGEL und einen der ZEIT empfehlen:
- Wie die Taliban die Identitätserkennung der Amerikaner nutzen können
- Der digitale Notausgang fehlt
- In Afghanistan könnte wahr werden, wovor Datenschützer immer warnen
Das Problem ist schnell geschildert. In Afghanistan wurde in den vergangenen Jahrzehnten zur Identifizierung von Personen umfassend auf Biometrie gesetzt. Fingerabdrücke, Gesichtserkennung, Iris-Erkennung – das ganze Arsenal des biometrischen Schreckens. Andere Verfahren wie ein vertrauenswürdiges Personenregister gab es ja nicht und wenn selbst Staaten wie Deutschland mit einem exzellenten Meldewesen glauben abwegigerweise, nicht auf biometrische Fotos und Fingerabdrücke verzichten zu können, warum sollte die internationale Koalition in Afghanistan darauf verzichten. Welche afghanische Zivilgesellschaft hätte sich auch noch dagegen wehren sollen?
Besonders fatal in der aktuellen Situation: Nicht nur des Terrorismus oder der Unterstützung der Taliban verdächtige Afghanen oder verurteilte Straftäter wurden erfasst, sondern auch jene, die in irgendeiner Form mit der internationalen Koalition kooperierten.
Bei ihrem Siegeszug haben die Taliban jetzt nicht nur Unmengen von Waffen erbeutet, sondern auch das biometrische Equipment. Vor allem sogenannte HIIDE-Geräte zur Anfertigung und Überprüfung biometrischer Daten. Neben den lokal gespeicherten Daten haben sie potenziell auch Zugriff auf die aufgebauten nationalen biometrischen Datenbanken. Wirklich gebracht haben diese Daten nichts. Afghanistan ist durch sie kein funktionsfähiger Staat geworden und das Militär keine schlagkräftige Einheit.
Aber mit diesen Daten heißt es jetzt für die Taliban: Die Menschenjagd kann beginnen!
Niemand kann sich verstecken. Fingerabdrücke können ebenso wenig ausgewechselt werden wie die Iris.
Nur ein Problem am Hindukusch? Mitnichten. Wir müssen nur in unsere direkte osteuropäische Nachbarschaft schauen, um zu sehen, wie schnell sich ein System wandeln kann. Nach 2015 durfte man sich auch in Deutschland sorgen, dass eine faschistische Partei mehrheitsfähig werden könnte und die nächsten Präsidentschaftswahlen könnten eine rechtsextreme französische Präsidentin hervorbringen.
Gute Gründe, keine Datenbanken anzulegen, die man sowieso nicht braucht, aber über die sich im Fall der Fälle der Gegner sehr freuen wird.
Aktualisierung 21.08.2021
ZEIT Artikel nachgetragen.
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