Google Tracking ohne Cookies – Chrome macht es möglich

Cookies und Tracking sind inzwischen zwei Seiten derselben Medaille. Das Thema ist so bekannt, viele Schutzmechanismen wurden etabliert und die DSGVO zeigt auch Wirkung. Also verabschiedet sich Google vom sinkenden Schiff. Man braucht es auch nicht mehr. Man kontrolliert schließlich den Browser.

Wenn man die technische Entwicklung der letzten Jahre verfolgt hat, kommt diese Entscheidung nicht überraschend. Google verabschiedet sich von Cookies als Tracking-Instrument. In seiner Ankündigung bemüht der Konzern mal wieder die jüngst häufiger zu beobachtende Strategie des Privacywashing. Diese PR-Strategie wurde dann auch prompt von Seiten wie tagesschau.de aufgegriffen.

Dabei ist eher das Gegenteil richtig. Google verabschiedet sich von einer immer weniger funktionierenden Technik, weil es bessere Möglichkeiten gefunden hat, Werbung zielgerichtet an den Verbraucher zu bringen. Cookies waren einfach kein adäquates Mittel mehr. Jeder halbwegs interessierte Verbraucher wusste durch die Berichterstattung der vergangenen Jahre, wie Tracking per Cookie funktioniert. Immer mehr Browser sperrten Drittanbieter-Cookies als Standard, Addons räumten hinter den Nutzern her und im wichtigen europäischen Raum (China ist für Google schließlich tabu als Wachstumsmarkt) geht ohne informierte Einwilligung rechtlich eigentlich gar nichts. DSGVO sei Dank!

Stattdessen bemüht man in Zukunft die mächtigste Waffe zur Kontrolle der Nutzer, über die der Konzern verfügt: Den Browser. Zwei Drittel der Internetnutzer nehmen dafür Chrome. Den ach so schnellen, komfortablen und im Kern doch quelloffenen Browser des Suchmaschinen-Anbieters. Wie netzpolitik.org zu berichten weiß, möchte Google in Zukunft die Anwender in kleine Gruppen sortieren, die dann nicht individualisiert, aber auf Basis der Gruppe mit Werbung bedacht werden.

Ein heikles Unterfangen, denn wenn die Gruppe klein genug ist, wird es mit der Anonymität schwer. Google behauptet natürlich, dass man diese wahren möchte, aber hierzu empfehle ich euch den kürzlich von Mike Kuketz veröffentlichten Artikel zu Tracking. Jeder, der schon mal im großen Stil mit Datenverarbeitung und -auswertung befasst war, weiß, wie schwer konsequente und wirkungsvolle Anonymisierung ist. Selbst wenn man wirklich vorhat, konsequent und sauber zu anonymisieren, passieren da leicht Fehler.

Vermutlich bräuchte der Konzern nicht mal die neuen Funktionen in Chrome. Durch unzählige Dienste von Crashlytics bis Google Fonts hat sich der Konzern mit dem Internet verwoben und bekommt dadurch unzählige Daten. Nicht zuletzt von den Android-Smartphones, die quasi permanent Daten an Google übermitteln.

Das ist so weit auch überhaupt nicht überraschend. Google ist ein Werbekonzern. Es ist nahezu das einzige funktionierende Geschäftsmodell des Konzerns. Seit Jahren gelingt es Google nicht, neue erfolgreiche Dienste zu launchen. Die letzten Erfolge waren faktisch Android und YouTube, die beide eigentlich Zukäufe waren. Die Cloud-Sparte wächst zwar, aber hier hat man mit Amazon AWS und Microsofts Azure starke Mitbewerber.

Man muss es so deutlich sagen: Kein Mensch, der nur ein wenig Wert auf seine Privatsphäre und seine Daten legt, nutzt Google Chrome als Browser! Unsere Internetaktivitäten sagen unglaublich viel über uns aus und diesen Raum mit dem Werkzeug eines Werbekonzerns zu besuchen ist an Absurdität kaum zu überbieten. Wenn man Chrome oder andere Google-Dienste nutzt, kann man eigentlich auch gleich auf alle anderen Schutzmaßnahmen verzichten.

Leider ist es immer schwieriger, dem Konzern aus dem Weg zu gehen. Mangels eines funktionierenden Geschäftsmodells hat sich die Open Source-Gemeinschaft bereitwillig dem Konzern als Finanzier an den Hals geschmissen. Finanzierung der Mozilla Foundation, GSoC, Project Zero, direkt angestellte Entwickler. Und eben nicht zuletzt die Chromium-Engine. Nahezu alle freien Browser basieren inzwischen darauf und über so schöne Sachen wie Qt-Webengine noch viel mehr. Keinem dieser Projekte ist es gelungen, die engen Anbindungen an Google komplett zu kappen. Diese vielfältigen Abhängigkeiten sollte man sich vergegenwärtigen, wenn man glaubt mit Open Source und Linux pauschal auf der sicheren Seite zu sein.

Hier zeigen sich die Nachteile einer weltweiten Gemeinschaft. Außerhalb Deutschlands und Europas hat Datenschutz einen viel geringeren Stellenwert. Nicht umsonst ist eine Einbindung des Google-Kontos oft die erste Funktion für Webkonten, Mail & Co in KDE und GNOME.

Aber noch gibt es wirklich freie Alternativen, die nicht nur eine andere Oberfläche über die gleiche Basis legen. Noch gibt es Firefox. Ein Browser, der bei allen problematischen Entwicklungen der letzten Jahre im Großen und Ganzen ein datenschutzfreundliches Werkzeug bleibt. Funktional und von der Geschwindigkeit ist er schon lange konkurrenzfähig zu Chrome.


Nachtrag vom 05.03.2021

Ich möchte noch auf den Artikel bei Dr. Datenschutz hinweisen. Insbesondere auf den Aspekt, dass Google diese Veränderung möglicherweise in Angriff nimmt um seine dominierende Stellung auf dem Werbemarkt gegen die Konkurrenz zu behaupten. Ein riskanter Zug angesichts der laufenden Verfahren in den USA und bei der EU.

Cruiz
Cruizhttps://curius.de
Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.
  1. Der Artikel spricht mir aus dem Herzen, das waren auch meine ersten Gedanken.

    Vielleicht noch als Ergänzung, es klingt so als ob das einteilen in Gruppen harmlos wäre, solange keine Deanonymisierung möglich ist. Eigentlich ist aber das Gegenteil der Fall, es besteht kein Interesse daran, für jeden Erdenbürger ein individuelles Profil zu erstellen, sondern nur möglichst jeden möglichst genau einschätzen zu können. Bei Werbung gehet es um Manipulation von Massen, die alle dazu gebracht werden sollen, sich gleich zu entscheiden. Und da sind wir nicht so individuell wie wir gerne glauben, das heißt eine Einteilung in Gruppen, die auf die gleiche Anreize reagieren, reicht völlig. Und je besser das klappt, desto gefährlicher. Das Verfahren ist schließlich das gleiche, egal ob es darum geht, uns dazu zu bringen, Dinge zu konsumieren, die wir eigentlich nicht brauchen oder die uns sogar schaden, oder z.B. und für politische Parteien zu entscheiden oder für den Brexit zu stimmen.

  2. Mich wundert es, dass der Werbemarkt noch so lukrativ ist. Ich surfe seit Jahren mit Werbe-Blocker oder zahle für werbefreie Dienste, die ich unterstützen möchte.

    • Ein bisschen verwunderlich ist das schon, aber vor allem auf Mobilgeräten haben viele keinen Blocker und innerhalb von Social Media Newsfeeds o.ä. funktionieren diese auch oft schlecht.

  3. Man sollte den Brave Browser, der zwar auf Chrome basiert, aber einige drastische Vergesserungen zum Datenschutz hat und sich so vom eigentlichen Chrome Browser deutlich absetzt in erwägung ziehen

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