Stromausfälle und ihre Folgen – elementary OS

Normale Desktop-PC’s haben Nachteile, einer davon ist das Fehlen eines fest verbauten Akkus. Wenn der Strom wegbricht fährt das System sehr unsanft herunter – so geschehen bei mir vor etwa einer Woche. In 99% der Fälle hält das System das aus, ein Dateisystemcheck beim hochfahren und man ist wieder da. Manchmal war es das dann aber auch. Die Systempartition kann nicht mehr korrekt eingehangen werden und das System lässt sich nicht mehr richtig starten. Jetzt kann man auf Fehlersuche gehen, was sicherlich interessant und lehrreich wäre, oder man setzt das System neu auf.

Abkehr von KDE

Besagtes Gerät lief bis dahin noch mit openSUSE 13.2. Die letzte „klassiche“ openSUSE-Distribution vor der Umstellung auf Leap lief hier wirklich gut, aber das planmäßige Supportende in circa 6 Monaten und macht Restauration des Systems auf den Stand quo ante wenig sinnvoll. OpenSUSE Leap wiederum ist zwar interessant aber 42.1 war nicht ausgereift und 42.2 ist noch nicht veröffentlicht. Das ist keine grundsätzliche Kritik am aktuellen Entwicklungsmodell von openSUSE, sondern liegt einfach an meinen Ansprüchen an eine stabile Distribution und das echt schlechte Timing des Stromausfalls. Wäre das Anfang November passiert, hätte openSUSE 42.2 ohne nachzudenken seinen Weg auf diese Platte gefunden.

Hinzu kommt, dass ich mit der Entwicklung von KDE seit einiger Zeit sehr unzufrieden bin. Das bezieht sich dezidiert auf KDE als Gesamtheit und nicht (nur) auf Plasma. Die Desktopumgebung selbst ist seit Version 5.6 wieder benutzbar und hat den Stabilitäts- und Funktionsumfang von KDE SC 4.14 wieder erreicht. Das KDE-Ökosystem ist aber meiner Meinung nach aber in einem wenig zufriedenstellendem Zustand. Das Grundproblem sieht man schon sehr gut an Plasma selbst. Nach jeder Transition ist man damit beschäftigt Funktionsparität zur Vorgängersituation wiederherzustellen. Bei Plasma klappt das noch ganz gut, weil dort verhältnismäßig viele Entwickler mitarbeiten. Bei vielen Programmen in den weiten der Applications-Sammlung sieht das deutlich düsterer aus. Programme sind nicht nicht auf die aktuelle Qt-Version portiert oder siechen im Wartungsmodus vor sich hin. Das trifft selbst Kernanwendungen wie den PDF-Betrachter Okular.

Natürlich kann man KDE Plasma auch mit Drittprogrammen kombinieren, aber ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass das langfristig nervig ist. Die Programme agieren schlecht miteinander und optisch passt da meist auch nichts. Das sind persönlich Präferenzen, aber mir ist eine konsistente Umgebung enorm wichtig, weil es die Bedienung extrem vereinfacht wenn die Bedienoberfläche unterschiedlicher Programme nach dem gleichen Prinzip aufgebaut ist.

Gleichzeitig erkenne ich in vielen Zukunftsentwicklungen keine positive Perspektive. Wo liegt für mich als Desktopanwender (und die allermeisten KDE-Nutzer dürften KDE auf dem Desktop verwenden) der Sinn von Kirigami oder anderer Mobilentwicklungen? Natürlich kann man als Endanwender den Entwicklern nicht vorschreiben, wohin die Reise gehen soll, aber man kann seine persönlichen Schlüsse ziehen und sich nach Alternativen umsehen.

GNOME, MATE, Xfce und Pantheon

GNOME und seine Abkömmlinge waren mir immer zu optionsarm, aber unter macOS habe ich in den letzten Wochen die Erfahrung gemacht, dass es ganz angenehm sein kann, wenn ein Kontextmenü nur die Optionen aufweist, die man wirklich braucht und nicht noch 15 weitere, die man noch nie verwendet hat. Wenn man nach Alternativen zu Plasma sucht, liegt es nahe sich zuerst einmal GNOME anzuschauen. Weil Fedora bisher die einzige Distribution ist, die Wayland ansatzweise funktional implementiert hat, lohnt es sich der Version 24 mal eine Chance zu geben – schon alleine für den Zukunftausblick. Ein ausführliche Kritik zu GNOME fällt hier leider aus, da die Shell auf meiner (nicht mehr ganz frischen) Intel-Hardware, sowohl unter Wayland als auch unter X11, nur mit enormen Verzögerungen reagierte.

Anschließend habe ich mir MATE und Xfce angesehen. Beide Desktopumgebungen haben ihre Zielgruppe – ich bin es aber definitiv nicht. Ich habe GNOME 2 früher (so ~2008) gerne genutzt, es war eine stabile Alternative zum bereits damals schwer in Turbulenzen befindlichen KDE. Im Jahr 2016 wirkt die ganze Oberfläche und ihre Funktionsweise aber einfach alt. Natürlich ist ein 3D-Desktopwürfel eine sinnlose Spielerei, aber eine Exposé-Funktion aller offenen Fenster eben nicht. Vermutlich bin ich nicht strukturkonservativ genug um das Verharren im status quo per se gut zu finden.

Ich war schon dabei frustriert und reumütig zu KDE zurück zu kriechen, als eine Ankündigung von elementary OS meine Aufmerksamkeit gewann. Diese auf Ubuntu aufbauende Distribution/Desktopumgebung hat nämlich vor kurzem die Beta 2 seiner neuen Version veröffentlicht. Elementary hatte ich bisher immer als auf Optik getrimmten GNOME/Ubuntu-Fork wahrgenommen. Wenn man aber schon dabei ist sich einen Eindruck vom Linux-Desktopökosystem des Jahres 2016 zu machen kann man da natürlich auch nicht vorbei schauen.

Elementary – Irgendwo zwischen macOS und GNOME

Genau wie Mint und KDEneon ist eOS keine unabhängige Distribution. Man verwendet direkt die Ubuntu-Paketquellen und bindet per PPA eine zusätzliche Paketquelle ein. Die Installation mittels Livemedium und Ubiquity verläuft dann auch genau wie bei Ubuntu und den offiziellen Derivaten. Hier enden aber schon die Gemeinsamkeiten.

Pantheon

Die Pantheon genannte Desktopshell präsentiert sich sehr aufgeräumt. Wie bei bei der GNOME Shell gibt es am oberen Rand eine Leiste mit dem Benachrichtigungsbereich und der Uhrzeit. Am linken Rand der Leiste befindet sich jedoch im Gegensatz zur GNOME Shell ein herkömmlicher Programmlauncher. Dieser ist direkt nach der Installation noch sehr leer. Lediglich eine kleine Programmauswahl ist vorinstalliert und viele Diensteprogramme wie der PDF-Betrachter werden nicht angezeigt, da die Entwickler der Ansicht sind, dass diese Programme meist eh direkt über den zugehörigen Dateityp gestartet werden. Am unteren Bildschirmrand befindet sich das Dock Plank. Damit sind die wesentlichen Funktionen der Desktopoberfläche beschrieben. Das Aussehen erinnert sehr an macOS, kann aber seine Linuxherkunft natürlich nicht ganz verhehlen.

Wie bei allen Gtk-basierten Desktopumgebungen gibt es jedoch eine Vielzahl von Designs, die sich nachinstallieren lassen und den Desktop optisch an die Benutzerwünsche anpassen. Die modernen GNOME-Designs funktioneren alle auch für eOS, wenngleich man die Einstellungen zur Auswahl der alternativen Designs erst nachrüsten muss. Das populäre Arc-Design (hier mit macOS-Anleihen für das konsistente Arbeiten mit dem MacBook) funktioniert z.B. reibungslos auch in den eOS-Forks wie Files.

files

Die vorinstallierten Programme sind entweder Forks ihrer GNOME-Pendants oder entstammen gleich direkt GNOME. Während der hier gezeigte File-Manager oder das Videoprogramm zwar minimalistisch gehalten sind, aber im Prinzip ihre Aufgaben erfüllen, sind das Mailprogramme (Pantheon Mail/Geary) und der Kalender Maya bestenfalls im Betastadium. Optisch sind sie alle definitiv auf der Höhe der Zeit, aber ein nativer Mailclient muss schon S/MIME und GPG können, um einen substanziellen Vorteil zur Weboberfläche zu bieten. Maya kann zumindest theoretisch mit CalDAV-Kalendern umgehen, was aber in der Praxis nicht funktioniert – ebenfalls ein Ausschlusskriterium. Beim Appcenter setzt man auf eine Eigenkreation, die aber ebenfalls eher im Alpha-Stadium ist. Hier ist Ubuntu/GNOME Software definitiv der Vorzug zu geben, sofern ein grafisches Werkzeug vonnöten ist.

einstellungen

Die Einstellungen präsentieren sich aufgeräumt und sind nicht ganz so limitiert wie bei GNOME. Der Aufbau erinnert stark an macOS, wodurch man sich schnell zurecht findet.

tweaks

Genau wie bei GNOME kann man eine Tweaks genannte Ergänzung nachinstallieren, womit sich die Shell und die angeschlossenen Programme detaillierten konfigurieren lassen. Letztlich kann man den Desktop zwar nicht wie bei KDE bis ins letzte Detail anpassen, die notwendigen Optionen sind aber vorhanden.

Ihre Stärken spielt die Pantheon Shell im Designbereich aus. Die Entwickler von eOS haben sich wirklich Mühe gegeben der Oberfläche ein optisch schön anzuschauendes und konsistentes Aussehen zu geben. Arbeitsflächeneffekte werden sehr dosiert eingesetzt. Insgesamt hat man den Eindruck, dass die Komponenten hier sehr gut miteinander harmonieren. Beim Durchwechseln der aktiven Fenster mittels ALT+TAB wird z.B. kein neues Element eingeblendet, sondern Plank auf die aktiven Fenster reduziert und angezeigt. Die Fenster werden dann nacheinander eingeblendet.

Schön ist auch, dass die Programme je nach Typ ein helles oder dunkles Farbschema benutzen. Gerade für den Bild- und Videobetrachter ist ein dunkles Farbschema, welches das eigentliche Medium hervorhebt absolut sinnvoll.

Dieses konsistente Verhalten kann man auch beibehalten, wenn man die nicht ausgereiften vorinstallierten Programme durch ihre GNOME/Gtk3-Pendants ersetzt. Im konkreten Fall wurde der Browser durch Firefox ersetzt und Evolution als Groupwareprogramm nachinstalliert. Seahorse für die Schlüsselbundverwaltung ist ebenfalls unumgänglich.

Unabhängig von eOS bietet das GNOME/Gtk3 Ökosystem eine Vielzahl von interessantes Programmen, die bisher unterhalb meines – KDE-fokussierten – Radars lagen. Beispiele hierfür wären der tolle Musikplayer Lollypop oder der wirklich geniale Feed-Aggregator FeedReader. Letzterer ermöglicht die Synchronisation mit einigen Onlinediensten – unter anderem mit ownCloud. Dagegen sehen KDE-Pendants wie Akregator nicht nur optisch ziemlich alt aus.

Abstriche muss man jedoch leider auch machen. Das GNOME-Ökosystem hält z.B. keinen guten IRC-Client bereit. Polari ist bestenfalls eine Technologievorschau, nicht mal eine Benutzer-Authentifizierung ist möglich. Außerdem imitieren Qt-Anwendungen nur den Gtk2-Look, was optisch halt wieder einen Designbruch bedeutet. Wegen KeePassX, ownCloud und BackInTime kann man aber nicht vollständig auf Qt-Programme verzichten.

Zusammengefasst

Elementary OS ist ein schwieriges Thema. Einerseits steht es für eine schöne – wenngleich auch optisch stark an macOS angelehnte – Oberfläche und eine zumindest teilweise gute Programmauswahl. Kombiniert mit einigen Elementen aus dem GNOME-Ökosystem lässt sich ein konsistenter und vollständiger Linux-Desktop erreichen. In einigen Bereichen ist man hier auch KDE deutlich voraus.

Andererseits ist es keine eigene Distribution, sondern setzt auf einen Ubuntu-Unterbau auf. Viele Kernbibliotheken werden hier scheinbar extrem gepatcht um für eOS nutzbar zu sein. Wie sich das langfristig auswirkt lässt sich noch nicht abschließend beurteilen.

Weiterhin hat Elementary keine wirkliche Community, sondern die Anhängerschaft tummelt sich auf Social Media-Kanälen bei Twitter, Facebook und G+. Wenn man viel Erfahrung mit Linux im allgemeinen und Ubuntu im besonderen hat, dürfte das keine große Hürde darstellen. Für Anfänger ist das jedoch ein echter Nachteil.

Cruiz
Cruizhttps://curius.de
Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.

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