Kubuntu ist das älteste offizielle Ubuntu-Derivat, bereits mit der zweiten Ubuntu-Version wurde die offizielle KDE-Variante veröffentlicht. Bis heute ist Kubuntu der wichtigste Ubuntu-Ableger, jedenfalls gemessen an den Zahlen des Popularity Contest. Das Verhältnis zwischen Kubuntu und Canonical als treibender Kraft hinter dem offizielle Hauptderivat Ubuntu war zwar nie leicht, hat sich im letzten Jahr jedoch katastrophal entwickelt und Kubuntu in eine tiefe Krise gestürzt.
Die letzten beiden Kubuntu-Versionen 15.10 und 15.04 blieben qualitativ deutlich hinter den Standards zurück, die Kubuntu selbst mit der letzten LTS 14.04, aber auch anderen Versionen gesetzt hat. Es wäre leicht diese Probleme KDE anzulasten, das durch den Übergang zur neuen Version 5 den Distributoren eine Herkulesaufgabe aufbürdet hat. (Kritik an Plasma 5 siehe: Teil I, Teil II., Teil III.) Das ist aber bestenfalls ein Teil der Wahrheit über den aktuellen Zustand von Kubuntu.
Erster Bruch
Kubuntu war immer das ungeliebte Stiefkind der Ubuntu-Distribution, auch wenn dieser Umstand stets geleugnet wurde. Das kann nach über 10 Jahren Ubuntu-Geschichte so bilanziert werden. Die Existenz von Kubuntu lief den Bemühungen von Canonical entgegen “den einen Linux-Desktop” auszuliefern. Nicht umsonst findet sich auf der offiziellen Ubuntu-Homepage kaum ein Hinweis auf die Derivate, deren erstes eben Kubuntu war. Die Existenz von Kubuntu gründete sich in dem grundlegenden Bedürfnis der Linux-Geimeinschaft nach Vielfalt. Jeder Versuch eine Monokultur durchzusetzen wurde bisher mit gegenläufigen Tendenzen begegnet.
Der erste offene Bruch erfolgte mit der Ankündigung, dass Kubuntu-Versionen nach 12.04 keinen offiziellen Status mehr haben würde. KDE wurde bei Ubuntu aus main verdrängt und nach universe verlagert. Über die Motivation hinter dieser Entscheidung wurde in der Community viel spekuliert. Sofern die Absicht darin bestand, die Bedeutung der Derivate zugunsten der Hauptdistribution zurückzudrängen, war die Entscheidung ein Fehlschlag. Kubuntu sackte nicht auf den Status eines normalen Derivats ab, sondern fand mit Blue Systems einen neuen Sponsor, der mehrere Entwickler hauptberuflich an Kubuntu arbeiten ließ. Sichtbare Auswirkungen hatte dies z.B. bei der Supportdauer. Kubuntu garantierte für seine erste eigene LTS-Version 5 Jahre Support – genau wie Canonical für Ubuntu. Normale Derivate ohne großen Sponsor wie Xubuntu oder Ubuntu MATE konnten jedoch lediglich 3 Jahre bieten.
Die Entscheidung Kubuntu den offiziellen Status zu nehmen führte jedoch auch zu einer größeren Distanz vom Hauptprojekt. Kubuntu orientierte sich mehr zu KDE und Debian hin, die Position als Ubuntu-Derivat wird auf der Homepage eher beiläufig erwähnt.
Gleichzeitig übten führende Kubuntu-Entwickler immer deutlichere Kritik an der Art und Weise wie Ubuntu entwickelt wird. Ausgangspunkt des Streits war der Umgang mit den Spenden der Community an Ubuntu und deren – nach Meinung einiger Kubuntu-Entwickler – intransparente Verteilung. Diese anhaltende Kritik gipfelte im Frühjahr 2015 in der Entscheidung des Ubuntu Community Council den Rücktritt des Kubuntu-“Chefentwicklers” Jonathan Riddell zu fordern (den Verlauf kann man hier nachlesen). Diese Entscheidung führte zu heftiger Kritik in der Community. Es ging letztlich um nicht weniger als die Art und Weise wie Ubuntu entwickelt wird, wie viel Unabhängigkeit die Derivate haben und damit letztlich auch um die Frage, ob Ubuntu ein Communityprojekt ist oder eine Unternehmens-Distribution einer Firma. Ein Zankapfel den auch schon andere Projekte im Linux-Umfeld ausfechten mussten.
Abgänge und ein Neuanfang?
Die Entwicklungsphase von Kubuntu 15.10 kann als Hängepartie gedeutet werden. Trotz der Umstimmigkeiten im Sommer änderte sich das Personaltableau von Kubuntu kaum. Der Schock kam püntlich zum Release von 15.10 mit der Rücktrittserklärung von Jonathan Riddell als Releasemanager von Kubuntu. Dem folgten scheinbar eine Reihe weiterer führender Kubuntu-Entwickler, auch wenn es dazu keine offiziellen Verlautbarungen gab. Kubuntu befindet sich damit in einer tiefen Krise, wie man auch in einer offiziellen Konferenz der verbliebenen Entwickler zur Entwicklung von Kubuntu 16.04 sehen kann.
Kubuntu muss nun erstmals von einer Entwicklergemeinschaft entwickelt werden, die vollständig aus Ehrenamtlichen besteht. Welche Auswirkungen das auf den LTS-Charakter der kommenden Version haben wird ist noch nicht absehbar. Zwar werden auch die anderen Derivate von ehrenamtlichen Entwicklergemeinschaften getragen, aber weder Xfce, noch MATE werden derart aktiv entwickelt wie KDE Plasma. Ob das verblieben Personal hier ausreicht eine qualitativ hochwertige Distribution, auf dem Niveau früherer Versionen, auszuliefern, ist zur Zeit noch nicht absehbar.
Kubuntu lehnt sich nun noch stärker an Debian an, was aber auch zu Problemen führt, weil man keinen Einfluss auf Ubuntu Core hat. Zudem stellt sich in dieser Situation die Frage wozu es einen Debian-Klon Kubuntu braucht. Weiterhin ist die Frage, ob Kubuntu unter den gegenwärtigen Bedingungen mit dem beschleunigten Entwicklungszyklus von KDE mithalten kann. Die Anwender merken schon seit einiger Zeit eine deutlich verzögerte Auslieferung von Updates und auch die Kubuntu-PPA’s werden nur noch schleppend aktualisiert.
Kubuntu ist zweifelsohne in der Krise. Die Zukunftsaussichten sind ungewiss, aber man sollte Projekte auch nicht totsagen, bevor sie nicht begraben sind. Schon gar nicht in der Welt der freien Software, wo freiwillige Helfer viel bewegen können.