Mein Abschied von Linux auf dem Desktop

Seit ziemlich genau 10 Jahren nutze ich Linux als primäres Desktopbetriebssystem. Anfangs aus Neugier und Spaß an der steilen Lernkurve, später aus Überzeugung ein qualitativ hochwertig(er)es System zu nutzen. Selbst den harten Umstieg auf KDE 4 konnte ich noch verwinden. Damit ist zum Jahreswechsel 2016 auf 2017 Schluss. 

Nachdem bereits im Sommer das mobile Arbeitsgerät durch ein MacBook Air ersetzt wurde, verdrängte ein Apple-Produkt nun auch den, in die Jahre gekommenen, Desktop-PC. Linux spielt bei mir weiterhin eine wichtige Rolle. Sowohl als Serversystem, als auch für spezielle Einsatzbereiche und nicht zuletzt als virtuelle Maschine für einige spezielle Programme, die es nur für Linux gibt – aber es nicht mehr das Hauptsystem.

Wer regelmäßig diesen Blog hier verfolgt, dürfte davon nicht sonderlich überrascht sein. Die letzten 1,5 Jahre lesen sich aus der Rückschau wie eine Artikelserie unter dem Leitmotiv „Frustration“ – auch wenn die Abkehr von Linux weder intendiert, noch zwangsläufig war.

Alles begann mit dem vollkommen amateurhaft vollzogenen Umstieg des KDE-Projekts von Plasma 4 auf Plasma 5 (Kritik Teil I, Teil II, Teil III). Die Desktopoberfläche (immerhin der Hauptberührungspunkt mit dem System) versagte dem Anwender regelmäßig den Dienst. Selbst nach Jahren der Entwicklung könnte ich aus dem Stehgreif eine Liste von katastrophalen Fehlfunktionen und nervigen Problemen auflisten. Dass die Entwickler Verantwortungs-Pingpong für das Desaster spielen, hilft einem als Anwender überhaupt nicht. Parallel zum Desktop brach auch die Distributionsbasis weg. KDE hatte stabilen Systemen anfänglich regelrecht den Kampf angesagt. Erst sehr spät ruderte man ein wenig zurück, Ausgang bisher ungewiss. Wer kein rollendes System wollte, wurde faktisch vor die Tür gesetzt. Die Qualität stabiler Distributionen wie Kubuntu spricht Bände. Plasma und die integrierte Intelgrafik vertragen sich zudem subjektiv immer schlechter, was äußerst ärgerlich ist, wenn man in vielen Jahren des Linux-Einsatzes eine Intel-zentrierte Hardware angehäuft hat. Neuinstallationen wurden immer mehr zum Glückspiel. Konfigurationen in der xorg.conf wieder zur Normalität und das im Jahr 2016.

Natürlich ist der Desktop bei Linux austauschbar. Dutzende selbstständige Projekte, Forks, Abspaltungen und Totgeburten bieten sich dem potenziellen Anwender an. Nur bin ich als Anwender halt nicht umsonst bei Plasma gelandet. Weder möchte ich einen funktional verkümmerten Desktop (z.B. Unity, GNOME), noch eine konservierte Anwendungsumgebung des letzten Jahrtausends (z.B. MATE, Xfce) einsetzen. Alle diese Projekte haben sicherlich ihre Zielgruppen – zu denen ich aber scheinbar nicht gehöre. Zudem ist meine Bereitschaft persönlichen Anwendungsbedürfnisse hinter ideologischen Projektausrichtungen zurück zu stellen tendenziell rückläufig.

Die wachsende Unzufriedenheit mit Desktop und Distribution führt zu einer stärkeren Evaluierung des Programmumfeldes in dem ich arbeite. Hier lautet die bittere Erkenntnis, dass sich die Welt weiter gedreht hat, nur bei Linux nicht. Entweder fehlt es schlicht an alternativen Lösungen zu den großen proprietären Platzhirschen, oder die vorhandenen Programme sind funktional rückständig. Es sei denn man ist ein Anhänger des Arguments, dass man eh einen vollkommen falschen Arbeitsansatz hätte und lediglich die richtige Arbeitsweise erlernen müsse. Stattdessen werden von den Entwicklern regelmäßig mobile Traumlandschaften generiert und gleichzeitig die x.te Portierung der genutzten Groupware auf die aktuelle Toolkitversion mit einer Fehlerorgie bezahlt, da Entwickler rar gesät sind. Das passt einfach nicht mehr zusammen.

MacOS hat viele Nachteile. Das Betriebssystem ist hochgradig geschlossen gegen Änderungen von Dritten (gefühlt deutlich mehr als Windows) und wird im stillen Kämmerlein entwickelt. Zudem gibt es Gerüchte, dass Apple sein Engagement hier deutlich zurück fährt. Selbst wenn letzteres zutreffen mag, kann ich mit dem aktuellen Stand aber bereits sehr gut arbeiten. Ein Zustand, den Linux in den letzten Jahren nie erreichte, dort spielte immer die Hoffnung auf eine Verbesserung in der nächsten, übernächsten oder überübernächsten Version eine Rolle um bei der Stange zu bleiben.

Linux kann auf dem Desktop für viele Anwender immer noch funktionieren. Wünsche und Anforderungen an ein Desktopbetriebssystem sind hochgradig individuell. Ich für meinen Teil habe aber schlichtweg die Lust verloren.

Cruiz
Cruizhttps://curius.de
Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.

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