Jedes Jahr schreibe ich einen kleinen Jahresrückblick über mein persönliches Nutzungsverhalten. Mal war es mehr, mal weniger. Das soll Transparenz schaffen, denn meiner Meinung nach predigen zu viele Experten perfekte Lösungen für Datenschutz und Sicherheit und verschweigen, was sie selbst nutzen.
Dieses Jahr habe ich wieder etwas mehr geschrieben. Wahrscheinlich vor allem als Trainingsmaterial für die Sprachmodelle. Jedenfalls bekomme ich, wenn ich eine Suchmaschine meiner Wahl zu einem Thema befrage, überwiegend KI-geschriebene Texte. Etwas, das die Suchanbieter dringend in den Griff bekommen müssen und wohl auch werden. Knapp 40 Artikel waren es hier, sagt WordPress. Ohne KI natürlich. Wirkliche Schwerpunkte kann ich nicht erkennen und so ist es wieder das übliche Potpourri an Themen, die mich beschäftigt haben. Sicherheit unter Linux (TPM & Co), die Zukunft von openSUSE, ein paar kleinere Gadgets und zum Schluss noch ein wenig die Apple-Welt.
Hardware & Betriebssysteme
Linux wird für mich immer unwichtiger. Zumindest wenn man wie ich der Meinung ist, dass Android kein Linux ist. Anfang des Jahres habe ich mir ein Pixel Tablet zugelegt, es mit GrapheneOS ausgestattet und fortan als mobilen Begleiter für Dienstreisen, Urlaub etc. pp. genutzt. Es ersetzte ein EliteBook, das vorher ziemlich ungenutzt im Regal lag und nun einen neuen Besitzer gefunden hat. Der Umstieg auf ein Tablet hat recht gut geklappt und nach und nach hat sich meine PC-Nutzung und damit auch meine Linux-Nutzung merklich reduziert.
Im Sommer wollte ich mein Pixel-Smartphone auf die Generation 9 aufrüsten. Zuerst war ich ganz zufrieden. Dann war ich im September im Urlaub. Das Pixel 9 sah hinterher aus, als hätte ich auf einer Baustelle gearbeitet. Der Rahmen komplett zerkratzt und gesplittert, das Display mit tiefen Kratzern übersät. Das teuerste Pixel-Smartphone aller Zeiten, wohlgemerkt. Mein Pixel 6 hatte in all den Jahren keinen einzigen Kratzer. Produktionsprobleme, Montagefehler, unausgereifte Beschichtung? Ich weiß es nicht. Bei einem Konzern wie Google darf man nicht mit Einsicht rechnen. Mit Kratzern bei alten Geräten kann ich leben, das ist für mich keine Statusfrage. Aber bei einem neuen Gerät ärgert es mich jedes Mal, wenn ich es in die Hand nehme. Deshalb habe ich mir ein Gerät von einem Hersteller gekauft, der etwas von Hardware-Produktion versteht bzw. die Qualitätssicherung in der Produktion der Zulieferer gut überwacht: Apple.
Deshalb gab es zum Jahresende einen kleinen Schwenk zurück zu Apple. Wobei Apple-Hardware nie aus meinem Haushalt verschwunden ist. Jetzt ist er wieder etwas Apple-lastiger als Anfang des Jahres.
Das macht mir sehr viel Spaß. Der kleine Nerd in mir schätzt gut funktionierende Software – sowohl optisch als auch funktional. Hier hat die Apple-Welt gegenüber Linux die Nase vorn. Jetzt werden wieder einige die Nase rümpfen, aber hier geht es gar nicht um die Open-Source-Frage, denn viele Apps im Apple-Universum sind Open-Source. Mein Lieblingsbeispiel aus dem Open-Source-Bereich ist Cyberduck. Es ist quelloffen und wird seit Jahren kontinuierlich weiterentwickelt und gepflegt. Man kann es kostenlos nutzen oder für 24,99€ im Mac App Store herunterladen. Das reicht für Platz 7 der Produktivitäts-Apps. LibreOffice ist für 9,99€ Platz 9 der meistgekauften Apps im Mac App Store. Apple-Anwender müssen diese nicht kaufen, sie tun es aber und der einzige Mehrwert ist ein bisschen Bequemlichkeit durch den Bezug über den Mac App Store. Bei den proprietären Apps ist MoneyMoney für mich ein Paradebeispiel. Ich habe vor Jahren einmal Geld dafür ausgegeben und bekomme seitdem Updates. In der Linux-Welt habe ich viel ausprobiert. Proprietäre Anwendungen wie moneyplex, freie wie Hibiscus, KMyMoney etc. Weder von der Funktionalität noch von der Bedienung können diese Apps MoneyMoney das Wasser reichen.
Warum das so ist, lässt sich meiner Meinung nach ganz einfach sagen: Apple-Nutzer legen mehr Wert auf eine gute UX und haben weniger Toleranz gegenüber fehlerhafter Software. Linux-Nutzer haben dagegen diese tief verankerte Leidensfähigkeit. Apple-Nutzer sind auch eher bereit, Geld auszugeben, so dass Entwickler zumindest teilweise von ihrer Entwicklungsarbeit leben können. Das verbessert – Wunder oh Wunder – die Qualität. Die spendenbasierten Open-Source-Modelle in der Linux-Welt sind gescheitert, weil sie selbst bei großen Unternehmen zu einer „Zahlt wer anders“-Mentalität geführt haben und die kontinuierliche Weiterentwicklung im Linux-Universum faktisch auf der Selbstausbeutung der Entwickler beruht. Qualität und Feinschliff bleiben dabei oft auf der Strecke. Wem ist das zu verdenken?
Interoperabilität ist für mich besonders wichtig, da ich ständig zwischen Linux, macOS, iOS und Android wechseln muss. Ein zentrales Element ist nach wie vor mein Synology NAS. Ich benutze immer noch die DiskStation 218. Sie läuft und läuft und läuft. Wartungsaufwand gleich null. Darüber synchronisiere ich den gesamten PIM-Bereich, nutze sie als E-Mail-Archiv und zur Dateiablage. Die DAV-Protokolle, SMB und IMAP machen das betriebssystemübergreifend möglich.
Dienste
Viele Dienste erledige ich also selbst über meine Synology. Aber das ist natürlich nur ein kleiner Teil. Jedes Jahr mache ich eine Aufräumaktion und lösche Konten, die ich nicht mehr benutze. Die Passwortverwaltung zeigt mir, was ich alles benutze. Aber trotz Aufräumen wird es immer mehr. Kassensturz 2024: Kapp 100 Passwörter in der App.
Die fortschreitende Digitalisierung führt zwangsläufig dazu, dass immer mehr Dienste genutzt werden. Manche sprechen vom Digitalzwang. Ich sehe das etwas differenzierter. Man muss nicht jede Sau glauben, die medial durchs Dorf getrieben wird. Wir erinnern uns an die Geschichte mit der BahnCard.
Manche Entwicklungen machen mir aber auch Sorgen und ich reagiere mit Auskunftsersuchen nach der Datenschutzgrundverordnung, um zu erfahren, welche Daten gespeichert werden und um meinen Unmut zu äußern. Online-Reservierungen beim Arzt oder im Restaurant sind praktisch. Nicht aber, wenn über einen zwischengeschalteten Dienstleister unnötig massenhaft Daten abgegriffen werden. Das sind Auswüchse, die es zu beobachten gilt.
Von Kampagnen gegen vermeintliche Digitalzwänge sollte man sich meines Erachtens allerdings fernhalten. Zu oft wird mit Strohmannargumenten versucht, Partikularinteressen durchzusetzen, und ich habe den Eindruck, dass es dabei oft nur um die Gehälter der hauptamtlichen Campaigner geht, die von Projekt zu Projekt wandern. Da werden dann ohne statistische Evidenz angeblich existierende sozial und wirtschaftlich benachteiligte Nutzergruppen angeführt oder einfach Senioren, weil ältere Menschen automatisch digital abgehängt sein sollen. Dabei ist die Digitalisierung schon Jahrzehnte alt. Wer heute noch komplett analog unterwegs ist, hat sich vor über 20 Jahren entschieden, alle Entwicklungen zu boykottieren. Dafür habe ich kein Verständnis.
Digitalverweigerung ist nicht die Lösung, sondern gute digitale Dienstleistungen.
Kommunikation
Die Situation im Kommunikationsbereich stagniert zu meinem Leidwesen. Vor ein, zwei Jahren war ich noch optimistisch, WhatsApp bald loszuwerden, aber die Wechselstimmung ist verflogen. Die Hälfte meiner Kontakte nutzt Signal, die andere Hälfte WhatsApp. Unter die Räder gekommen ist Threema, das nur noch sehr wenige Kontakte nutzen. Das finde ich schade, weil ich Threema immer für den besten Messenger gehalten habe.
E-Mail spielt keine Rolle mehr. Privat habe ich in diesem Jahr 58 E-Mails geschrieben, und bis auf acht Nachrichten gingen sie nur an Dienstleister. Beruflich hingegen ist die E-Mail immer noch das Maß aller Dinge. Knapp 2.000 E-Mails habe ich in diesem Jahr bisher verschickt.
Beruflich hänge ich auch im Social Media Bereich noch bei Mastodon. Das ist schön und eine positive Geschichte. Ausgang derzeit leider ziemlich offen. Die Bluesky-Welle hat meine Blase noch nicht erreicht. Mal sehen, was ich nächstes Jahr hier schreibe. Privat benutze ich nichts davon.
Sünden
Meine Sünden bleiben irgendwie gleich. Neben WhatsApp und dem DB Navigator auf dem Smartphone sind es immer noch das SONOS Soundsystem, der Staubsaugerroboter und mein LG TV mit webOS. Dank Streaming können Netflix und Sky auch schöne Profile von mir erstellen. Daran hat sich auch nichts geändert.
Insgesamt war etwas mehr los als in den letzten Jahren. Aber nur wegen der neuen Pixel-Geräte und der halben Rückkehr zu Apple.
Wenn kostenpflichtige, proprietäre Angebote deiner Meinung nach zwangsläufig zu Produkten besserer Qualität führen, wie erklärst du dir dann die unbestrittene Führungsrolle von freien Projekten wie Blender, OBS oder WordPress? Scheint mir noch nicht ganz ausgereift zu sein, deine Argumentation.
Nein, Produkte mit einem funktionsfähigen Monetarisierungsmodell führen zu besserer Qualität. Ich schrieb ja, dass es keine Frage von Open Source vs. Propretär ist.
Nach dieser Logik müsste die Qualität von Windows 11 auch besser sein als die von (z.B. Debian) Linux, welches praktisch das gesamte Internet antreibt.
Nun zeig mir einer nur eine arme Sau, die ihre Seite und ihr Geschäft heute noch auf Basis von Windows Server betreibt – und dies trotz recht komplexer Monetarisierungsmodelle seitens Microsoft.
Pure Selbstausbeutung. Es ist seit Jahren Thema, dass insbesondere viele Basistools von überlasteten Freiwilligen bereitgestellt werden, die sich ohne Dank komplett aufreiben für den Open-Source-Gedanken. Das war zuletzt bei xz Thema.
Den Artikel hab ich auch gelesen. Genau darum kümmert sich ja nun endlich die Sovereign Tech Agency, damit Leute wie Werner Koch von GPG, die für die Sicherheit Unzähliger verantwortlich sind, vernünftig bezahlt werden und ein erträgliches Auskommen haben.
Das ist ein vielversprechender Ansatz, aber ich würde erstmal ein paar Jahre warten, bevor ich da den großen Durchbruch feiere. Das Problem ist seit Jahren bekannt und immer wieder wurden Lösungen versprochen und am Ende blieb es bei der freiwilligen Selbstausbeutung als Grundlage für viele Systeme.
Hallo, vielen Dank für Deine Arbeit und die Offenheit, mit der Du über Deine Geräte und Dienste berichtest. Vor einigen Monaten habe ich durch ein günstiges Angebot ein Pixel 7a erworben, auf dem ich Graphene OS installiert habe. Viele Jahre lang habe ich iOS-Geräte verwendet und dabei stets darauf geachtet, nicht nur Apple-Dienste zu nutzen – für Notizen beispielsweise Joplin und Nextcloud als Ersatz für iCloud. Daher fiel mir der Wechsel zu Graphene OS relativ leicht. Allerdings bin ich bisher noch nicht vollständig auf das neue Gerät umgestiegen, da mir die Benutzeroberfläche von iOS und das iPhone 12 Mini von der Größe besser gefällt. Deshalb überlege ich, ob ich nicht auch in Zukunft bei iOS bleiben sollte.