Die traditionelle openSUSE-Variante Leap ist in der Version 15.6 als Release Candidate verfügbar. Am 12. Juni soll die finale Version für die Öffentlichkeit verfügbar sein. Wenn alles nach Plan läuft, wird diese Version die letzte klassische openSUSE-Ausgabe sein, wie wir sie seit vielen Jahrzehnten kennen. Zeit für einen Blick.
Einordnung
Leap 15.6 ist ein Minor-Release für den Entwicklungszyklus von SUSE Linux Enterprise bzw. openSUSE Leap 15. Die erste Ausgabe des Zyklus wurde 2018 veröffentlicht. Die entsprechenden Ausgaben von SUSE Linux Enterprise werden als Service Packs bezeichnet. Dies verdeutlicht den Kern der Sache: Ähnlich wie bei Red Hat dienen Minor Releases nur der Produktpflege. Einschneidende Änderungen sind den Hauptversionen vorbehalten. Zwischen den einzelnen Minor-Versionen sind Upgrades in der Regel problemlos möglich und auch notwendig, da die einzelnen Minor-Versionen nur einen begrenzten Supportzeitraum haben. Insgesamt kommt eine Hauptversion so auf eine Lebensdauer von bis zu 10 Jahren. Anders als bei Debian oder Ubuntu werden bei solchen Minor-Versionen jedoch die Versionsstände einzelner Komponenten angefasst und behutsam aktualisiert. Die Anwender profitieren so von neuerer (wenn auch nicht neuester) Software.
OpenSUSE Leap besteht aus einem Kern von SUSE Linux Enterprise und Paketen aus der Community. Letztere vor allem im Desktop-Segment. Damit wird die schmale Enterprise-Basis zu einer vollwertigen Linux-Distribution aufgewertet, wie sie Privatanwender schätzen. Diese etwas eigenwillige Kombination führt allerdings auch zu teilweise kuriosen Versionskombinationen, die Anwender anderer Distributionen befremdlich finden dürften.
Versionen
Ein Blick auf den Distributionskern zeigt folgende Verstionsstände und die Abweichung zu 15.5.
Name | Version (Stand 15.5.) |
Kernel | 6.4 (5.14) |
glibc | 2.38 (2.31) |
systemd | 254 (249) |
Mesa | 23.3 (20.2) |
Grub | 2.12 (2.06) |
NetworkManager | 1.44 (1.38) |
Auf dem Desktop liefert openSUSE Plasma in der Version 5.27.11 und die dazugehörigen KDE-Anwendungen in der Version 23.08 aus. Ähnlich wie bei Kubuntu 24.04 hat man verständlicherweise den Umstieg auf Version 6 gescheut, so dass derzeit alle stabilen LTS-Distributionen Plasma in der letzten Version 5 ausliefern. Die GNOME-Shell wird allerdings von openSUSE in der Version 45.3 ausgeliefert, was einigermaßen aktuell ist. Andere zentrale Desktop-Komponenten wie LibreOffice wurden auf aktuelle Versionen (24.2) aktualisiert. Firefox und Thunderbird werden laufend aktualisiert und stammen aus dem ESR-Zweig von Mozilla.
Einige Neuerungen sind zumindest für mich sehr interessant. So ist nun auch systemd-homed enthalten und kann genutzt werden. In Kombination mit einer Bindung des LUKS-Volumes an TPM2 ist dies momentan meine bevorzugte Variante, um meine Geräte abzusichern.
Bewertung
Die Version 15.6 von openSUSE Leap ist eine absolut runde Sache. In meinen Tests konnte ich keine besonderen Fehler feststellen. Die Versionen wurden – wo dies sinnvoll und praktikabel war – angehoben. Gleichzeitig bleiben Anwender vor großen Brüchen bewahrt.
Distributionen wie SLE/openSUSE Leap spielen für mich immer noch eine wichtige Rolle. Hier wird die Software noch gut getestet, bevor sie an die Anwender ausgeliefert wird. Im Gegensatz zu anderen Distributionen leistet sich SUSE auch noch ein Entwicklerteam, das diesen Namen verdient. Ich erinnere da gerne an einen Bugreport/Audit für das zentrale Partitionierungswerkzeug von KDE, den Partition Manager, bei dem man bei SUSE genauer hingeschaut hat und deutliche Verbesserungen angemahnt hat, bevor es in die Distribution durfte. Viele andere Distributionen haben das einfach durchgewunken. Andere Probleme wurden durch lange Entwicklungszeiten aufgefangen. Die XZ-Misere ist eben zuerst bei den RR-Distributionen aufgetaucht, die wegen des hohen Arbeitsdrucks weitgehend ungeprüft Tarballs übernehmen.
Dennoch dürfte die kommende Version 15.6 vor allem die Stammnutzer ansprechen. Wer bereits mit 15.5 arbeitet, für den ist das Update ein “No-Brainer”. Wer mit Debian Stable, Ubuntu LTS oder Red Hat zufrieden ist, wird nicht kurz vor Ende eines Entwicklungszyklus zu openSUSE wechseln.
Ausblick
Die Entwicklung läuft auf openSUSE Leap 16 zu, was eine einschneidende Veränderung werden wird. Leap 16 soll auf SUSE ALP basieren und verabschiedet sich damit vom Linux-Distributionsmodell, wie wir es seit Jahrzehnten kennen. Sollte es zu weiteren Verzögerungen kommen, haben die openSUSE-Entwickler aber bereits eine Version Leap 15.7 in Aussicht gestellt. Die Anwender werden also keinesfalls im Regen stehen gelassen.