Kommentar: Marktbereinigung bei den Linux-Desktops in Sicht

Wayland ist seit vielen Jahren angekündigt worden und galt als das “Duke Nukem Forever” des Linux-Desktops. Viele skeptische Stimmen bezweifelten, dass dieses Projekt jemals zum Abschluss gebracht wird. Doch nun ist es endlich soweit: Wayland wird als Standard eingeführt, ähnlich wie das Videospiel im Jahr 2011 endlich veröffentlicht wurde.

GNOME und KDE Plasma sind seit einiger Zeit Wayland-bereit (mit Fehlern). Fedora, als ambitionierte Distribution, plant, die Version Fedora 40 im Frühjahr 2023 mit Plasma 6 und ohne X11-Sitzung auszuliefern. Die Entscheidung für die GNOME-Sitzung wird sicherlich bald folgen. Dies ist nur logisch, da die Entwickler beider Desktop-Umgebungen immer weniger auf X11 achten und viele Funktionen unter Berücksichtigung von Wayland implementieren. Die Tests der X11-Sessions werden immer seltener durchgeführt, wodurch vermehrt Bugs auftreten. Die anderen Distributionen werden dem Beispiel von Fedora mit geringer Verzögerung folgen, wie es üblich ist.

Der X11-Code ist schon lange veraltet. Nur Red Hat hat zuletzt daran gearbeitet, Sicherheitslücken zu schließen. Wenn auch Fedora und RHEL zukünftig keine X11-Session mehr unterstützen, wird dieses Engagement mit Sicherheit eingestellt. Daher stellt der uralte X11-Code eine potentielle Bedrohung dar.

Eine Zeitbombe, auf den immer noch fast alle anderen Desktopumgebungen aufbauen. So langsam kommen die ganzen anderen Projekte in die Gänge. Cinnamon möchte 2026 den Umstieg hinbekommen, Pantheon hofft mit elementary OS 8 irgendwann 2024-2025 den Umstieg zu schaffen. Bei Xfce möchte das für 4.20 hinbekommen. Entwicklungsziel Ende 2024 (realistischerweise viel später) und MATE möchte auch irgendwie umsteigen. Die ganzen Windowmanager und Zombies wie TDE seien hier gar nicht erwähnt.

Das klingt positiv, aber wenn wir uns daran erinnern, wie lange GNOME und KDE Plasma für den Umstieg gebraucht haben, obwohl sie noch immer viele Entwickler haben, und wie viele Hindernisse und Verzögerungen auftraten, stellt sich die Frage, ob diese Zeitpläne Bestand haben werden.

Daher glaube ich, dass Wayland der Knackpunkt sein wird, an dem die Zukunftsfähigkeit der zahlreichen Desktops auf die Probe gestellt wird. Schaffen Sie es, genug Entwicklungsleistung aufzubringen, um diesen Umstieg zu bewältigen oder werden Sie scheitern, da sie als Forks (bis auf Xfce stammen alle Desktopumgebungen von GNOME in unterschiedlichen Inkarnationen ab) nur begrenzte Produktpflege betreiben können? Wenn Sie bis 2025 nicht Wayland-fähig sind, wird die Basis bröckeln.

Cruiz
Cruizhttps://curius.de
Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.
  1. Bis 2025 garantiert nicht waylandfähig sind auch die zahlreichen anderen Unixoide. Dieses Vendor lock-in, das tief im “Mindset” von Linuxprojekten verwurzelt ist, macht die Situation für niemanden leichter. Wenn man keine Open- oder FreeBSD-Entwickler mitmachen lassen möchte, schön und gut. Aber schneller geht es davon halt auch nicht.

  2. Natürlich werden es die anderen Desktops leichter haben als Gnome und KDE. Ganz viel der (immer noch laufenden) Implementierung von Wayland war das Ausarbeiten der korrekten Protokolle (wie gehen Screenshots?, wie geht der Mittelklick-Paste?, wie kann man Fractional Scaling für HiDPI-Displays machen?). Diese Vorarbeit haben u.A. Gnome und KDE schon geleistet und zudem existiert mit wlroots (https://gitlab.freedesktop.org/wlroots/wlroots/) auch noch eine Library, die einen Haufen dieser Protokolle vorimplementiert.

  3. Wayland ist eigentlich eine nette Sache, aber noch völlig unausgereift. Es fehlt an einer vernünftigen Farbverwaltung, Konfiguration von Input-Schnittstellen (das Desktop Environment, z.B. GNOME, muss sich um die Konfiguration kümmern – versteht von libinput aber nur 2-3 Properties von Dutzenden), die Möglichkeit Einfluss auf Clients zu nehmen, Kommunikation zwischen Clients usw. Leider habe ich es in den vergangenen Jahren immer noch nicht geschafft, einen Großteil meines Workflows auf Wayland umzustellen. Das liegt daran, dass fast sämtliche Konfigurationen, wie ich mit dem System interagiere, nur unter X11 funktionieren und es für rund 90% davon noch keinen Ersatz unter Wayland gibt.

  4. Interessanter Weise scheint der LXQt Desktop schon relativ weit zu sein bzw. es scheint wohl in Teilen bereits mit / unter Wayland zu laufen, siehe https://9to5linux.com/lxqt-1-3-desktop-environment-released-with-wayland-improvements-bug-fixes und https://github.com/stefonarch/LXQt-Wayland-files.

    Interessant im Linux Distro – Wayland Kontext wird IMHO auch, ob Canonical irgendwann man mal LightDM für Wayland anpasst. LightDM ist als Displaymanager ja relativ weit verbreitete und der Linux-Distros

  5. Oh mein Gott, Wayland ist nicht netzwerktransparent, wir werden alle sterben. Ohne Netzwerktransparenz macht das Leben keinen Sinn mehr.

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