Erst führen die Medienhäuser in diesem Land eine Kostenlos-Kultur ein, dann dehnen sie die Möglichkeiten der DSGVO für Tracking aus bis es quietscht und nun kommt nach einer drohenden Gesetzesverschärfung die geballte Ladung Katzenjammer.
Ihr denkt Cookies sind böse und Tracking von Anwendern machen nur windige Digitalkonzerne? Weit gefehlt, denn es geht um „das Miteinander [der Medienhäuser] mit ihren Kunden oder Leserinnen und Lesern.“ Das behauptet zumindest Wolfgang Lanzrath in einem Gastartikel in der SZ. Durchaus lesenswert, wenn man mal Lust hat, sich eine geballte Ladung Katzenjammer zu geben.
Lanzrath repräsentiert Infonline, die ich in einem anderen Artikel mal als Tracker für die deutsche Medienwirtschaft bezeichnet habe.
Wir erinnern uns: Schon vor der Gültigkeit der DSGVO waren wenige Seiten im deutschsprachigen Raum so mit Trackern verseucht wie die der großen Medienseiten. Daran hat sich auch in den letzten Jahren wenig getan. Erst hat man die DSGVO ziemlich kühn ausgesessen, danach auf eine Form der Einwilligung gesetzt, die heftig umstritten ist: Entweder hemmungsloses Tracking oder bezahltes Abonnement.
Jetzt kommt die Novelle des TTDSG und die dort enthaltenen Bestimmungen zum Einsatz von Cookies haben es in sich. Die kreative Auslegung der DSGVO durch die Medienhäuser greift nun nicht mehr.
Natürlich hart Herr Langrath recht, wenn er auf eine Ungleichbehandlung der großen IT-Giganten und der hiesigen Medienhäuser verweist. Erstere nutzen jedes Schlupfloch und stehen auch noch unter irischer Datenschutznichtaufsicht, Letztere müssen sich mit weniger technischer und rechtlicher Finesse der deutschen Datenschutzaufsicht stellen.
Natürlich ist die Auslegung des technisch-notwendigen Cookieeinsatz schwierig und die Unschärfe führt zu Problemen. Das liegt auch an der fehlenden ePrivacy Verordnung als ursprünglich geplantes Gegenstück zur DSGVO. Ob Kampagnen wie von Noyb hier das Thema voranbringen oder eher zurückwerfen wird sich noch zeigen. Ich bin da bekanntermaßen skeptisch.
Trotzdem geht die Argumentation von Herrn Lanzrarth am Kern des Problems vorbei. Denn keine ePrivacy Verordnung der Welt hätte das, was momentan auf deutschen Nachrichtenseiten an Nutzerauswertung passiert als legitimes Interesse verortet. Kein noch so dehnbare Umsetzung irgendeiner EU-Verordnung in deutsches Recht hätte hier ein „weiter so“ zugelassen.
Das Problem der Medienwirtschaft ist ein völlig anderes: Erst hat man den Verbraucher an kostenlosen, qualitativ hochwertigen Journalismus gewöhnt, dann einen Deal mit der Trackingindustrie eingegangen, um die Online-Werbeeinnahmen hochzutreiben und jetzt steht man vor den Scherben von 20 Jahren Fehlentwicklung.
Das ist nicht das Problem der deutschen Politik und nicht das Problem es Datenschutzes. Es ist das Problem der großen Verlagshäuser, die viel zu lange auf den Dreiklang von BWL-Absolventen für das Management, mainstream-konformen SEO-Engeneers und billigen, gerne auch freiberuflichen Autoren für den Content gesetzt hat. Nebenbei hat man fleißig die weiterhin hohen Margen aus dem Printsektor abgeschöpft, anstelle damit zukunftsweisende Projekte anzugehen.
Mitleid ist da fehl am Platz. Was es braucht, ist eine neue Idee von finanziell auskömmlichem Journalismus im 21. Jahrhundert unter den Bedingungen, die nun mal existieren. Prognose: Von den SEO-Engeneers und BWL-Absolventen sollte man die nicht erwarten.