Im Ausblick auf die aktuelle Entwicklung von Kubuntu (siehe: Kubuntu 18.04 LTS – Ein Ausblick) wurde die Frage gestellt, ob KDE neon nicht eigentlich die bessere Alternative zu Kubuntu wäre. Die Antwort sprengt den Sinn einer Kommentarspalte und bildet die Grundlage dieses Artikels.
KDE neon ist Kind der Krise von Kubuntu, man könnte auch sagen, es ist die Grundlage der Krise von Kubuntu. Rund um den Jahreswechsel 2015/2016 beendeten die bisherigen Hauptentwickler von Kubuntu ihre Tätigkeit für das Ubuntu-Derivat und zogen unter dem Dach von KDE eine eigene Distribution auf (siehe: Kubuntu ist tot, lange lebe KDE Neon). Das Projekt ist inzwischen fast zwei Jahre alt und man kann daher ein wenig bilanzieren.
Die technische Dimension
KDE neon ist eine Kombination aus den Entwicklungsmodellen Rolling Release und stabiler LTS-Versionen. Die Basis bildete eine Ubuntu-LTS Version – zur Zeit 16.04 – auf die eine jeweils aktuelle Version von KDE Plasma und Software aufgesetzt wird.
Weil das insbesondere bei fortgeschrittenem Alter der Basis nicht mehr hinreichend funktioniert, aktualisieren die Entwickler von KDE neon auch Bibliotheken wie Qt.
Insgesamt bringt das keine vertrauenswürdige Basis hervor. Ubuntu ist bereits intern gespalten in einen unterstützten main-Bereich und eine Müllkippe mit dem Namen universe, in dem der volle Umfang der Paketquellen von Debian vor sich hin gammelt. KDE neon aktualisiert hier nun einige Bibliotheken und die KDE Software, legt aber nicht exakt fest um welche Bereiche genau es sich kümmert.
Das hat in den letzten zwei Jahren – gemessen an der kruden Idee dieses Entwicklungsmodells – zwar erstaunlich gut funktioniert, ist aber etwas grundlegend anderes als das stabile LTS-Modell von Kubuntu.
Hinsichtlich der technischen Dimension ist KDE neon daher eher eine Ergänzung, denn ein Ersatz zu Kubuntu.
Die ideelle Dimension
KDE neon steht für vieles was gerade schief läuft in der Linux Community. Einige wenige Entwickler (wir reden hier von ca. 5 Leuten) sind unzufrieden mit der Entwicklung ihres Projekts und spalten sich kurzerhand ab. Man kann ihnen lediglich zu Gute halten, dass sie vorher wirklich versucht haben die Entwicklungsrichtung des Hauptprojekts zu ändern. Parasitär bedienen sie sich dennoch an der Basis, ohne dies prominent kenntlich zu machen. KDE neon könnte ohne Ubuntu so wenig funktionieren, wie Mint oder elementaryOS. Zwar ist richtig, dass Ubuntu auch Debian braucht, aber in main liegt eine vollständige Distribution, die auch ohne Debian beschränkt lebensfähig wäre.
Gleichzeitig steht KDE neon für eine ungesunde Vermischung der Rolle von Upstream-Projekt und Downstream-Distribution. Indem KDE selbst eine Distribution herausgibt werden alle anderen Distributionen vor den Kopf gestoßen und in die zweite Reihe zurück gesetzt. Das KDE-Projekt weicht damit dem Dauerproblem aus, dass es Rücksicht auf den Distributor und seine Releasezyklen nehmen muss und kann daher noch ungehinderter undurchdachte und realitätsferne Entwicklungsschritte durchziehen.
Zusammengefasst
KDE neon bietet ein Schlaglicht auf die aktuelle KDE-Entwicklung. Es ermöglicht einen unverstellten Blick auf das aktuelle Portfolio des KDE Projekts und genau hier liegt seine Stärke.
Technisch ist es aber bestenfalls ein funktionales Stückwerk und keinesfalls geeignet in Produktivumgebungen eingesetzt zu werden, was bisher durchaus der Anspruch von Kubuntu war – trotz der Schwierigkeiten mit Version 16.04.
Ideell ist KDE neon ein Paradebeispiel für egogetriebene Zersplitterung und rücksichtslose Projektinteressen. Solche Projekte halten Linux in der Nische, in der es sich befindet. Eine Marke wie Kubuntu wird geschwächt zu Gunsten einer Neuentwicklung, die niemand kennt.
Letzteres wird zum Glück so bleiben. Die öffentliche Resonanz von KDE neon ist gering. Bestenfalls KDE-Enthusiasten und Kubuntu-Nutzer kennen das Projekt.