Das Verhältnis von KDE und stabilen Distributionen ist momentan ein schwieriges Thema. Dies liegt weder an KDE, noch an dem Entwicklungsmodell von stabilen Distributionen, sondern an dem aktuellen Entwicklungsstand der KDE Software. Stabile Distributionen setzen ein gewisses Entwicklungsstadium der enthaltenen Software voraus.
Die KDE Software Compilation hatte dieses Stadium 2013/14 erreicht. Es kamen zwar noch neue Funktionen hinzu, aber die wesentlichen Komponenten waren ausgereift und die neuen Funktionen waren zu Gunsten einer erhöhten Stabilität, die LTS-Distribution bieten, vernachlässigbar. Man konnte guten Gewissens auf den enthaltenen Versionsständen verharren. KDE Plasma 5 und die auf KF5 portierten Programme haben dieses Stadium noch nicht erreicht. Jede neue Version bringt essenzielle Fehlerbehebungen und neue Funktionen, auf die man unmöglich jahrelang verzichten kann.
In den letzten 2 Jahren habe ich mich persönlich der Entwicklung des Linux-Desktops weitestgehend verweigert. Auf meinen Systemen lief fast durchgehend openSUSE 13.2 und das höchst zufriedenstellend. KDE Plasma 5 landete bestenfalls in einer virtuellen Maschine. Es gab und gibt eigentlich keinen Grund eine (noch mit Sicherheitsupdates versorgte) Distributionsversion zu aktualisieren. Auf dem Linux/KDE Desktop wurden seit Jahren keine Funktionen mehr eingeführt, die mein persönliches Nutzungserlebnis revolutionieren würden und alte Distributionsversionen sind zwar nicht unbedingt fehlerfreier, aber man hat gelernt mit den vorhandenen Fehlern zu arbeiten.
Gelegentlich bekommt man aber neue Hardware auf den Schreibtisch und ein Kernel 3.16 kann sich dann leider als zu alt herausstellen. Mein erster Gedanke war über OBS einen aktuelleren Kernel, z.B. aus 42.1 Leap, nachzuinstallieren und eventuell auch noch Mesa „zu Fuß“ zu aktualisieren. Diese Überlegungen wären zwar sicherlich umsetzbar gewesen, aber ich verwarf sie dann doch. Ich wollte nie zu den Anwendern gehören, die aus einer puren Verweigerungshaltung heraus alte Versionen bis zum Erbrechen nutzen und bei jeder Neuentwicklung „Satan!“ rufen. Ein längeres Festhalten an KDE SC 4 und Versionsständen aus dem Jahr 2013/14 schien mich gefährlich nahe in diesen Bereich zu führen.
Distributionen: OpenSUSE, Kubuntu, Arch Linux? Arch!
Grundsätzlich stand von Anfang an fest, dass KDE Plasma als Desktopumgebung für mich nicht verhandelbar ist. Prinzipiell präferiere ich zudem LTS-Distributionen, aber diese setzen voraus, dass man mit den ausgelieferten Versionsständen zufrieden ist und über viele Monate/Jahre damit arbeiten kann. KDE SC 4.14 erfüllte diesen Zweck für mich seit 2014, aber Plasma 5 ist auch nach fast zwei Jahren Entwicklung meiner Meinung nach noch im Beta-Stadium und nicht ausgereift genug. Neue Versionen sollten deshalb ohne Klimmzüge auf mein System gelangen.
Mit dieser Grundentscheidung begann ein Distributions-Hopping von etwas größeren Ausmaßen, das eigentlich nicht geplant war. Angefangen hat es mit der naheliegenden Entscheidung openSUSE 42.1 Leap zu installieren. OpenSUSE hat mit Leap eine Aktualisierungsrichtlinie etabliert, die meinem persönlichen Nutzungsverhalten und dem Entwicklungsstatus von KDE sehr entgegen kommt. Das Basis-Betriebssystem besteht aus SLE-Paketen, die in ihren Versionsständen absolut stabil gehalten werden. Die Desktopumgebung entstammt dem Tumbleweed-Zweig und wird regelmäßig aktualisiert. Dadurch kommt man zeitnah in den Genuss der aktuellen KDE Plasma & Applications-Versionen. Leider basiert Leap auf dem Kernel 4.1 und dieser hat auf der vorliegenden Hardware noch nie gut funktioniert. Das fragliche Gerät booten manchmal einfach nicht richtig bis zum Ende. Kubuntu 16.04, soeben frisch veröffentlicht und mit drei Jahren LTS-Support ist leider keine Alternative. Zwar ist Kubuntu in einem erfreulich guten Zustand und es ist schön zu sehen, dass nach den Umbrüchen in den vergangenen 6 Monaten eine benutzbare LTS mit drei Jahren Support erschienen ist, aber mit Kubuntu 16.04 ist man bei Plasma 5.5 und den KDE Applications 15.12 festgenagelt.
Distributionen mit einem rollenden Releasemodell entsprechen in der Regel nicht meinem persönlichen Nutzungsprofil. Damit soll keineswegs behauptet werden, dass sie fehleranfälliger wären oder dass man mit ihnen nicht viele Jahre problemfrei arbeiten kann. Das entspricht nicht unbedingt den Tatsachen – aber sie machen definitiv mehr Arbeit. Arbeit in dem Sinne, dass Updates gründlich geprüft werden müssen und nicht einfach durchgewunken werden können.
Unter den aktuellen Bedingungen war eine Rolling Release-Distribution aber die logische Konsequenz und frei nach dem Motto „Wenn schon, dann richtig!“ musste es eben Arch Linux sein.
Arch: Linux ohne Airbag
Arch Linux ist nicht grundsätzlich neu für mich, ich hatte es bereits längere Zeit im Einsatz, aber das war vor vielen Jahren. Damals gab es noch eine zentrale Konfigurationsdatei und eine Installationsroutine. Aber das ist Schnee von gestern. Die Installation ist – auch dank der prima Anleitung – schnell erledigt, die Konfiguration nimmt dafür etwas mehr Zeit in Anspruch.
Arch verwendet keine grundsätzlich anderen Technologien als die meisten anderen Mainstream-Distributionen. Das ist meiner Meinung nach ein wesentlicher Unterschied zu anderen „Nischen-Distributionen“ wie z.B. Slackware oder Gentoo. Linux-Kernel, systemd, udev, Network Manager – alles Software „von der Stange“. Es wird einem aber fast keine Konfigurationsarbeit abgenommen. Arch zwingt somit auch langjährige Linux-Nutzer mal wieder zum tiefen Blick ins Handbuch zu werfen und bereits seit längerem etablierte Technologien genauer anzuschauen. Das ist eine prima Gelegenheit sich Wissen anzueignen, das man auch bei den anderen Distributionen anwenden kann. Systemd, Gummiboot systemd-boot, chroot – ein paar Tage Arch und man ist in diesen Themen deutlich geübter.
Homogenitätstest: Ohne KDElibs4 aber nicht ohne Qt4
Wenn man bei Arch Linux die Finger von den Metapaketen lässt, kann man eine ziemlich individuelle Paketzusammenstellung einrichten. Schlank ist bei KDE natürlich die falsche Bezeichnung. Die Gelegenheit galt es zu nutzen, um mal zu schauen, wie weit KDE mit der Portierung seiner Softwaresammlung auf KF5 ist. Das Fazit lautet: Erstaunlich weit.
Homogene Softwarezusammenstellungen sind meiner Ansicht nach immer zu bevorzugen. Software arbeitet dann einfach besser zusammen, Dialoge sind einheitlich gestaltet und die GUI besitzt einen ähnlichen Aufbau. Natürlich gibt es immer Software, die auf anderen Toolkits basiert und auf die man nicht verzichten kann. Nach vielen Jahren im KDE-Ökosystem sind das bei mir allerdings nur noch vereinzelte Programme.
Traditionelle, auf kdelibs4 basierende, Programme sind inzwischen die Minderheit. In meinem kleinen Experiment konnte ich gänzlich darauf verzichten. Lediglich Okular und Krusader sind noch nicht portiert. Hier gibt es aber Vorabversionen im AUR, die sich problemlos nutzen lassen.
Ein vollständiger Verzicht auf Qt4 ist hingegen noch nicht möglich. Nach wie vor basieren so wichtige Programme wie VLC oder KeePassX darauf.
KDE Plasma: Alter Desktop, neue Technologien
KDE Plasma und die KDE Applications laufen inzwischen hinreichend stabil – kein Vergleich zu den Erfahrungen vor einem Jahr. Abstürze oder gröbere Fehler sind mir in den vergangenen Tagen keine begegnet. Neue Funktionen oder richtige Wow!-Momente gab es aber auch keine. KDE Plasma und viele Programme gleichen im Funktionsumfang im Wesentlichen ihren KDE SC 4-Pendants – nur halt eben auf einer neuen technologischen Basis. Das gelungene Breeze-Design täuscht darüber hinweg, das am Bedienkonzept kaum etwas geändert wurde.
So positiv dies manchmal auch sein mag, einige Programme könnten eine grundsätzliche Überarbeitung dringend mal vertragen. Kontact ist ein zutiefst gruseliges Programm mit einem Einstellungsurwald, der sich nur eingeweihten erschließt. Es bleibt zu hoffen, dass hier im Laufe der Entwicklung der Generation 5 noch einige behutsame Veränderungen vorgenommen werden.
Fazit
Arch bleibt erst einmal auf dem einen Gerät und der aktuelle Entwicklungsstand von KDE Plasma 5 ist ein kleines Licht am Ende des Tunnels. Das Supportende von openSUSE 13.2 Anfang kommenden Jahres hat damit etwas Schrecken verloren. Einen Komplettumstieg auf Arch kann ich mir aber nicht vorstellen. In einem etwas gereiften Entwicklungsstadium werde ich mich wieder auf openSUSE oder Kubuntu einfrieren und die weitere Entwicklung aus interessierter Distanz beobachten. Bis dahin erfreue ich mich an jeder neuen Version – heute kamen gerade die Applications 16.04 rein. Akregator hat einen ordentlich Sprung hingelegt, ein Rückschritt zu 15.12 wäre unvorstellbar!
Bilder:
Einleitungs- und Beitragsbild von Mudassar Iqbal via Pixabay