Es läuft gerade nicht sonderlich gut für Linux in der öffentlichen Verwaltung. Erst das Auswärtige Amt, dann München und nun Niedersachsen. Begonnene oder bereits abgeschlossene Migrationen auf Linux werden rückgängig gemacht. Gegenbewegungen wie in Schleswig-Holstein sind vorerst nur Luftschlösser.
Wie immer gilt es vorab festzuhalten, dass der Einsatz von mehr offener und freier Software in der Verwaltung begrüßenswert wäre. Weniger Abhängigkeit von ausländischen IT-Konzernen und ihren Big-Data-Strategien, überprüfbare Sicherheit und vieles mehr sprechen dafür.
Dagegen spricht jedoch, dass Linux der Verwaltung dienen soll und nicht umgekehrt. Wie man den jüngsten Medienberichten (z. B. bei Heise oder Golem) entnehmen kann strebt das Land Niedersachsen einen einheitlichen Desktopclient an. Trotz Steuerverwaltung und ehedem Polizei ist Linux halt eine Minderheit, die bei einer Vereinheitlichung der Mehrheit weichen muss. Eine Migration zu Windows soll weiterhin die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg erleichtern Das ist das berühmte Henne-Ei-Problem: Würde die deutsche Verwaltung mehrheitlich mit Linux arbeiten, würde niemand zu Windows wechseln – und eben auch umgekehrt.
In den Pressemitteilungen scheinen aber noch andere Gründe durch und auch die FSFE macht in ihren Äußerungen im Heise-Artikel wieder die gleichen Fehler wie immer (siehe auch: Kommentar: Das Ende von LiMux – eine Nachbetrachtung). Kommt Linux im öffentlichen Dienst in Gefahr, schmeißen alle mit dem Geld-Argument um sich. Das ist weder sinnvoll noch stichhaltig! Transparente Kalkulationen der Kosten Windows vs. Linux gibt es gar nicht – alle Seiten operieren hier mit ihnen genehmen Zahlen. Microsoft bietet für die Lizenzkosten ja durchaus einen gewissen Gegenwert, das darf man nicht unterschlagen.
Als nächste alte Kamelle zieht man das Hardware-Argument aus dem Hut. Mit Linux könnte man ja die alte Hardware weiter betreiben und auf teure (Kostenargument mal wieder) Neuanschaffungen verzichten. Das ist aus so vielen Gründen falsch, dass es einem die Sprache verschlägt. Erstens ist Windows bei weitem nicht mehr so leistungshungrig wie früher. Windows 10 läuft auf Systemen die mit Windows 7 ausgeliefert wurden zufriedenstellend. Zweitens braucht ein zeitgemäßer Linux-Desktop mit professionellen Anwendungen auch Leistungsreserven. Drittens hat jede einigermaßen gut organisierte öffentliche Institution eine IT-Beschaffungsstatregie und arbeitet nicht wie ein Privatanwender oder eine Mini-Firma. Diese Strategie sieht meist vor pro Jahr einen gewissen Prozentsatz der Systeme auszutauschen (beginnend bei defekten und alten Geräten natürlich). Da wartet man nicht auf den Hardwaretot, schon alleine weil man sonst mit einem riesigen Portfolio veralteter Hardware arbeitet, die schlimmstenfalls komplett und zeitgleich ausgetauscht werden muss.
Weiterhin hat man in Niedersachsen den alten Fehler gemacht und anstelle einer Enterprise-Distribution (SUSE, RHEL und ggf. Ubuntu) auf eine Community-Variante gesetzt (in diesem Fall openSUSE). Vermutlich stand auch hier wieder das Kostenargument Pate. Schließlich sind die Enterprise-Distributionen nicht zwangsläufig billiger als eine Windows-Volumenlizenz. Die Community-Versionen haben immer zu kurze Supportzeiträume, was den Pflegeaufwand erhöht, zum Einsatz von veralteter Software führt und letztlich den Weg zur Re-Migration ebnet.
Liebe Linux-Lobbyverbände und Medien: Arbeitet an euren Argumenten! Wenn wirklich nichts außer die Kosten für Linux spricht, wird das nie etwas.