SUSE Linux Enterprise 15 ist im Kern bald 4 Jahre alt. Service Packs aktualisieren zwar regelmäßig große Teile des Systems, aber Kunden und Community warteten bereits seit einiger Zeit auf erste Signale, in welche Richtung es für SUSE Linux Enterprise 16 laufen könnte.
Durch das unter dem Motto „Closing the Gap“ in den letzten Jahren vollzogene Zusammenrücken von SUSE Linux Enterprise (SLE) und openSUSE Leap, hat diese Entwicklung nicht nur Auswirkungen auf die zahlenden Kunden von SLE, sondern auch auf die normalen Nutzer von openSUSE, sofern sie nicht auf das rollende Tumbleweed setzen.
Auf der Mailingliste hat sich nun der Produktmanager für SLE, Stefan Behlert, geäußert. Die Planungen sind noch in einem frühen Stadium, aber es zeichnet sich nichts weniger als eine Revolution der Art wie SLE funktionieren wird ab.
With the next generation of Enterprise releases we want to tackle the above. Intending to do radical changes (regarding technology-but also design-wise)we choose „Adaptable Linux Platform“ or short „ALP“ as codename for that next generation. This indicates already that some things will be quite different than a „mere „SLE 15++ would be 😉
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Another important point is that we intend to split what was a more generic, everything is closely intertwined into two parts: One smaller hardware enabling piece, a kind of „host OS“, and the and the layer providing and supporting applications, which will be container (and VM) based.
Wer die aktuelle Linux-Entwicklung nicht so engmaschig verfolgt, wird daraus natürlich erst mal nicht wirklich schlau. Die Ankündigungen sind zugegebenermaßen auch etwas wolkig. Man sollte zum Verständnis sich anschauen, was Richard Brown die letzten Jahre bei SUSE so getrieben hat. Er ist ja nicht nur in der openSUSE Community sehr aktiv, sondern auch seit vielen Engineer bei SUSE. Das Projekt MicroOS war bisher nur Insidern bekannt und immer eher eine Technologievorschau als ein für die breitere Allgemeinheit benutzbarer Zweig von openSUSE. Im Kern ist MicroOS aber genau das, was hier angekündigt wird. Ein kleines „Host OS“ mit vielen Vorzügen gegenüber einer klassischen Distribution wie z. B. eine unveränderbar eingehängte Systempartition oder Updates mit Rollback-Funktion.
Wenn ich jetzt raten müsste, glaube ich, dass SUSE diesen Weg nun konsequent weiter beschreiten wird. Damit sind sie auch nicht alleine, da Red Hat mit Fedora Silverblue einen ähnlich konzipierten Testballon gestartet hat. Vermutlich wird es ein solches Kernbetriebssystem geben, das je nach Einsatzszenario unterschiedlich angepasst wird. Am Desktop dürfte die Entwicklung weiter in Richtung Flatpaks für die Installation von Anwendungen gehen. Im Server-Segment dürfte stattdessen der konsequente Einsatz von Container-Technologien vorangetrieben werden.
Ich persönlich kann solchen Veränderungen bekanntermaßen viel abgewinnen und stehe dem sehr offen gegenüber. Die Ankündigung hatte aber nun auch einen Nachteil für mich. Ich überlege seit Monaten, die letzten in meiner Obhut verbliebenen Kubuntu-Systeme auf openSUSE Leap zu migrieren. Das erscheint mir nun aber nicht mehr so klug, weil es eine Migration in eine unbekannte Zukunft ist. Vermutlich werde ich die Systeme deshalb doch nochmal auf Kubuntu 22.04 hochziehen und dann 2024 nochmal den Stand evaluieren. Zumal eher unwahrscheinlich ist, dass alle Geräte das Jahr 2024 technisch noch erreichen werden.
Donnerwetter. Darauf bin ich gespannt. Und ich sehe heftige Grabenkämpfe zwischen Linux-Traditionalisten und den progressiven Kräften aufziehen.
Ich auch, und ich stelle schon mal diverse Eimer Popcorn bereit… 😉
Auf der anderen Seite installiere ich mir die Sachen, die für mich interessat klingen, auf einem Testrechner und schaue dann, ob etwas für mich passendes dabei ist. Mit dem Alter wird man in mancherlei Hinsicht wohl pragmatischer.
Für Server gibt es seit kurzem auch das sogenannte Leap Micro in der Betaversion. Soweit ich das verstanden habe, ist das konzeptionell gleich aufgebaut wie MicroOS, nur halt als reine Serverversion ohne Möglichkeit zur Desktopnutzung und in einem langsameren und (glaube ich) and SLE Micro orientiertem Updatezyklus. Eventuell wäre das ja etwas, was es wert ist für Server im Auge zu behalten.
Ich finde es ein bisschen schade, dass das ordentliche .rpm Archiv, welches um build.opensuse.org aufgebaut wurde, dann größtenteils für die Tonne ist, weil Nutzer nur noch FlatPaks installieren sollen. Auf der anderen Seite muss ich MicroOS Desktop vermutlich einmal ausführlich testen, da ich die Vorteile noch nicht ganz nachvollziehen kann.