Bei Datenschutz und Tracking denken viele an die sozialen Netzwerke, Google oder Windows. Experten empfehlen offene Betriebssysteme und alternative Dienste. Die wirkliche Datenschutz-Hölle ist aber die immer weiter verbreitete Tendenz Inhalte – Musik, Filme, Serien, Bücher – zu leihen („streamen“) und nicht zu kaufen.
Bis vor wenigen Jahren waren die Möglichkeit den privaten und beruflichen Medienkonsum eines Menschen zu tracken begrenzt. Wie viel und was genau ein Mensch im Fernsehen anschaute entzog sich ebenso der Kontrolle, wie bei Büchern oder Musik. Denn nur weil man etwas erwarb, bedeutete dies erstens nicht, dass es auch wirklich konsumiert wurde und zweitens musste der Kaufvorgang erst einmal erfasst werden. Im Zeitalter des leihen und streamen entfalten sich hier aber ganz neue Möglichkeiten für die Datenerhebung.
Wenn man Datenauskunft-Anfragen gemäß DSGVO bei verschiedenen Anbietern stellt erfährt man was der angefragte Anbieter für personenbezogene Daten über einen gespeichert hat. Jeder Anbieter hat irgendwas gespeichert und je mehr Dienste und Angebote eines Anbieters man nutzt, desto mehr Daten hat dieser Anbieter natürlich auch. Das Ausmaß der gespeicherten Daten explodiert aber regelrecht wenn es sich um einen Dienst aus der Kategorie „Streaming“ handelt. Ganz gleich ob Amazon, Apple, Google, Netflix, Sky oder einer der unzähligen anderen Dienste.
Einige der erhobenen Daten sind sinnvoll und dienen wirklich dem Nutzerlebnis. Natürlich möchte ich als Kunde, dass Netflix sich merkt welche Filme und Serien ich schon gesehen habe. Es nervt schließlich diese immer und immer wieder empfohlen zu bekommen. Sicherlich soll Apple wissen welche Podcast-Folgen ich schon gehört habe, damit ich unter den unzähligen Podcasts in meiner Bibliothek nicht den Überblick verliere. Wer aber glaubt hier würde sich die Datenspeicherung bereits erschöpfen irrt gewaltig. Meine regelmäßigen Auskunftersuchen in den vergangenen zwei Jahren bei Apple, Sky und Netflix zeigen da ein anderes Bild.
Das Ausmaß der gespeicherten Daten ist gewaltig. Erfasst wird bei vielen Streamdiensten in der Regel Datum und Uhrzeit eines jeden Zugriffs, der Gerätetyp (z. B. ATV für Apple TV), eine eindeutige Gerätenummer und das Land. Teilweise erfolgt auch eine Speicherung der IP Adresse. Hinzu kommen noch viele Informationen deren Sinn für die Diensterbringung zweifelhaft ist. Beispielsweise bei Podcasts die Frage ob der Status (gehört/nicht gehört) manuell gesetzt wurde oder automatisch nach Ende der Folge oder wie oft man eine Folge gehört hat.
Gerade wenn man so wie ich einen Anbieter hat, den man zu mehr als lediglich für Streaming nutzt kann man das Ausmaß der Datenerhebung ganz gut vergleichen. Bei mir ist das Apple, aber bei anderen mag dies Google oder Amazon sein. Während bei Apple in den anderen Kategorien die gespeicherten Daten mengenmäßig wirklich moderat sind und sich der Sinn meist automatisch erschließt, explodiert das Ausmaß der gespeicherten Daten regelrecht bei den Streaming-Angeboten.
Streaming ist ein einziges riesiges Datenschutz-Problem und wird als solches total unterschätzt. Das Ausmaß der Informationen über einen Menschen, das sich aus diesen Daten direkt und indirekt ableiten lässt ist gewaltig. Es geht hier schließlich – je nach Nutzungsintensität – um nichts weniger, als den Medienkonsum eines Menschen.
Dieses Problem kann man nicht lösen, indem man das Betriebssystem wechselt oder zu einem vermeintlich vertrauenswürdigeren Streaming-Anbieter. Denn das Betriebssystem spielt keine Rolle und datensparsame Streaming-Anbieter gibt es nach gegenwärtigem Informationsstand nicht. Die üblichen Vermeidungsmaßnahmen schlagen deshalb fehl. Nur konsequente Datensparsamkeit schützt hier die eigene Privatsphäre.
Ist das jetzt ein Plädoyer dafür jeden Dienst zu kündigen? Nein! Manche Sachen wie Podcasts lassen sich analog gar nicht konsumieren, bei anderen wie Filme und Serien würden die kosten – entsprechende Intensität der Nutzung vorausgesetzt – erheblich ansteigen. Aber man sollte sich wirklich die Frage stellen, ob man dieses oder jenes Streaming-Angebot, das man vielleicht kaum nutzt, wirklich braucht oder ob man nicht die paar gelesenen E-Books oder gehörten Musiktitel auch einfach erwerben kann. Selbst wenn man dafür ein wenig mehr Geld investiert, entzieht man den Anbietern sehr viele Daten und gewinnt viel Privatsphäre zurück.