Ubuntu mit 10 Jahren Support – Chancen und Risiken

Symbolbild "Ubuntu"

Mark Shuttleworth hat für die Ubuntu LTS 18.04 und künftige Versionen 10 Jahre Unterstützung in den Raum gestellt. Auch wenn die genauen Konditionen noch unklar sind, handelt es sich hierbei ziemlich deutlich um eine Kampfansage in Richtung Red Hat. Doch kann Canonical das mit der bisherigen Struktur von Ubuntu wirklich leisten?

Die genauen Einschränkungen sind noch nicht bekannt. Klar ist bisher lediglich, dass das Angebot nicht für den Desktop gilt und kostenpflichtig sein wird. Canonical sucht scheinbar nach Wegen Ubuntu stärker zu monetarisieren ohne das Versprechen der prinzipiell freien und kostenlosen Verfügbarkeit zu brechen. Das ist legitim und erweiterte Supportzeiträume scheinen gewünscht zu werden – Red Hat und SUSE bieten so etwas ja nicht umsonst an. Selbst Debian hat die Supportzeiträume durch sein LTS Programm zumindest teilweise angehoben. Diese Entwicklung sollten sich vor allem jene angucken, die glauben bei Rolling Release läge die Lösung (siehe: Kommentar: KDE und die Distributionen – zwei Antipoden).

Allerdings ist Ubuntu auf so eine Ausdehnung strukturell nicht vorbereitet. Die Paketquellen von Red Hat sind deutlich fokussierter und bieten nur eine streng begrenzte Auswahl an Programmen. Red Hat wägt ganz offensichtlich im Vorfeld ab, was sie über 10 Jahre pflegen wollen und können. Dabei verfolgen sie ein doppeltes Prinzip aus Pragmatismus und Verlässlichkeit. Während einige Bestandteile wie der Kernel grundsätzlich versionsstabil gehalten und aufwändig mit Patches versorgt werden, aktualisieren die Entwickler innerhalb der Minor-Versionen manche Pakete großzügig.

Bei Ubuntu lässt sich jedoch selbst für einen wohlmeinenden Beobachter mit langjähriger Erfahrung kein wirkliches System beobachten. Die Auswahl dessen was zum Kernbereich main gehört kann man nur als erratisch charakterisieren. Teilweise werden sogar Betaversionen, wie jüngst beispielsweise bei OpenJDK, in die finale Version aufgenommen. Mal sind einige Bestandteile einer Software in main, während andere in universe liegen. Für letzteres kann man PostgreSQL als Beispiel nehmen. Gleichzeitig fühlt man sich dem Debian-System absoluter Versionsstabilität verpflichtet, ohne dies qualitativ konsequent umsetzen zu können.

Hinzu kommt die problematische Dauerbaustelle der unterschiedlichen Paketquellen. Bei Red Hat ist das ganz einfach gelöst: Was bei Veröffentlichung in der Distribution ist, wird 10 Jahre gepflegt – was nicht dabei ist, fehlt halt. Ubuntu hat main, universe, multiverse und restricted. Der Support erstreckte sich schon jetzt nur auf main und mit Abstrichen restricted. Universe wächst im Laufe des “Supportzeitraumes” einer jeden Version zuverlässig zu einer toxischen Deponie voller Sicherheitslücken und fehlerhafter Software heran. Die nun angekündigten 10 Jahre sollen nicht für den Desktop gelten, weshalb Canonical nun auch noch den main Bereich in Paketgruppen mit unterschiedlichem Supportstatus unterteilt.

Die Ankündigung von 10 Jahren Support dürfte daher faktisch vor allem dazu führen, dass Systeme länger in Betrieb bleiben, die zu einem erheblichen Teil aus nicht gewarteten Paketen bestehen. Einfach weil niemand mehr dieses System überblicken kann. Mal ganz davon abgesehen, dass Canonical erst noch zeigen muss, dass es auch in der Lage ist die im April 2018 erratisch zusammen gestellte Komposition auch 10 Jahre zu pflegen.


Bilder:
Einleitungsbild und Beitragsbild von von guaxipo via pixabay

Cruiz
Cruizhttps://curius.de
Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.

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