Die Debatte um Datenschutz und Überwachung beschränkt sich zu oft aus die klassischen Betriebssysteme, den zugehörigen kleinen Endgeräten und ihre Verbindung zum Internet. Computer, Notebooks und Smartphones. Neuerdings ergänzt durch IoT-Geräte und das Smart Home. Dies macht aber nur einen Bruchteil des Phänomens aus. Ein unterschätztes Problem ist das Überwachungspotenzial im Alltag.
Gibt man die Suchbegriffe Tracking, Datenschutz und Überwachung in eine Suchmaschine der Wahl ein befinden sich auf der ersten Seite der Suchergebnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit Infoseiten über Datenschutz im Internet und die digitale Absicherung der Geräte. Die Inhalte auf [Mer]Curius sind hier keine Ausnahme. Je nach Angebot wollen manche Anbieter nur Geld verdienen, andere empfehlen den vollumfänglichen Einsatz von Open Source oder die Anpassung der Endgeräte.
Vollkommen unterschätzt wird das Überwachungspotenzial im Alltag. Dieses potenzielle Risiko ist derart gewaltig, dass es hier nur in Ausschnitten angerissen werden kann.
Es beginnt bei der zunehmenden Überwachung des öffentlichen Raumes durch Videokameras. Das Niveau variiert je nach Land, aber Deutschland holt hier kräftig auf und die Politiker scheinen ein Niveau wie Großbritannien anzustreben. Die Weltkarte der Überwachung zeigt zumindest partiell das Ausmaß der Überwachung. Die Testläufe am Berliner Südkreuz bezüglich Gesichtserkennung waren sicherlich erst der Anfang und es ist davon auszugehen, dass diese Methoden zunehmen werden. Mal ganz davon abgesehen, dass die Polizei wie bei den Ereignissen rund um den G20 Gipfel bereits mit Gesichtserkennung arbeitet und dies sicherlich auch zukünftig tun wird. Die Bewegung auf Autobahnen wird per automatischer Kennzeichen-Erfassung verfolgt, auch wenn das Bundesverfassungsgericht dies jüngst ein wenig einschränkte.
Das sind allerdings nur die staatlichen Maßnahmen. Tracking und Geolokalisierung nehmen im Alltag massiv zu. Kaum ein modernes Auto kommt ohne massenhaft Sensoren und ein GPS-Modul aus. Die Frage wem diese Daten gehören ist strittig und das Ausmaß der Datenerhebung nimmt zu. Die ganzen Apologeten freier Software und Datenkontrolle dürften eigentlich gar kein Auto besitzen oder wenn dann nur ein mindestens 20 Jahre altes Modell. Der zunehmende Trend zu Carsharing verstärkt dieses Problem nur noch mal.
Wer jetzt glaubt ein Wechsel in öffentliche Verkehrsmittel genügt als Selbstdatenschutz täuscht sich leider. Erstens wird der ÖPNV natürlich auch videoüberwacht, zweitens verstärkt sich der Trend zu elektronischen Fahrscheinen, die dann wiederum Tracking erlauben. Dies gilt auch für die Deutsche Bahn. Die lukrativen Sparpreise sind in der Regel personifiziert, für die Vielfahrer mit den BahnCards gilt dies sowieso. Lediglich ein teurer Normalpreis am Automaten mit Bargeld erworben schützt hier.
Sofern man aus Gründen des Datenschutzes den Onlinehandel meidet schützt das auch nur bedingt. Um an ähnliche Kundenprofile wie die Onlinehändler zu gelangen experimentieren viele Händler bereits mit verschiedenen Tracking-Methoden im stationären Handel: Indoor-Ortung via Bluetooth, Gesichtserkennung usw. usf. Dazu kommen natürlich die zahlreichen Kundenkarten und Aktionen.
Die Probleme gehen bei den zahllosen Dienstleistern weiter, auf deren Dienste wir zwingend angewiesen sind. Wer hat schließlich schon mal die eigene Bank hinsichtlich des Datenschutzes abgeklopft? Schafft man es wirklich immer nur mit Bargeld zu bezahlen?
Das war jetzt nur ein winziger Ausschnitt aus den gegenwärtigen Bedrohungen und die Liste könnte quasi beliebig fortgeführt werden. Es ist also ein Trugschluss zu glauben mit einem gehärteten Linux-System und einem abgesicherten Smartphone wäre man auf der sicheren Seite. Die obige Auflistung soll nicht zum Sicherheitsnihilismus motivieren (siehe auch: Sicherheitsnihilismus – Eine treffende Beobachtung). Selbstdatenschutz fängt bei den eigenen technischen Geräten an, aber er endet hier leider nicht.
Den Probleme durch Überwachung und Tracking im öffentlichen Raum lässt sich leider nicht mit Selbstdatenschutz begegnen, sondern mit politischen Gegenmaßnahmen. Es ist dazu wichtig immer auch über die Tech-Filterblase hinaus zu blicken und den politischen Prozess nicht aus dem Blick zu verlieren. Die wirklich wichtigen Entscheidungen trefft ihr nicht bei der Wahl eures Betriebssystems.