Kein Datenschutz ohne Änderung der Bezahl-Mentalität

Kürzlich machte mal wieder ein Aufschrei wegen einer neuen Funktion in Google Chrome und den Google Diensten die Runde. Man möchte gar nicht mehr mitzählen, der wievielte es alleine dieses Jahr gewesen ist. Ein PR-Skandal mag die Firma bewegen, diese eine Funktion zu ändern, aber er wird niemals einen grundsätzlichen Wandel in der Haltung zum Datenschutz bewirken, denn das Geschäftsmodell des Internets ist datenschutzfeindlich.

Dienstleistungen und Software werden mehrheitlich von Firmen angeboten, die – abgesehen von jenen durch Wagniskapital angetriebenen Start Ups – wirtschaftlich arbeiten müssen. Diese banale Erkenntnis ist noch nicht zu den meisten Internetnutzern vorgedrungen. In einer Angestellten- und Beamten-Gesellschaft wie der Deutschen fehlt sowieso oftmals die Fantasie, wie irgendjemand abseits der üblichen Lohnüberweisung Geld erwirtschaften kann. Weil bezahlte Dienstleistungen und kostenpflichtige Software in der Gratismentalität des Internets nur in Nischen funktionieren, bilden Werbeeinnahmen das zentrale Finanzierungsmodell der Internetindustrie.

Werbung ist untrennbar verbunden mit einer Überwachung und Auswertung von Konsumentendaten. Das war schon vor dem Internet so – man denke nur an unzählige Bonuskarten – aber die digitalen Möglichkeiten haben erst den Weg zum gläsernen Konsumenten geebnet. Benutzertracking ist nicht nur im Internet, sondern auch auf Smartphones und zunehmend auch bei klassischen Desktopbetriebssystemen Standard (siehe auch: Aktivitäten im Internet schützen).

Mit Google ist eine der größten Werbefirmen der Welt gleichzeitig einer der wichtigsten Softwareproduzenten. Man mag ihnen zu Gute halten, dass die Idee zur Dienstleistung und Software älter ist, als die Umsetzung der Werbevermarktung. Gleichwohl bietet Google qualitativ hochwertige Dienstleistungen und Software für Endverbraucher ohne ein Entgelt zu verlangen und möchte als Gegenleistung Werbung möglichst passgenau an den Endverbraucher bringen. Dazu müssen möglichst viele Daten generiert und zusammengeführt werden, weshalb sich nahezu alle Skandale der letzten Jahre unter diesem Gesichtspunkt erklären lassen. Manche neue Produktidee ist möglicherweise sogar unter dem primären Gesichtspunkt der Datenerhebung konzipiert, aber das ist Spekulation.

Ohne die Bereitschaft für Dienstleistungen und Softwareprodukte zu bezahlen wird es niemals datenschutzfreundliche Angebote geben. All die Kommentatoren sollten sich anstelle ihrer anklagenden Artikel mal fragen, wann sie das letzte Mal Geld für ein digitales Produkt bezahlt haben.

Die Open Source Gemeinschaft erweist der Gesellschaft hier leider einen Bärendienst. Sie unterfüttern die Kostenlos-Mentalität der Verbraucher mit dem guten Gefühl ein gemeinschaftlich erarbeitetes Produkt zu nutzen. Freeware und Open Source ist allzuoft deckungsgleich und die Vermarktung vieler Produkte der Datensammler als „Open Source“ macht es nicht besser. Das Spendenmodell zur Finanzierung ist schon lange gescheitert und kann weder die Entwicklergehälter, noch die Projektkosten decken.

Es ist daher fatal, dass man anstelle der vermeintlich kostenlosen Dienste der großen IT-Konzerne, andere kostenlose Dienste wie beispielsweise Signal oder Telegram auf den Podest stellt. Letztere finanzieren sich schließlich über Stiftungen, deren Kapital teilweise von Leuten beigesteuert wurde, die ihr Geld in eben jener datengetriebenen Internetwirtschaft gemacht haben. Der Telegram-Gründer Pawel Durow machte sein Vermögen mit dem Verkauf des russischen Facebook-Pendants Vkontakte und die Signal Siftung hat beispielsweise eine Millionenspende durch einen der beiden WhatsApp-Gründer erhalten. Diese Spenden wirken manchmal wie eine Form des Ablasshandels und eine reumütige Rückkehr zu den hehren Wurzeln des Internets – nachdem man Millionen oder gar Milliarden verdient hat.

Die „guten“ kostenlosen Angebote bestärken zudem viele Konsumenten in der Idee, das man für Dienste nicht bezahlen muss. Man braucht nur den vermeintlich richtigen Dienst eines seriösen Anbieters. Das ist fatal, weil das gesamte bestehende Angebot an Software und Dienstleistungen nicht von Philantropen getragen werden kann.

Cruiz
Cruizhttps://curius.de
Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.

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