Büroangestellte waren lange in einer privilegierten Position. Kein Fließband taktete unerbittlich den Arbeitstag, kein Soll musste in Regalen verräumt werden, keine Route in vorgeschriebener Zeit bedient werden. Das ändert sich nun.
Schuld daran sind Firmen wie Microsoft. Lange haben sie Telemetriedaten erhoben, um „Produkte zu verbessern“, Firmen und Privatleute in die Cloud gelockt oder getrieben. Nun winkt für kleingeistige Mikromanager endlich die Belohnung. Die ganzheitliche Überwachung am Arbeitsplatz.
Dazu möchte ich den kürzlich auf netzpolitik.org erschienen Artikel „So überwachen Chefs eure Produktivität am Arbeitsplatz“ empfehlen.
Das Thema ist nicht neu, alleine bei netzpolitik.org sind dazu in den letzten Jahren einige Artikel erschienen und auch hier im Blog waren diese Funktionen schon Thema.
Durch allumfassende Lösungen wie Office 365 mit Teams & Co bekommt Microsoft die Möglichkeit die Produktivität von Unternehmen und Mitarbeitern zu bewerten. Noch in vermeintlich harmlosen Kategorien, ohne direkte Rückschlüsse auf Einzelne, aber es dürfte klar sein, wohin die Reise geht. Es wird immer Manager geben, die noch mehr Informationen wollen und Microsoft wird ohne moralische Bedenken, diese Bedürfnisse stillen.
Firmen oder öffentliche Institutionen mit starken Betriebs- und Personalräten werden das zu verhindern wissen, aber Tarifbindung und starke Mitarbeitervertretungen sind auf einem absteigenden Ast. Viele Mitarbeiter sind solchen Ambitionen relativ schutzlos ausgeliefert.
Alleine die Kenntnis dieser Funktionen und der aktuellen Entwicklungen in diesem Bereich sind viel zu wenig verbreitet. Viele Mitarbeiter haben Angst, der Vorgesetzt könnte die Browserhistorie oder ähnliches einsehen, aber solche harten Bewertungen der Produktivität können sich viele immer noch nicht vorstellen.
Der nächste Schritt ist dann das Herunterbrechen der (von MS definierten) Produktivität auf Abteilungen und Gruppen und die Berechnung der Boni auf Basis der jeweils erzielten Produktivitäts-Punktzahl. Und die Firmen können optional per „Enterprise Gamification“ selbst noch Achievements definieren, mit der Abteilungen ihre Boni erhöhen können.
Ich weiß nicht was ich davon halten soll. Auf der einen Seite finde ich die Überwachung faszinierend. Auf der anderen Seite will ich persönlich nicht überwacht werden. Ich spiele den Gedanken durch, ich bin Chef und möchte einschätzen wie gut meine Angestellte sind. Somit werden diese Mittel sehr verlockend. Wenn ich es als Angestellter betrachte, bekomme ich schon jetzt das große Kotzen ^^
Für einen guten Chef ist das eben nicht verlockend, weil diese Überwachung ein Steinzeit-Führungsstil ist. Wer so seine Angestellten „führt“ hat seit 10 Jahren keine Fortbildung besucht, sich selbst seit 20 Jahren nicht mehr hinterfragt und wird vermutlich von allen Angestellten tagtäglich verflucht und die Rente herbei gewünscht.
Letztlich geht es um die Arbeitsleistung des Einzelnen und des Teams. Wie jemand arbeitet, kann mir als Chef egal sein. Wenn jemand stundenlang trödelt aber dann 60 super produktive Minuten hat, ist das genau so gut, wie jemand der 3 Stunden kontinuierlich durcharbeitet. Wenn jemand nachts um 1 Uhr besonders gerne arbeitet, ist das voll in Ordnung (sofern keine Kundenzeiten oder das Arbeitsrecht hier Probleme macht) und wenn ein Team besonders gut funktioniert, weil es 3x die Woche 60 Minuten Kaffeeklatsch bei Teams macht, ist mir das als Chef auch recht, weil die Arbeitsleistung die 3×90 Minuten ausgleicht.
Das ist natürlich eine sehr schwarzseherische Betrachtung. Vielleicht will ich als Chef analysieren, ob und wo Leistungsprobleme entstanden sind oder entstehen. Ich habe immerhin auch schon in einigen problematischen Unternehmen gearbeitet, die sozial auf dem rechten Fleck standen, aber das Unternehmen trotzdem starke Probleme hatten. Mit solch erhobenen Daten wär es sicherlich einfacher die Probleme zu analysieren und gegen Strategien treffen.
Ich arbeite übrigens auch (privat) an einer Projektverwaltungssoftware, das mich möglichst gut überwacht, damit ich Probleme in meiner Arbeitsweise erkennen kann und Problemen begegnen kann. Wichtig ist das man mit solchen sensiblen Daten verantwortungsvoll Umgehen muss.