Die Rückkehr von Richard M. Stallman an die Spitze von GNU und FSF ist gerade der Aufreger der Open Source Szene. Es lässt tief blicken, was die Wertschätzung in der Community betrifft.
Für das Meinungsbild auf das ich mich beziehe einfach die Kommentare unter den folgenden Artikeln und Foren durchlesen. Besonderen Augenmerk kann man bei der Gelegenheit gleich auf die schön gestreuten Kampfbegriffe der neuen Rechten legen.
- heise – Richard Stallman kehrt zur FSF zurück
- linuxnews – Richard M. Stallman kehrt in den Vorstand der FSF zurück
- Golem – Stallman kommt wieder, müsste aber gehen
- Golem – Offener Brief fordert Stallmans Rücktritt
- Debianforum
Es gibt jetzt einen offenen Brief, der seinen Rücktritt fordert. Die Liste der unterzeichnenden Personen und Organisationen kann sich jeder ansehen. Ich glaube, ich lehne mich nicht weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass dort enorm wichtige Organisationen bei sind und viele namhafte Entwickler, von deren Arbeit wir alle tagtäglich profitieren.
Stallman hat natürlich auch seine Verdienste, aber selbst wohlmeinend kommt man kaum umhin, diese als historisch zu klassifizieren. Und zwar im doppelten Sinne, sowohl was die Bedeutung als auch den Zeitraum der Aktivität betrifft. Es ist nämlich schon sehr lange her.
Was sagt es über eine Community, wenn die Leistungsträger der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit weniger Wertschätzung erfahren als ein – extrem freundlich formuliert – verschrobener alter Mann mit ziemlich aneckenden Ansichten und schwierigen Umgangsformen.
Mit Sicherheit gibt es auch Leute, die das anders sehen und die aktuell geleistete Arbeit höher gewichten, aber sie melden sich halt nicht öffentlich zu Wort und sind deshalb irrelevant für das öffentliche Erscheinungsbild einer Community.
Muss man sich da noch fragen, warum Nachwuchsmangel so ein Problem ist? Warum die Organisationen in ihrer jetzigen Form abgesehen von der Mozilla Foundation kaum nennenswerte Resonanz außerhalb der Bubble haben?
“Besonderen Augenmerk kann man bei der Gelegenheit gleich auf die schön gestreuten Kampfbegriffe der neuen Rechten legen.”
Sorry, aber was? Wo sollen da irgendwelche Kampfbegriffe der neuen Rechten sein?
Zum Beispiel hier: https://forum.golem.de/kommentare/wirtschaft/free-software-foundation-stallman-kommt-wieder-muesste-aber-gehen/schoene-neue-sjw-welt/142454,5898857,5898857,read.html#msg-5898857
Du willst mir jetzt nicht ernsthaft sagen, dass du “SJW” für einen Begriff der Rechten hältst?
Der Begriff hatte Konjunktur im Zusammenhang mit den sogenannten “Incells” aber er gehört inzwischen zum Begriffsvokubalar der Neuen Rechten im Sinne einer Abgrenzung von vermeintlich linker Cancel Culture.
Ne, sorry. SJW wird Menschen im ganzen politischen Spektrum verwendet. Das als rechten Begriff darzustellen ist eine völlige Verdrehung von Tatsachen.
Sehr gerne lese ich Beispiele, in denen linke Befürworter einer offenen, diversen und gleichberechtigten Gesellschaft den Begriff “Social Justice Warrior” nutzen.
Da schließe ich mich absolut an, würde das aber nicht auf das linke politische Spektrum beschränken. Das ist glasklar ein Kampfbegriff aus dem neu rechten Spektrum, der auch in der politischen Mitte normalerweise nicht verwendet wird. Mag sein, das der inzwischen unreflektiert vom ein oder anderem übernommen wird, was ja auch das Ziel ist. Ändert aber nichts an der Herkunft und Intention
Ich verwende SJW und bin nicht rechts. Mein Umfeld (von SPD-Mitgliedern und Grünen bis zu Liberalen) ebenso. Es ist definitiv kein Begriff der “Rechten”, sondern wird nur so geframet um jeden Gegner der Identity Politics (also, jeden normalen Menschen) als Rechten zu diffamieren
Klar, SJW ist ein völlig normaler, total naheliegender Begriff, der völlig in die Umgangssprache eingegangen ist. Er wird alltäglich von vielen Menschen verwendet. Überall in Funk und Fernsehen hört man davon. Total im Mainstream angekommen!
In der sehr interessanten Debatte, die Herr Thierse kürzlich anstieß kam er irgendwie aber nicht vor. Dabei wurde dort sehr viel berechtigte Kritik an exzessiver Identitätspolitik geübt und medial breit aufgegriffen. Seltsam oder?
Wem machst du hier was vor?
Ich glaube dir, dass du nicht rechts bist bzw. dich nicht dafür hältst, aber du bist trotzdem deren Propaganda aufgesessen, da du offensichtlich deren Kampfbegriffe benutzt.
Es gibt absolut keine Zweifel, dass SJW ein Begriff ist, den sich die extreme politische Rechte der USA ausgedacht hat, um soziales Engagement zu verunglimpfen. In Deutschland wird relativ synonym der Begriff “Gutmenschen” dafür missbraucht (als wäre es etwas schlechtes ein guter Mensch zu sein).
Das ist einfach der nur taktische Diskursverschiebung der Nazis. Es ist auch eine Framing mit dem der politische Gegner entmenschlicht werden soll.
Das hat die RAF damals auch so gemacht (“wir haben es hier nicht mit Menschen zu tun, sondern mit Schweinen”).
Tu denen nicht den Gefallen und fall darauf rein.
Auch wenn es inzwischen sogar in der Wikipedia anders steht.
Ursprünglich kommt der Begriff aus der US-Amerikanischen Uni Welt.
Es ging darum, dass man zu der Erkenntnis gelangte, dass nur nett Reden die Welt nicht ändern.
Daher aktiver Kampf für soziale Gerechtigkeit.
Es hat dann 2 Entwicklungen gegeben.
1. Es haben sich für den ursprünglich gerechten Kampf Menschen gefunden, die endlich einen Weg gesehen haben eigene Niedertracht moralisch zu rechtfertigen.
2. Genau diese Menschen haben anderen Menschen die Möglichkeit gegeben den Kampf für soziale Gerechtigkeit allgemein zu verunglimpfen.
Und so wurde SJW zu einen Kampfbegriff der Rechten. Das war allerdings tatsächlich nicht immer so.
Es ist gewissermaßen eine Wort-Evolution, die zudem noch lehrreich ist, wie so häufig der Kampf für eine eigentlich gute Sache pervertiert wird.
Sprache lebt halt. Gutmensch oder der Ausruf “Wir sind das Volk” hatte vor Pegida und AfD-Zeiten auch noch eine andere Konnotation. Hier nützt es nichts auf vermeintlich alte Definitionen zu verweisen, wenn das Vokabular bereits von einer politischen Szene gekapert wurde.
Diese ganze Diskussion ist vor allem Ausdruck einer Community, die das alte Hackerprinzip der Meritokratie („du bist, was du kannst“) einem bescheuerten Identitarismus („du bist, was du fühlst“) geopfert hat, was dazu führt, dass der technische Fortschritt immer langsamer vorangeht, weil sich alle zuständigen Gremien für einen Großteil der Zeit mit irgendwelchen Kinkerlitzchen aufhalten, weil sich schon wieder irgendein Taugenichts mit vier Geschlechtern (und das schon vor dem Frühstück) von irgendeiner Mail angegriffen fühlt. Früher war mehr Humor und Würde.
Die meisten Unterzeichner werden ihr Leben lang annähernd nicht so viel bewegen wie Richard Stallman – man mag von GNU halten, was man will – vor dreißig bis vierzig Jahren. Schade, dass sie das nicht zum Anlass für ein „ich kann mehr“, sondern für ein „der muss weg“ nehmen.
“Die meisten Unterzeichner werden ihr Leben lang annähernd nicht so viel bewegen wie Richard Stallman – man mag von GNU halten, was man will – vor dreißig bis vierzig Jahren. Schade, dass sie das nicht zum Anlass für ein „ich kann mehr“, sondern für ein „der muss weg“ nehmen.”
Danke, dass du dich als Beispiel für die oben kritisierte Einstellung anbietest.
Schade, dass du der identitären Bewegung nach dem Mund redest.
Du hast nicht wirklich verstanden warum es geht oder?
Ich kritisierte im Blog, dass den aktiven Entwicklern weniger Wertschätzung und Respekt entgegen gebracht wird als einem alten Mann, der seit minimum 15 Jahren nichts mehr geleistet hat. Prompt bestätigst du das in deinem Kommentar.
Dieser Blogkommentar ist eigentlich enttäuschend. Oberflächlich.
Ich lese ihn sonst gerne, gerade wegen seiner kritischen Sichtweise auf die Dinge. Aber hier vermisse ich diese doch sehr.
Hier das Original Zitat von Stallmann:
“We can imagine many scenarios, but the most plausible scenario is that
she presented herself to him as entirely willing. Assuming she was
being coerced by Epstein, he would have had every reason to tell her
to conceal that from most of his associates.”
In der Presse finden sich natürlich nur verzerrende Auszüge dieses Zitats, a la “she was willing” etc.
Ich würde dies sogar als bösartig und als Rufmord bezeichnen.
Im Gesamtzusammenhang kann ich in dem Zitat nichts Frauenfeindliches erkennen.
Wenn man ihm etwas zur Last legen will, dann eine gewisse Ungeschicklichkeit im Ausdruck.
Aber er ist ITler, kein Pressefachmann.
Ich finde die Berichterstattung über ihn entsetzlich.
Vielleicht liest du nochmal den Text oben und versucht den Inhalt zu verstehen bevor du deine 08/15 Stallman-Verteidigung schreibst.
Wie ein großer Mann schon sagte, wir stehen alle auf den Schultern von Riesen. Stollmann ist in meinen Augen ein solches Urgestein. Ihm den Respekt zu versagen, es aber für Geringere einzufordern, die nur aufgrund seiner Schultern bestehen, bedeutet den ganzen Baum zu entwurzeln.
Diskreditierung des Kritikers führt nicht zur Entkräftung seiner Argumente, sondern zeigt nur die eigene Argumentlosigkeit.
Danke dass du dich als Beispiel für die Thesen im obigen Blogartikel zur Verfügung stellst.
Also nur der Vollständigkeit halber:
Du stimmst dem Mist über Stallmann zu??
Wozu stimme ich zu? Der Forderung nach seinem Rücktritt? Ja auf jeden Fall.
Das lässt sich auch ganz einfach und rational und sogar ohne Bezug zu den moralischen Vorwürfen erklären:
Die FSF (und GNU) sind Organisationen zur Förderung der freier Software. Stallmans Beitrag dazu seit 15-20 Jahren ist extrem überschaubar. Ich würde sogar sagen, dass er fast nicht vorhanden ist. In den letzten Jahren hat er mehr Streit und Zwist innerhalb der Community (was ist wirklich freie Software usw. usf.) ausgelöst, als Lösungen aufgezeigt. Wichtige Zukunftsfelder und aktuelle Entwicklungen scheint er intellektuell nicht mehr nachvollziehen zu wollen. Er ist gewissermaßen der Zirkusclown einer Nerdcommunity ohne jede Breitenwirkung über diese hinaus. Sein ausladendes Ego und seine mangelnde Sozialkompetenz scheinen die Selbsterkenntnis zu verhindern. Niemand sollte für Jahrzehnte zurückliegende Leistungen mit einem Vorstandsposten belohnt werden, selbst Organisationsgründer nicht. Das gilt für jede Firma und auch für freie Software. Wenn so jemand das nicht selbst erkennt, muss er gegangen werden. Das Phänomen haben wir ja immer wieder, denn viele halten sich selbst für unverzichtbar. Dass die FSF und GNU dazu nicht in der Lage sind diskreditiert sie als Organisationen und stellt ihre Zukunftsfähigkeit infrage.
Das ist übrigens kein Plädoyer gegen alte weiße Männer. Tim Berners-Lee ist ein schönes (und nahezu gleich altes) Beispiel für eine anhaltend positive Außenwirkung und Beteiligung.
Ich denke gerade in der IT und bei Nerds sollte man fachliche- und Sozialkompetenz nicht unbedingt in einem Stück erwarten. Nerdtum und Sozialkompetenz gehen selten Hand in Hand. Schönes Negativbsp. ist hier auch Linus mit seinen Ausfällen. Nichtsdestotrotz ist er der absolut Geeignetste für seinen Job. Man muss sich halt entscheiden, was man will.
Ich persönlich sehe das genauso bei Stallman. Er ist, wer er ist, aber nichtsdestotrotz geeignet.
Aber gut, ich kann deinen Standpunkt nachvollziehen und respektieren, wenn auch nicht teilen.
Ich befürchte mittleweile auch, dass er sich bei dem Medienecho auf seine Person und der gezielten Demontage nicht lange wird halten könne.
Ich persönlich empfinde das als sehr traurig und wünsche ihm alles Gute.
Diese show hat er sicher nicht verdient.
Jetzt würde mich aber mal interessieren, welche Aufgabe du bei FSF und GNU siehst, nach denen er “der absolut Geeignetste für seinen Job” ist?
Ein wesentlicher Teil der Arbeit der FSF besteht in der Beratung, Berichterstattung und Aufklärung zu freier Software (kommt von Wikipedia). Wie soll jemand, der nur in die eigene Filterblase hinein wirkt, dieser Aufgabe adäquat nachkommen?
Ich denke, die Diskussion ist ohnehin akademisch.
Wenn ich mir die jüngsten Entwicklungen anschue, dann ahne ich, wie es weitergeht.
Schöne neue Welt.
Ich Denke wenn sich mal jemand mit einer Meinung oder Äußerung “vertut”, kann man das Verzeihen. Aber bei Stallman zieht sich das seit Jahren durch eine Vielzahl öffentlichen Äußerungen die auch sehr gut in seinem eigenen Blog verlinkt sind. Im Rahmen der Rücktrittsforderung sind diese ja auch in einem Appendix gesammelt [1].
Und anderen Menschen das Lebensrecht abzusprechen geht halt überhaupt nicht. Dies tut er mit seiner “Empfehlung” zur Abtreibung sobald Trisomie 21 festgestellt wird.
P.S. Meine Tochter hat Down-Syndrom.
[1] https://rms-open-letter.github.io/appendix
Ein sehr schöner Artikel dem ich nur voll und ganz beipflichten kann. Stallman hatte genau eine gute Idee und hat an ein paar passenden Stellen (DRM u. Co.) richtigerweise gewarnt. Das kann ich respektieren, auch wenn ich den Typen nicht mag.
Nach allem, was man über ihn weiss, möchte ich mit der FSF aber nichts mehr zu tun haben, so lang Stallman dort zugange ist. Ich will nicht mit Nazis reden (müssen) und ich will auch nicht mit Typen zu tun haben, die es nach mehrmaligem Nachhaken weiterhin okay finden, dass sich alte Säcke an 17jährigen Mädchen vergehen oder sich anmaßen “unwertes Leben” zu definieren.
Die Prämisse des Artikels ist an den Haaren herbeigezogen: Bei den Bestrebungen, RMS bei der FSF herauszudrängen ging es nie um einen fehlenden Respekt einer neuen Generation von Entwicklern gegenüber.
Es geht hier allein um die Entfernung einer unliebsamen Person mit unlauteren Mitteln. Ich habe nicht alle Vorwürfe gegen RMS im Detail angeschaut, aber die, die ich anschaute, waren konstruiert, nur mit aus dem Kontext gerissenen Aussagen unterfüttert, oder bezogen sich auf seine Privatmeinung bei einem für seine Funktion völlig irrelevanten Feld.
Der Schaden dieser Aktion ist bereits unumkehrbar, da nun bereits begonnen wird auch alle Unterstützer Stallmans zu diffamieren.
Ich habe oben auf die entsprechenden Kommentare verlinkt und es gab sogar unter dem Blogartikel hier entsprechende Bemerkungen. Also was ist hier an den Haaren herbei gezogen?