Große Open Source Projekte kämpfen zunehmend mit Finanzierungsschwierigkeiten bei der Entwicklung. Mehrere Projekte begegnen dem nun mit Einschränkungen bei der Open Source Freigabe. Das könnte erst der Anfang gewesen sein.
Begonnen hat es mit Software wie Redis oder MongoDB. Ende letzten Jahres kündigte dann der Hersteller der Monitoring-Lösung Sentry den Wechsel auf eine unfreie Lizenz an. Anfang des Jahres dann der Paukenschlag. Waren bis dahin primär Spezialsoftware im Server/Cloud-Bereich betroffen rückten die Ereignisse nun in Richtung Desktop/Anwender vor. Die Qt Company gab bekannt künftig LTS Versionen nur noch für zahlende Kunden zur Verfügung zu stellen.
Der nächste in der Reihe ist nun LibreOffice. In einem ersten Schritt möchte man zwar lediglich mit dem Zusatz „Personal Edition“ den privaten Gebrauch der frei verteilten Lösung hervorheben aber jedem dürfte klar sein wo die Reise hingehen kann. Wenn sich die Entwicklung bei Supportverträgen und Rentabilität für die maßgeblichen Firmen wie z. B. Collabora nicht bald verbessert, dürften diese entweder die Arbeit einstellen oder versuchen eine „Professional Edition“ mit zusätzlichen Funktionen zu verkaufen. Bisher bot man ja lediglich einen verbesserten Support und längere Unterstützung, verfolgte also das klassische Service-Modell.
Dieses Modell klappt in ein paar Bereichen ganz gut, wo Serviceverträge üblich und Zertifizierungen unumgänglich sind. Die Masse der Projekte bewegt sich aber in anderen Bereichen. Ich habe über dieses Thema vor rund einem halben Jahr schon mal einen Blog-Artikel verfasst (siehe: Reflexionen: Open Source hat kein funktionierendes Monetarisierungsmodell). Das Feedback in den Kommentaren war in Summe ziemlich ablehnend. Diese Ignoranz ist Teil des Problems. Es darf einfach nicht wahr sein, was nicht wahr sein soll.
Die breite Masse der Anwender – privat und professionell – betrachtet Open Source eben doch einfach als „frei wie in Freibier“ um ein altes Sprichwort zu zitieren.
Die Entwicklung wird noch schlimmer werden. Wer trägt denn den Großteil der Last an der Desktopentwicklung? Es sind eine Handvoll Firmen mit Open Source Verbindungen. Mozilla für den Browser, Collabora für Office, Red Hat für GNOME und relevante Teile der Basis, sowie noch eingeschränkt bluesystems für KDE. Ohne diese Akteure gibt es kaum Entwicklung am Linux Desktop. Natürlich gibt es dazu viele Freiwillige und die leisten großartige Arbeit aber die Qualität, Schlagzahl und das Niveau der aktuellen Entwicklung lässt sich ohne bezahlte Entwickler kaum halten. Zumal das Umfeld sich immer mehr beschleunigt und immer anspruchsvoller wird. Im mobilen Bereich sieht man wie schwer es für die Community ist hier ohne Firmenrückhalt Fuß zu fassen.
Mozilla steckt schon länger in der Krise, der Marktanteil für Firefox ist extrem rückläufig, Collabora hat auch keine optimalen Perspektiven, das sieht man an der aktuellen LibreOffice-Debatte. Bei den Distributoren hat sich SUSE bereits weitestgehend zurück gezogen und Red Hat wurde von IBM erworben. Hier wird bald härter gerechnet werden. Die nachlassende Qualität bei CentOS (siehe: CentOS mit unklarem Supportstatus) kann als deutliches Signal hin zu einer Stärkung von RHEL gedeutet werden.
Früher haben Firmen für Open Source nebenbei mit entwickelt. Aus Verbundenheit, für den internen Gebrauch und aus vielen weiteren Motiven. Früher hatte Novell/SUSE Mitarbeiter, die an OpenOffice schrieben, Sun entwickelte parallel wirtschaftliche und unwirtschaftliche Projekte, Red Hat machte Gewinn am Servermarkt und investierte in den Linux Desktop. Diese Zeiten enden! Entweder sind die Akteure vom Markt verschwunden, aufgekauft worden oder es sind börsennotierte Unternehmen. Dauerhafte Quersubventionen zwischen Abteilungen gibt es im 21. Jahrhundert nicht mehr. Die Zerschlagung der Großkonzerne zeigt das im Großen, aber es ist im Kleinen kaum anders.
Man muss der Wahrheit ins Gesicht sehen. So wie es aktuell läuft geht es nicht weiter. Jedenfalls nicht auf dem aktuellen Niveau mit professionell angestellten Entwicklern in unrentablen Bereichen. Weil Open Source in der Wahrnehmung eben doch wie Freibier ist.