Vor mehr als drei Jahren veröffentlichte Microsoft mit Windows 10 den nächsten großen Wurf des Konzerns. Nach den viel gescholtenen Versionen 8 und 8.1 stand man nun unter erheblichem Druck etwas zu liefern, das die Kunden überzeugte. Windows 10 soll das „letzte Windows“ sein, es folgt einem Rolling Release Modell mit eingefrorenen Schnappschüssen, die circa halbjährlich veröffentlicht werden.
Angesichts der Tatsache, dass Microsoft nun seit drei Jahren Windows 10 weiterentwickelt ist der Zustand erbärmlich. Das Betriebssystem ist strukturell, hinsichtlich der Benutzerführung und angesichts des hemmungslosen Abgreifens von Benutzerdaten eine Katastrophe. Zudem lässt auch die Qualität erheblich zu wünschen übrig.
Ein Abgesang in drei Akten
Der Benutzer zahlt mit seinen Daten
Windows 10 ist für Privatanwender kostenlos. Beim Neukauf eines Rechners oder Notebooks ist Windows wie gehabt dabei, aber auch bestehende Installation lassen sich kostenlos auf Windows 10 aktualisieren. Das ursprünglich mal anvisierte Zeitfenster hat Microsoft bis dato nicht wirklich geschlossen. Jeder der auch nur halbwegs ein Interesse an der neuen Version hatte konnte also drei Jahre lang kostenlos migrieren.
Dafür bezahlt der Anwender mit seinen Daten. Kein anderes Betriebssystem übertragt so hemmungslos Benutzerdaten an den Hersteller wie Windows und das lässt sich auch nicht vollständig abschalten. Microsoft schraubt zwar mit jedem halbjährlichen Upgrade an den Datenschutzeinstellungen, verspricht Besserung und mehr Transparenz – das Grundübel der nicht abschaltbaren Übertragung von Telemetriedaten beseitigt man jedoch nicht.
Viele Firmen betrachten Daten als Währung der Zukunft. Große Dienstanbieter wie Google, Facebook & Co generieren bereits seit langem große Datensammlungen mit ihren sozialen Diensten. Microsoft hatte hier lange geschlafen. Nun nimmt man scheinbar das einzige große Produkt, das man hat, um einen ähnlichen Vorrat an Daten anzulegen. Die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ist zweitrangig, denn die Zukunft von Microsoft liegt eh in der Cloud.
Gespaltene Persönlichkeit
Microsoft glaubte mal auf dem mobilen Markt Fuß fassen zu können. Windows sollte ein universales Betriebssystem werden, das sich überall einsetzen lassen sollte. Diese Idiotie verfolgen auch andere Entwickler (siehe: Kommentar: Konvergenz als Entwicklerfetisch) und bisher war niemand damit erfolgreich. Die wirklich erfolgreichen Betriebssysteme sind alle auf eine Endgerätegruppe spezialisiert. Heute ist offensichtlich, dass Microsoft mit dieser Strategie krachend gescheitert ist. 2018 ist bisher kein einziges Smartphone mit Windows 10 Mobile erschienen und auf Tablets und Convertibles fristet es ein Nischendasein. Windows ist und bleibt ein Betriebssystem für Desktops und Notebooks und wird mit diesen Geräteklassen sterben.
Nur die Anwender müssen bis heute mit den Folgen dieser Designentscheidungen leben. Windows 10 ist ein Zwitter zweier Geräteklassen und funktioniert auf beiden schlecht. Auf der einen Seite gibt es noch das klassische Windows. Superbar unten, Fensterrahmen und Startmenü. Programme wie der Dateimanager Explorer wurden gegenüber Windows 7 sogar erheblich verbessert. Auf der anderen Seiten gibt es die touchfixierten Systemeinstellungen und viele touchorientierte so genannte Apps aus dem App Store. Der Benutzer muss permanent zwischen beiden Welten hin- und her springen und funktionale Einschränkungen in Kauf nehmen. Jeder kann dies selbst ausprobieren, indem er mal versucht den Standarddrucker des Betriebssystems zu wechseln und diesen Vorgang zwischen Windows 10 und Windows 7 vergleicht. Eine Verbesserung ist das nicht und steht beispielhaft für viele derartige Probleme.
Viele Funktionen sind sogar doppelt implementiert wie die Sicherungspunkte von Windows 7 und die Backupfunktion von Windows 10.
Strukturelle Schwächen
Microsoft kann sich zudem nicht entscheiden, ob es den App Store nun als zentrale Distributionszentrale für Software haben will oder nicht. Neben Apps mit Touchfokus vertreibt man darüber auch klassische Desktopprogramme wie Microsoft Office, iTunes oder Spotify. Die meisten Programme werden jedoch weiterhin am Store vorbei via Installationsroutine ausgerollt – selbst die Microsoft-eigenen Lösungen.
Die direkte Cloudanbindung von Windows 10 beruht zudem auf dem Gedanken eine konvergente Arbeitsweise über die Betriebssystemklassen hinweg zu ermöglichen. Aufgrund des ausgebliebenen Erfolges im mobilen Bereich ist das jedoch eine sinnlose Idee. Man versucht jetzt via Apps für Android und iOS zu kompensieren, aber das sind gegenwärtig bestenfalls Designstudien.
Zusammengefasst
Windows 10 ist das letzte Windows. Microsoft macht deutlich, dass es sich mittel- bis langfristig vom Betriebssystemmarkt verabschieden möchte. Windows 10 nutzt man um die verblieben Nutzerbasis auszuwerten und langjährige Unternehmenskunden nicht zu verprellen. Den Kampf um die Endgeräte der Zukunft hat man längst verloren. Stattdessen baut man den Cloudsektor weiter aus und erfindet sich neu. Windows hat in dieser Welt nur noch eine nachrangige Bedeutung. Das merkt der Anwender an dem unausgegorenen Entwicklungsstand. Window 10 ist 3 Jahre alt und hat mehrere Minorupdates hinter sich. Ein Konzern mit einer derart üppigen Entwicklungsabteilung hätte es in dieser Zeit problemlos hingekriegt die anfänglichen Unzulänglichkeiten, strukturelle Schwächen und Redundanzen zu beheben – entsprechenden Willen vorausgesetzt. Dieser scheint nicht da zu sein.
Der Anwender lebt nun mit dem Ergebnis oder wechselt zu macOS oder Linux. Hoffnung auf Besserung sollte man jedoch nicht haben.