elementary OS – Wenigstens eine Vision für den Desktop

Ubuntu ist austauschbar – Linux ist auf dem Desktop aber noch nicht tot: Eine Präzisierung der Aussagen zur Entwicklung des Linux-Desktop anhand anhand von elementary OS. Deren Entwickler legen nun mit Juno eine Betaversion ihrer Desktop-Vision vor.

Vor einigen Wochen wurde her Ubuntu etwas überspitzt für überflüssig erklärt – möglicherweise wäre austauschbar die bessere Formulierung (siehe: Ubuntu – Wenn eine Distribution überflüssig wird). Man kann dieses Experiment selbst wiederholen indem man Fedora, CentOS, Debian und Ubuntu vergleicht. Jede dieser Distributionen liefert standardmäßig eine nur marginal angepasste GNOME Shell aus. Die Versionsstände unterscheiden sich zwar, aber das merken nur versierte Nutzer, die auf Feinheiten achten. Wenn Distributionen sich kaum unterscheiden sind sie austauschbar, je weiter weg von der Entwicklungswurzel sie sich befinden, desto überflüssiger sind sie. Fedora kann für sich in Anspruch nehmen Vorreiter bei wichtigen Entwicklungen zu sein, Debian ist dagegen das größte Community-Projekt. Ubuntu hatte hingegen mal eine Desktopidee – jetzt ist es nur noch ein Debian mit anderem Design und einer hohen Markenbekanntheit.

Ganz anders sieht dies bei elementary OS aus. Das Projekt ist mit einer Designvision und einigen angepassten Apps vor einigen Jahren gestartet und liefert nun eine vollständige Distribution aus. Elementary OS ist ein inoffizielles Ubuntu-Derivat. Genau wie Linux Mint beziehen de Entwickler die Ubuntu-Paketquellen ein und ergänzen diese mit Launchpad-Quellen, aus denen die eigenen Programme installiert werden. Gemäß der obigen Definition von Überflüssigkeit könnte man nun argumentieren, dass elementary OS genau dies sei. Im Unterschied zu den oben genannten Distributionen dient die Ubuntu-Basis jedoch lediglich der Fokussierung.

Die Entwickler von elementary OS haben nämlich eine Desktopvision für Linux entworfen, die sich vom restlichen Ökosystem komplett unterscheiden. Mit Pantheon verfügt die Distribution über einen eigenen Desktop, der von einem Ökosystem an eigenen Apps begleitet wird. Die Programme sind durchweg in Vala geschrieben und nutzen das GTK-Toolkit. Dadurch entsteht manchmal fälschlicherweise der Eindruck, dass es sich – wie beispielsweise bei Cinnamon – um einen GNOME-Fork handelt. Dies ist jedoch nicht der Fall!

Die Dateiverwaltung übernimmt ein Programm, dass in der deutschen Lokalisierung schlicht „Dateien“ heißt. Es gibt eigene Programme für Kalender, Mails, Musik, Video, Fotos, Editor und das Terminal. Dadurch entsteht ein konsistentes Benutzungsgefühl. Die Qualität der Apps unterscheidet sich, aber die Paketquellen lassen den Rückgriff auf andere Programme jederzeit zu. Lohnenswert ist das offizielle Blog über das regelmäßig neue Apps vorgestellt werden.

Besonders hervorzuheben ist neben dem Desktop und den zugehörigen Apps das App Center. Im Gegensatz zu GNOME Software, das Canonical Ubuntu beilegt, funktioniert das App Center hinreichend zuverlässig, führt den Anwender zu neuen Apps und hat sogar das geschafft was Canonical nie hinbekommen hat: Entwickler motiviert kostenpflichtige Apps bereitzustellen.

Das Designkonzept ist stark von macOS inspiriert. Die Leiste am oberen Bildschirmrand und das Dock sprechen da für sich – ebenso das reduzierte Design. Als macOS-Anwender muss man jedoch festhalten, dass es sich um keine plumpe Kopie handelt, sondern in gewisser Weise das beste aus beiden Welten vereint wird. Von macOS übernommen wurde das konsistente Design und die Logik des Desktops. Unter der Haube ist es natürlich ein vollumfängliches Linux-System und die Programme spielen auch die Linux-Stärken aus. Somit existiert keine enge Verzahnung mit Onlinediensten und das System bietet relativ viele Einstellungsmöglichkeiten.

Elementary OS ist nicht perfekt, lehnt sich manchmal zu stark an macOS an und Ubuntu ist möglicherweise nicht die am besten geeignete Basis. Entwicklungssprünge sind manchmal für Anwender schwer vorher zu sagen und Apps werden gelegentlich durch andere ersetzt. Die Entwickler haben jedoch definitiv eine Vision für ihren Linux-Desktop und schaffen es andere Entwickler dafür zu begeistern. Zahllose Programme wurden explizit für elementary OS und Pantheon entwickelt (und stehen natürlich auch sonst für Linux zur Verfügung). Begeisterung, Ideen, neue Wege – all das bringt Ubuntu nicht mehr. Es unterscheidet sich daher kaum noch von der Stammdistribution Debian. Damit ist man genau dort, wo man nie sein wollte.

Cruiz
Cruizhttps://curius.de
Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.

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