Ein Apfel in der Antarktis – Teilwechsel auf macOS

Das hiesige Betriebssystemökosystem war hier bisher stark in polaren Regionen angesiedelt. Linux und linuxbasierte Betriebssysteme bestimmten den Technik-Haushalt. Das war teilweise eine bewusste Entscheidung und hat sich teilweise auch einfach ergeben. Alternative Betriebssysteme wie Windows wurden nur in abgeschlossenen Bereichen wie einer Virtualbox eingesetzt – vor allem auch aufgrund von Sicherheitsbedenken. In dieses relativ homogene Ökosystem ist ziemlich ungeplant aber natürlich nicht gänzlich unüberlegt eine Bombe des Typs „MacBook Air“ und somit auch macOS eingeschlagen.

Ansprechende Notebooks vs. Linux

Im mobilen Bereich setzte ich seit Anfang 2015 auf ein Lenovo IdeaPad 330p. Im Grunde genommen war ich mit dem Gerät recht zufrieden, allerdings nicht mit der Qualität. Das erste Modell musste im letzten Januar nach mehreren Reparaturversuchen an den Verkäufer zurück und wurde durch ein neues Modell ersetzt. Dieses ist dann ganz unverhofft (und natürlich zum absolut schlechtesten Zeitpunkt) mit einem Defekt am Lüfter ebenfalls kaputt gegangen. Der Verkäufer war sehr kulant und erstattete sofort den Kaufpreis. Das ist der positive Teil der Episode.

Der negative Teil begann mit der Suche nach einem adäquaten Ersatzgerät. Das stellte sich ziemlich schnell als ziemlich schwierig heraus. Vor allem die Anforderung von einer Akkulaufzeit von mindestens 6 Stunden ließ die meisten Bewerber ausscheiden. Lenovo Consumer-Produkte sind vorerst keine Option mehr, zwei schlechte Erfahrungen reichen mir erst einmal. Der Preisrahmen wurde dann auf ungefähr 1 000 € angehoben, aber damit schieden natürlich immer noch High End-Modelle wie ein Thinkpad X1 Carbon aus.

Hinzu kommt, dass meine subjektiven Vorstellungen von gutem Design scheinbar in diametralem Gegensatz zu den Designansprüchen der meisten Linux-Nutzer stehen. Thinkpads finde ich in der Regel unfassbar hässlich und unhandlich. Die vielgelobten Vorzüge wie z.B. der Trackpoint erkenne ich persönlich nicht. Mir ist ein großes und vor allem gutes Touchpad sehr viel wichtiger. Andere Produkte schieden wegen der Hardware aus. Die NVIDIA Optimus-Technologie ist zwar eine interessante Kombination aus Leistung und Energieeffizienz, aber die Linux-Kompatibilität ist nur mit Krücken gewährleistet. So etwas stellt man sich nicht sehenden Auges auf den Schreibtisch.

Letztlich bleiben da nicht viele Möglichkeiten übrig und im Preis-/Leistungsverhältnis gewann dann das MacBook Air 13″. Die 13 Stunden Akkulaufzeit bei einem geringen Gewicht und einer ansprechenden Optik sprechen einfach für sich. Die weiteren Hardwarevorzüge müssen hier nicht ausbreitet werden, dazu gibt es genug Testberichte im Internet. Die Verarbeitung ist hervorragend, das Touchpad ausgezeichnet, die Tastatur hat einen knackigen Anschlag (wenn man diesen Tastaturtyp mag – am PC setze ich bereits seit Jahren eine Apple Aluminium Tastatur ein) und die inneren Werte (i5 Broadwell CPU, 8 GB RAM, SSD) sind auch in Ordnung. Nachteile gibt es natürlich auch. Die Auflösung ist eher unterer Standard, viele 13″ Modelle haben heute eine Full-HD Auflösung oder sogar mehr. Diesen Aspekt muss jeder für sich beurteilen. Eine hohe Auflösung ist zwar interessant, aber gerade auf kleinen Bildschirmen benötigt man oft einen Skalierungs-Mechanismus. Dieser funktioniert bei vielen Linux-Programmen noch nicht hinreichend zuverlässig und schon gar nicht Desktopübergreifend. Daher kann zumindest ich momentan sehr gut auf diese extremen Auflösungen verzichten.

macOS aus Linux-Perspektive

Warum überhaupt macOS?

Der Kauf eines MacBook Air war allerdings primär eine Entscheidung zugunsten der Hardware und weniger des Betriebsystems. Linux lässt sich schließlich auch auf einem MacBook installieren. Wegen der standardisierten Hardware gibt es hierzu zudem deutlich zuverlässigere Aussagen im Internet, als bei einer normalen Wald-und-Wiesen Hardware, bei der man nie sicher ist, ob man die gleiche Konfiguration wie der Tester auf dem Schreibtisch hat.

Die aktuelle Situation am Linux-Desktop ist jedoch ziemlich unbefriedigend – zumindest wenn man sie aus der KDE Plasma-Ecke betrachtet. Die Kubuntu 16.04 LTS ist qualitativ eher mittelmaß und die openSUSE Leap LTS steht wenige Monate vor der Veröffentlichung einer neuen Minorversion, die hoffentlich qualitative Mängel (vor allem von KDE Plasma) aus der ersten Version beheben wird. Die aktuelle Entwicklungsversion kann man dennoch noch nicht auf einem Produktivsystem einsetzen. Es ist daher momentan sehr schwierig eine stabile Distribution zu finden, die man guten Gewissens die nächsten Jahre einsetzen kann.

Außerdem gibt es immer wieder Phasen in denen die mangelnde Interoperabilität mit Quasi-Standards wie OOXML ein Problem darstellt. Man ist halt nicht in jeder Lebenslage der Herr des Dateiformats. Das ist kein Umstand, den man Linux oder LibreOffice anlasten kann, aber im Zweifelsfall bleibt einem da nur der Rückgriff auf Microsoft Office. Die Version MS Office 2016 läuft auf macOS hervorragend, das erspart einem dann wenigstens Windows.

Meine letzten Erfahrungen mit einem Mac-Betriebssystem stammen zudem noch aus der Zeit von Mac OS 9, sind also definitiv schon etwas betagter. Da Linux auf dem Desktop vor November (Release openSUSE  42.2) nicht sonderlich attraktiv ist wird das MacBook Air vorerst mit macOS betrieben.

Inbetriebnahme und erster Eindruck

desktop

Die Philosophie von Linux und macOS ist gar nicht so unterschiedlich – jedenfalls was den Leistungsumfang des Betriebssystems betrifft. Genau wie bei den meisten Linux-Distributionen enthält macOS nach der Installation (macOS ist vorinstalliert, daher trifft es Einrichtung des Benutzeraccounts natürlich besser) eine Reihe vorinstallierter Programme für alle gängigen Aufgabenbereiche.

Positiv ist ebenfalls, dass man nicht zwingend eine Apple-ID braucht um macOS zu nutzen. Bei Windows 10 muss man schon Klimmzüge machen um den Microsoft-Account zu umgehen. Für Linux-Nutzer ist es natürlich eine Selbstverständlichkeit keinen Firmenaccount für die Nutzung des OS zu benötigen.

Manche versuchen ja unter jedem Betriebssystem mit den gleichen Programmen zu arbeiten. Gerade mit Firefox oder Thunderbird klappt das auch sehr gut. Ich versuche im Gegensatz dazu mit den Hausmitteln des jeweiligen Systems zurecht zu kommen. Das minimiert den Einrichtungsaufwand und ist auch selten ein Problem, so lange man die richtigen Dienste verwendet. Dazu später mehr.

Die Apple Programme sind größtenteils von solider Qualität, zumindest hinsichtlich Stabilität und Funktionsumfang. Überhaupt sind viele sinnvolle Funktionen bereits in das Betriebssystem integriert und lassen sich so mühelos nutzen. Mit den E-Mail und Organisationsanwendungen kann man definitiv arbeiten und Safari ist ein flinker Browser, der keine größeren Schwächen zeigt. So lange man im Bereich der Apple-Programme (und nicht nur hier!) bleibt, interagieren diese auch hervorragend miteinander und sind gut in die jeweiligen Funktionen der Betriebssystemoberfläche eingebunden. Unter Linux kennt man das sonst nur von KDE, bei Windows ist es eher die Ausnahme als die Regel, da harmoniert manchmal noch nicht mal das hauseigene Office mit dem OS.

Ein Totalausfall ist die Apple-Officesuite – zumindest für Anwender die professionell mit Textverarbeitung arbeiten müssen und nicht nur privat ein paar Briefe scheiben. Dies ist aber hinlänglich im Internet nachzulesen und es war somit von vornherein klar, dass MS Office notwendig ist. Wenigstens steht letzteres auch zur Verfügung, somit hat man zumindest Alternativen.

Die Oberfläche ist zudem optisch ansprechend. Apple hat das Design im Gegensatz zu früher verdeutlich abgeflacht, allerdings nicht aller 3D-Elemente beraubt. Schön ist zudem, dass die Designrichtlinien auf von Drittprogrammen beherzigt werden, wodurch ein durchgehendes Benutzungserlebnis entsteht. Sogar Java-Programme fügen sich gut ein. Ein vergleichbares Nutzungserlebnis lässt sich bei Linux nur erreichen, indem man konsequent auf ein einziges Toolkit setzt. Außerdem legen Mac-Entwickler mehr wert auf ein gutes Oberflächendesign. Selbst die freien Programme sind hier qualitativ deutlich besser, während bei Linux die Oberfläche – gelinde gesagt – eine nachrangige Bedeutung hat.

Offene Schnittstellen

Wie bereits geschrieben arbeite ich gerne mit den Bordmitteln des jeweiligen Betriebssystems. Das klappt natürlich nur wenn man die benutzten Dienste adäquat einbinden kann.

Als ich vor vielen Jahren von Windows zu Linux wechselte, war das nicht nur ein Bruch mit eingefleischten Nutzungsgewohnheiten, sondern auch mit den genutzten Diensten. Als langjähriger Windows-Nutzer hatte ich mich in ein Gefängnis aus Diensten begeben (Exchange & Co), die außerhalb nicht funktionierten. Das kann man theoretisch bei jedem Betriebssystem aufs neue machen, auch die meisten Linux-Distributionen/-Oberflächen haben ihre Alleinstellungsmerkmale. Stattdessen setze ich seitdem konsequent auf Dienste und Programme, die offene Standards und Schnittstellen unterstützten. E-Mail via IMAP, Kalender und Kontake wie Cal/CardDAV, Clouddienste via WebDAV usw. usf.

schnittstellen

Im Gegensatz zu Microsoft unterstützt Apple diese Schnittstellen bei seinem Betriebssystem und Programmen vollumfänglich. Mit wenigen Handgriffen ließ sich so mein gesamter Arbeitsablauf auf macOS nachstellen.

Einstellungvielfalt

systemeinstellungen

Auch wenn ich versuche mit den vorinstallierten Programmen der meisten Betriebssystem zurecht zu kommen, bedeutet das nicht, dass ich alle Einstellungen so lasse wie ich sie vorgefunden habe. Eine grundlegende Verhaltensweisen sind mir derart wichtig, dass ich nicht ohne sie arbeiten kann (das Dock gehört nach links!), andere Sachen wie das Erscheinungsbild sind auch wichtig (Dauerhafte Transparenz nervt z. B. enorm!).

Die Entwicklung von GNOME 3 wurde in den vergangenen Jahren oftmals mit macOS verglichen. Die GNOME-Entwickler hechelten vermeintlich Apple hinterher um eine einfache Oberfläche zu erstellen. Was für ein Käse! Die Einstellungsvielfalt von macOS ist eher mit KDE zu vergleichen, als mit GNOME. Die Optionen sind zahlreich und man kann wirklich viel an seine persönlichen Bedürfnisse anpassen.Ähnlich wie bei KDE muss man den richtigen Schalter nur manchmal suchen. Wieder mal zeigt sich, dass eine gute Vorkonfiguration viel wichtiger ist, als wenige Einstellungsmöglichkeiten. Man muss die Systemeinstellungen bei macOS nicht zwingend aufsuchen, vieles funktioniert von Haus aus sehr gut und ist sinnvoll einstellt. Wenn man es aber ändern möchte, werden einem keine Steine in den Weg gelegt. Welch ein Unterschied zu Unity, GNOME 3 & Co.

Wahlfreiheit bei Programmen

Open Source wird oft mit Freiheit assoziiert. Das ist nicht ganz falsch, aber unter Linux beschränkt sich diese Freiheit meist darauf freie Programme zu verwenden. Der erste Eindruck ist, dass man bei macOS deutlich mehr aus dem vollen Schöpfen kann. Es gibt eben auch die wichtigen proprietären Programme (jaja mal wieder MS Office), gleichzeitig hat man aber auch Zugriff auf den Pool der freien Softwarewelt. All die Programme die man unter Linux lieb gewonnen hat stehen auch zur Verfügung: LibreOffice, KeePass, GPG, BibTex, Zettelkasten & Co. Im Grunde genommen bedeutet das für den Endanwender mehr Freiheit.

Paketverwaltung verzweifelt gesucht

Das waren jetzt viele positive Aspekte, aber es gibt auch einige schwerwiegende Nachteile. Die Paketverwaltung ist bekanntermaßen ein Alleinstellungsmerkmal der freien Betriebssysteme. Apple verfolgt dagegen den Ansatz, dass ein Programm alle notwendigen Bibliotheken etc. mitbringen muss. Unter Linux gibt es momentan mit Flatpack & Co ähnliche Bestrebungen. Bei heutigen Festplattenkapazitäten ist das auch nicht mehr so ein Problem, wobei der Linuxansatz eigentlich ökonomischer ist. Allerdings hatte man in den letzten Jahren einen App Store etabliert, der funktional eigentlich für den Endanwender das gleiche bieten sollte wie die Paketverwaltung unter Linux. Eben einen zentralen Punkt zur Installation von Programmen.

Dieser App Store ist allerdings eine schwere Enttäuschung. Inkompatibiltäten zwischen der GPL und den Apple-Vorschriften führen dazu, dass freie Programme fast gar nicht über den App Store vertrieben werden können (Duallizenzisierte Projekte ausgenommen) und auch viele Entwickler proprietärer Programme meiden den Store. Letzteres vermutlich wegen der Vorschriften und der Umsatzbeteiligung für Apple.

Im Endeffekt muss man in alter Windows-Manier seine Programme im Internet zusammen suchen, manuell installieren und pflegen. Als langjähriger Linuxnutzer weiß man da wieder die Vorzüge der Paketverwaltung zu schätzen!

Zusammengefasst

Die Hardware des MacBook Air ist hervorragend – jedenfalls wenn man nicht ein ThinkPad für das Maß aller Dinge hält – und erfüllt die Erwartungen, die man an einen mobilen Arbeitsbegleiter hat. Das Betriebssystem ist gut und man fühlt sich als langjähriger Linux-Anwender schnell heimisch. Vieles funktioniert ähnlich und die meisten Schnittstellen werden ebenfalls unterstützt. MacOS ist aber auch keine Offenbarung und ich hege deshalb auch keine Pläne Linux langfristig den Rücken zu kehren. Vorzüge wie die Paketverwaltung und die Freiheit das System bis ins kleinste Detail selbst konfigurieren zu können treiben einen doch immer wieder zurück zum Pinguin.

Cruiz
Cruizhttps://curius.de
Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.

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