Das so genannte papierlose Büro ist der nächste heiße Trend seit Jahren, damit hat es was mit Linux auf dem Desktop gemein. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich im Beamtenland Deutschland flächendeckend durchsetzt, kann man wohl auch mit den Chancen von Linux auf dem Desktop vergleichen. Leider kann man auch nicht jedes Dokument scannen und wegschmeißen, einiges muss man in Papierform aufbewahren. Vieles aber auch nicht, weshalb mein Technik-Vorsatz für das Jahr 2015 die Umstellung auf weitestgehend papierlosen Bürobetrieb ist.
Empfehlungen sind da immer schwer zu geben. Während manche nur ein paar Rechnungen im Briefkasten finden, haben andere ein Home-Office und mancher Dokumentenmessie hat sogar noch die Strafzettel von 1995 fein säuberlich abgeheftet. Ausschlaggebend für meine Entscheidung war ein Umzug und gefühlte 200 Ordner, die von einem Keller in den nächsten gewandert sind. Für meinen nächsten Umzug möchte ich mir das gerne ersparen.
Die Hardware
Ein Scanner mit Einzug ist natürlich Pflicht, aber auch hier ist das Angebot äußerst vielfältig und die Preisspanne reicht von wenigen hundert Euro bis zum Mond. Linux-Nutzer müssen nebenbei noch die Treibersituation überprüfen, die von vielen Herstellern bewusst verschleiert nicht eindeutig beschrieben wird. Hier auf dem Schreibtisch steht nun mit dem Brother ADS 2100 eher ein Einsteigergerät, aber das muss jeder selbst entscheiden. Ausschlaggebend für Brother waren (neben den guten Erfahrungen mit einem Drucker desselben Herstellers) die direkt vom Hersteller für Linux angebotenen Treiber.
Das Gerät gibt es mittlerweile in diversen Online-Shops für relativ schmales Geld und bietet alle Funktionen, die ich mir so wünsche:
- Offizielle Linux / SANE Treiber
- Duplex-Scanner
- Ein ADF-Fach mit Platz für 50 Seiten
- Keine Hochglanzoberflächen (außer die Oberseite der Klappe)
- 600 dpi Auflösung (mehr kann mein Drucker auch nicht)
Ganz einfach macht es Linux einem trotz Hersteller-Treiber mal wieder nicht. Neben den auf der Homepage von Brother angebotenen Treibern für SANE muss man noch die Regeln für udev anpassen, damit der Scanner auch für normale Nutzer zur Verfügung steht. Debian/Ubuntu Nutzer können dafür ein Paket von Brother nutzen, alle anderen müssen manuell die richtige Datei bearbeiten. Steht zwar alles auf der Homepage, aber wenn man das erste Mal einen Scanner unter Linux betreibt, ärgert man sich doch über die Komplexität. Das erinnert an die Drucker-Installation unter Linux im Jahr ~2005.
Nachdem man diese Hürde hinter sich gebracht hat, funktioniert der Brother ADS 2100 hervorragend mit Linux und lässt keine Wünsche offen. Selbst verknitterte oder ehemals zusammen getackerte Papiere scannt er ohne Problem ein. Lediglich die Lautstärke hatte ich im Vorfeld unterschätzt. Aber man scannt ja nicht den ganzen Tag. Im direkten Vergleich zu professionellen Bürogeräten muss man zwar einige Abstriche machen, insbesondere was den fehlerfreien Einzug großer Mengen Papier betrifft, aber hier besteht auch eine Preisdifferenz von mehreren hundert Euro.
Die Software
Für die Scan-Software gilt immer noch der Satz aus dem ubuntuusers-Wiki:
Leider sind Scannerprogramme unter Linux nicht vergleichbar zu den Programmen, die man unter Windows kennt. Es fehlen durchweg wichtige – professionelle – Funktionen (z.B. Entrastern oder Staub/Fleckenentfernung).
Quelle: ubuntuusers-Wiki: Scanner
Das KDE-Programm skanlite eignet sich eigentlich nur für Flachbettscanner, da es weder mehrseitige Scans unterstützt, noch im PDF-Format speichern kann. Das Programm ist allerdings wenigstens so eindeutig unzureichend, das man es gar nicht erst in die nähere Wahl nehmen muss. Der Klassiker unter den Scan-Programmen für Linux ist sicherlich XSane. Ein Programm, bei dem man versteht weshalb so viele Linux-Nutzer glauben, dass die Konsole immer besser als jede GUI ist. Jeder noch so kryptische Befehl ist einfacher zu handhaben, als die Oberfläche von XSane mit seinen perfekt versteckten Optionen und vielen Fenstern. Gnome-Nutzer können Simple Scan verwenden. Für den Regelbetrieb bietet es genug Optionen und ist hinreichend einfach zu bedienen.
Wer mehr Optionen benötigt, sollte sich gscan2pdf ansehen. Ein in Perl geschriebenes Programm mit Gtk-Oberfläche, das bei allen Distributionen in den Paketquellen zu finden sein dürfte.
Debian / Ubuntu
# apt-get install gscan2pdf
openSUSE
GScan2PDF ist lediglich im Publishin OBS-Repo (siehe die Paketsuche). Dieses muss zusammen mit dem Perl-Repo im entsprechenden YaST-Modul hinzugefügt werden. Danach kann man GScan2PDF installieren.
Hinweise
Die empfohlenen Abhängigkeiten sollten vor allem KDE-Nutzer unter Debian und Kubuntu abschalten, da man sonst Gefahr läuft sich unnötigerweise eine halbe Gnome-Umgebung auf die Festplatte zu holen.
Für die OCR-Texterkennung sollte man zusätzlich noch die Tesseract Pakete installieren. Tesseract wird inzwischen federführend von Google entwickelt und bietet eine relativ gute Texterkennung, ohne die in einem papierlosen Büro nichts funktioniert.
Der Dialog von gscan2pdf lässt einen eigentlich alle nötigen Einstellungen treffen. Besonders beachten muss man die im Reiter Mode festgelegte Auflösung, die standardmäßig mit 200 dpi zu niedrig angesetzt ist.
Ablage und DMS
DMS (Dokumenten Management Systeme) gibt es wie Sand am Meer und auch für Linux ist das Angebot nicht schlecht. Je nach Papieraufkommen und Anzahl der zugreifenden Benutzer/Rechner muss es aber nicht immer ein DMS sein. Ein funktionierendes DMS ist natürlich erst einmal einer einfachen Ablage via Ordnerstruktur überlegen. Die Entscheidung für ein papierloses Büro ist aber eine Festlegung auf viele Jahre und kaum eine Software wird ewig entwickelt. Die Gefahr am Ende eine Datenbank zu haben, die man nicht mehr ohne weiteres lesen kann oder deren Exportfunktion zumindest verlustbehaftet ist, dürfte immens sein.
Hinzu kommt, dass moderne Betriebssysteme und Desktopumgebungen inzwischen sehr gute Suchfunktionen und Dateimanager haben. Eine gute Verschlagwortung der Dateien im Titel und eine wohl überlegte Ordnerstruktur, kann in Kombination mit einer Suche wie KDE’s Baloo ein DMS ersetzen. Die fehlenden Funktionen kompensiert die Gewissheit, dass die eigene Ordnerstruktur sich notfalls auch mit geringen Verlusten auf andere Systeme übertragen lässt.
Ein papierloses Büro erfordert natürlich umso mehr Aufmerksamkeit für Verschlüsselung des Systems, sowie der Backupmedien (siehe: Verschlüsselung – Eine Übersicht) und über eine sinnvolle Backup-Verwaltung. Für letzteres würde ich zur Zeit BackInTime empfehlen. Das kann übrigens auch verschlüsselte Backups erstellen, allerdings nur mit EncFS, was wohl nicht allzu sicher ist.
Ist zwar ein alter Artikel, aber könntest du deine „einfache“ Verzeichnistruktur offenlegen? Ich verzettel mich da immer.
Es sind zwei Strukturen:
Normale Dokumente:
Dokumentenarchiv/Jahr/Kategorie/Dateiname.pdf
Bei Kategorien steht so etwas wie Finanzen, Rechnungen, Versicherungen. Nahezu identisch für jeden Jahrgang.
Wissenschaft ist eine andere Baustelle. Dort meist:
Texttyp/Autor/Jahr/Kurztitel.pdf
Vielen Dank. Witzigerweise habe ich für die „Normalen Dokumente“ fast die gleich Struktur. Nur das Jahr und Kategorie vertauscht sind:
`Document/Category/Year/Dateiname.pdf`
Aber irgendwie bin ich damit nicht glücklich. Ich probiere mal das Jahr nach vorne zu packen und gucke mal wie sich das „anfühlt“.
Ich glaube eine perfekte Struktur gibt es nicht. Ich kann mit dieser sehr gut arbeiten und mache das auch seit vielen Jahren. Es sind bei mir aber bisher auch nur knapp 10k an Daten aufgelaufen. Ich weiß nicht, ob das System bei Datenmengen von mehreren tausend Dokumenten pro Jahr nicht an seine Grenzen geraten würde.
DMS haben natürlich Vorteile aber ich fürchte wirklich den Lock-in Effekt einer solchen Lösung. Das gilt ebenso wie spezifische Lösungen freier Projekte wie die Tags in Dolphin etc.
Ist bei mir auch nur für den privaten Gebrauch.
Mein Ziel ist es wirklich mit einer einfachen Dateistruktur auszukommen. Für Lock-In Effekte ist mir meine Lebenszeit zu Schade. Bin schon seit Monaten in der Migration weg von Apple. Aber das ist halt auch nicht mein Vollzeit-Job.
Und außerdem gilt für micht noch immer der Spruch:
„Der Feind des Guten ist das Perfekte“