Kommentar: Wenn die Anwender sich verweigern

Linux auf dem Desktop hat eine besondere Anwenderschaft um sich versammelt. „Besonders“ deshalb, weil jeder Linuxanwender sich irgendwann einmal bewusst für Linux entschieden hat. Ganz im Gegensatz zu Wiindows, das einfach beim gekauften Gerät mit dabei war. Ähnliches lässt sich vielleicht noch für die Mac OS X-Nutzer sagen, allerdings mit Einschränkungen. Schließlich hat man hier nur allzu oft einen Apple gekauft und sich nicht aktiv für das OS entschieden. Diese Entscheidung scheint bei vielen das Gefühl erzeugt zu haben, dass sie über die Entwicklung „ihres“ Betriebssystes mitentscheiden können.

Diese Entwicklung wurde bei zwei sehr unterschiedlichen Distributionen in der jüngeren Vergangenheit deutlich. Zuerst bei Debian und nun bei openSUSE. Im Fall von Debian führte die Entscheidung nach langem Zögern auf systemd als Init-System zu wechseln, zu einem fast beispiellosen Konflikt in den Kommunikatonskanälen. Die zur Zeit noch  anhaltende Debatte bei openSUSE wurde ausgelöst durch die Entscheidung keine 32bit Version der kommenden „Leap“ Version zu veröffentlichen.

Beide Debatten eint, dass die den Normalanwender kaum tangieren. Der normale Anwender bekommt vom Init-System kaum etwas mit und 32bit-Hardware wird seit mindestens 5 Jahren nicht mehr verkauft.

Dennoch werden strukturelle Entscheidungen der Distributoren kritisiert und lauthals das Ende von Linux prophezeit. In beiden Fällen wird die sinnvolle Debatte über Funktionen des zukünftigen Releases von einer inhaltlich nachrangigen Auseinandersetzung überlagert.

Eventuell ist das gegenwärtige „Durchwurschteln“ von Ubuntu, d.h. ein Fortentwickeln der Distribution ohne substanzielle Neuerungen, nur die konsequente Schlussfolgerung aus einer „Nutzeröffentlichkeit“, die jeder Veränderung ablehnend gegenübersteht und den status quo verehrt.

Hier unterscheidet sich die Linux-Anwenderschaft substanziell von den öffentlich auftretenden Nutzern anderer Betriebssysteme. Apple-Nutzer sind möglicherweise das andere Extrem, aber das Echo auf Entwicklungen bei Microsoft ist durchaus differenzierter. Fehlentwicklungen wie bei Windows 8 und 8.1 wurden kritisiert, aber Korrekturen in der Entwicklung bei Windows 10 mit einem positiven Echo honoriert.

Anders bei Linux. Egal um weche Desktopumgebung oder Distribution es geht. Das negative Meinungsbild in den Komentarspalten ist vorprogrammiert. Diese Nutzer verweigern sich jeder rationalen Argumentation und betrachten jede Entwiclung als Angriff auf ihren „Besitzstand“. Manchmal fragt man sich ob diese Nutzer, am liebsten noch Disketten auf ihrem DOS-System tauschen wollen.

Dabei ist ziemlich offensichtlich, dass es sich um eine kleine, aber lautstarke Minderheit handelt. Der systemd-freie Debian-Ableger devuan hat bis heute keine stabile Version veröffentlicht und die Entscheidung von Red Hat und SUSE Linux ihre aktuellen Enterprise-Versionen 7 respektive 12 nur noch für 64bit-Hardware zu bauen, hat beide Hersteller offensichtlich nicht in die Pleite getrieben.

Es bleibt zu hoffen, dass die Entwickler und Distributoren sich nich von diesen Tendenzen abschrecken lassen und weiterhin Neuerungen veröffentlichen und notwendige strukturelle Entscheidungen treffen.

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