Wenn das Thema auf Literaturverwaltung & Co kommt, kann man eigentlich nur vom Einsatz von Linux abraten. Literaturverwaltung, Wissensmangement und alles was damit zusammen hängt gehört nicht zu den Stärken des Linux-Desktops. Man muss schon enorme anderweitige Vorteile durch den Einsatz von Linux erzielen, damit man die Abstriche in diesem Bereich in Kauf nimmt. Die beiden großen Platzhirsche des Bereiches, EndNote und Citavi, lassen sich nicht unter Linux einsetzen. Für Citavi gibt es zwar eine Wine-Lösung, basierend auf der älteren Version 3.x, aber das kann je nach Wine- und/oder Citavi Update auch wieder nicht funktionieren. Ein Zustand, der bei langfristigen Projekten nicht in Frage kommt. Zumal man sich von einer Lösung abhängig macht, da der Im- und Export der Daten immer verlustbehaftet ist.
Der geneigte Anhänger der Unix-Philosophie würde hier zwar mit Phrasen um sich werfen um die Diskussion im Keim zu ersticken (“Schreibe Computerprogramme so, dass sie nur eine Aufgabe erledigen und diese gut machen.“). Das Problem ist nur, dass man Citavi noch nicht mal mit drei Softwarelösungen unter Linux ersetzen kann. Nun aber genug der Worte über nicht vorhandene Software und Philosophien, deren aktuelle Auslegungen zum Ziel haben den Status quo zu zementieren.
Möglichkeiten der Literaturverwaltung unter Linux
Dadurch bleiben für den Linux-Desktop eigentlich nur zwei bzw. drei Lösungen übrig. Erstens webbasierte Lösungen, ggf. mit einem lokalen Client (z.B. Mendeley), zweitens Frontends für das BibTeX Format (z.B. JabRef oder KBibTeX) und drittens Zotero. Letzteres gibt es als Firefox-Addon oder als Standalone-Version. Alle Lösungen sind mit enormen Abstrichen gegenüber den führenden Windows-Produkten zu nutzen, aber eine dauerhafte Literaturverwaltung in einer virtualisierten Windows-Umgebung ist ebenfalls mit deutlichen Komfortverlusten verbunden und deshalb keine wirkliche Alternative.
Die für Linux vorhandenen Softewarelösungen haben alle Stärken und viele Schwächen:
- Die mächtigste Lösung ist hier zur Zeit Zotero. Dieses kann Literatur verwalten, zugehörige Notizen sicher gruppieren und an Literaturtitel angehängte Dateien verwalten. Zudem gibt es eine Reihe von Addons (z.B. für Microsoft Office und LibreOffice) und Zitationsstilen, die eine schnelle Übernahme in das Office-Programm der Wahl ermöglichen.
- Mendeley spielt seine Stärken hingegen eher in der PDF-Verwaltung aus. Durch die Synchronisation von Anmerkungen über den Webaccount, ist es vor allem für PDF-gestützte Arbeiten von großem Wert. Wer hingegen klassisch mit Büchern (das waren diese in Leinen gebundene Dinger, mit Papier dazwischen) und Kopien arbeitet, wird mit Mendeley kaum Freude haben.
- Die klassischen BibTeX-Lösungen bieten am wenigsten Komfort und fokussieren sich primär auf die Verwaltung von Literaturtiteln. Der Programmumfang von JabRef (Java-basiert, plattformübergreifend) und KBibTex (KDE-Program) ist hier annähernd identisch. Dafür haben sie den Vorteil, dass sie anstelle einer kryptischen Datenbank ein lesbares Dateiformat ausgeben, dass hinreichend standardisiert ist. Gerade bei Projekten, die über viele Jahre gehen, ist das ein unschlagbares Argument. Man möchte ja nicht wie manch altgedienter Wissenschaftler enden, der erstmal seine virtualisierte Windows 95 Umgebung startet, wenn er die Literaturdatenbank durchsuchen will.
Synchronisation und Datenschutz
Die Welt war noch so einfach, als man nur einen PC hatte. Man hatte seine Literaturdatenbank zwar nicht immer dabei, aber dafür wenigstens auch nur eine Version selbiger. Den Rest erledigte man mit Papier und Stift und trug es bei Gelegenheit ein. Das kann man theoretisch auch heute noch so machen, aber in Zeiten, in denen man eine wachsende Anzahl an Endgeräten sein Eigen nennt, erwartet man etwas mehr von seiner Literaturverwaltung. Zumal, da die Übertragung von Titel mühevoll und zeitfressend ist. Dies ist übrigens ein Punkt, in dem auch Citavi nicht glänzt. Zwar kann man die Software auf mehreren Geräten installieren (oder portabel), aber man hat dennoch immer nur eine Datenbank, die man nach jedem Arbeitsvorgang übertragen muss. Eine automatische Cloudsynchronisation funktioniert aufgrund des automatischen Speichersystems nicht. Letztlich hat man dann immer genau auf dem Gerät, an dem man gerade sitzt keine aktuelle Datenbank.
Wo wir auch schon beim Thema wären. Die Lösung der Wahl ist meist eine Synchronisation über die Hersteller-eigene Cloud. So zumindest bei Zotero, EndNote und Mendeley. Das Problem ist hier offensichtlich. In einer gut gepflegten Literaturdatenbank besteht je nach Wissenschaftzweig annähernd die ganze Arbeitsleistung. Diese Daten in die Cloud zu schieben, ohne genau zu wissen was die Hersteller damit anfangen ist waghalsig. EndNote ist ein kommerzielles Produkt und lässt sich nach Lizenzen bezahlen, Zotero wird nach besser Open Source Manier an einer Universität entwickelt, aber z.B. Mendeley (oder andere Freemium-Produkte) gehört einem Verlag und muss irgendwann mal Geld erwirtschaften. Hier ist es wie bei vielen anderen Bereichen: Bezahlt man keine Euros, bezahlt man mit seinen Daten.
KBibTex
Wer KBibTeX nutzen möchte, sollte sich entweder eine Distribution suchen, die nicht von Debian abhängt, oder gleich selbst kompilieren. Der Entwickler macht zwar nur kleine Versionssprünge 0.x, aber die Unterschiede zwischen 0.4 und 0.5 sind gewaltig. Leider hat das Debian Science Team es in zwei Jahren nicht geschafft, die Version anzupassen. OpenSUSE Nutzer können eine dauerhaft aktuelle Version über das KDE Extra Repo beziehen und Fedora-Anwender über die regulären Updates. CentOS/Scientific Linux/RHEL-Anwender müssen sich bei Fedora bedienen. Das sollte aber aufgrund der schmalen Abhängigkeiten kein Problem sein.
An diesem Punkt kommt das gute (alte) BibTeX Format ins Spiel. Die Datei lässt sich Problemlos auf dem heimischen Cloudspeicher ablegen und darüber synchronisieren. Diese Lösung liegt so nah, wird aber oft nicht gesehen oder durch die Programme und ihre fixen Dateipfade torpediert. Insbesondere bei KBibTeX¹ lassen sich angehängte Dateipfade relativ zur Datenbank angeben, wodurch die Struktur (und integrierte Vorschau) auch bei größeren Umstrukturisierungsvorgängen erhalten bleibt. Die Dateibenennung bleibt zwar Handarbeit, aber ein bisschen händische Verwaltung schadet nicht, weil man dadurch die Kontrolle behält. Nichts ist ärgerlicherer, als eine undurchsichtige Ablagestruktur, die bei einem Ausfall des Programms vollkommen unverständlich ist (selbst wenn man die PDFs noch einzeln aufrufen kann).
Mit KBibTex lassen sich sich zudem verschiedene .bib Datenbanken einfach verwalten, was die komplexe Kategoriestruktur von Citavi wenigstens teilweise ersetzen kann. So lässt sich zwischen verschiedenen Datenbanken hin- und herwechseln und Literaturtitel beliebig verschieben.
Als KDE-Programm besteht KBibTex aus einer Reihe frei platzierbarer Elemente (Reference Preview, Document Preview, List of Values, List of Document etc. pp.)., die sich je nach Bildaufschirmformat und Auflösung beliebig anordnen lassen. Meiner Ansicht nach ist dies die einzige zeitgemäße Lösung, da ein Programm bei derselben Platzaufteilung einfach nicht gleichzeitig auf einem 24″ Monitor und einem Notebook mit mieser 1368er Auflösung gut funktionieren kann.
Mit KBibTeX bewegt man sich nach Jahren mit Citavi zwar gefühlt in der Literaturverwaltungs-Bronzezeit (Steinzeit waren die Karteikarten), aber wenigstens kann man sich damit trösten, ein Format zu verwenden, das einen voraussichtlich nicht in wenigen Jahren im Stich lässt oder vollständig von einer Firma abzuhängen. Wissensmanagement muss man leider anderswo betreiben, aber das sind halt die Limitierungen des Linux-Desktops mit denen man entweder leben kann, oder zu Windows / MacOSX wechseln muss.