Die eigene digitale Identität zu schützen ist mühsam und in Zeiten, da Big Data zur Ressource wird, erscheint Datenschutz / Datensparsamkeit wachstumshemmend. Wer für digitale Bürgerrechte einsteht muss sich permanent mit dem Vorwurf aussetzen, dass ein rechtschaffener Bürger doch nichts zu verbergen habe. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall: Personen, die so argumentieren haben nicht begriffen welches Risiko große Datenmengen mit sich bringen und welche Auswirkungen der Kontrollverlusts über die eigenen Daten hat.
Das Ausmaß und die daraus entstehenden Folgen der Digitalisierung werden gesellschaftlich immer noch zu wenig reflektiert, staatliche Überwachung in demokratischen Systemen nach wie vor unterschätzt und die Folgen der Monopolisierung in der Digitalwirtschaft kaum durch bestehende Gesetze und Institutionen kanalisiert.
Dabei hinterlassen wir als Nutzer zunehmend mehr Datenspuren. Angefangen mit Desktop-PC und Laptop, reichern seit einigen Jahren Smartphones den Datenpool an. Mit dem aufkommenden Internet of Things (IoT), Fitnesstracker, Smart-TVs, intelligenten Lautsprechern und dem gesamten Komplex des Smart Home wächst der Pool an Datensammlern in unserem persönlichen Umfeld stetig an. Hinzu kommt die Digitalisierung der Mobilität durch immer vernetztere Fahrzeuge, sowie die Digitialisierung im ÖPNV und dem Fernverkehr in der Luft und auf der Schiene. Denn die erhobenen Daten werden von Unternehmen gesammelt, ausgewertet und ggf. weiterverkauft. Der eigentlich logische Ansatz, dass der Besitzer der Geräte gleichzeitig auch Inhaber der generierten Daten ist hat sich leider noch nicht durchgesetzt.
Politische Rahmenbedingungen

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Die von der Politik bestimmten Rahmenbedingungen für Datenschutz entwickeln sich für den Endverbraucher seit Jahren tendenziell negativ. Nicht genug, dass bestehende Gesetze zu langsam an die neuen digitalen Entwicklungen angepasst werden. Teilweise findet ein Rückbau des rechtlichen Schutzes statt. Offensichtlich und medial breit diskutiert werden die verschärften Überwachungsmaßnahmen im Zuge des Antiterrorkampfes, wie z.B. der Ausbau der Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen.
Im Hintergrund werden aber bereits seit vielen Jahren Standards abgesenkt und Unternehmen ein umfassenderer Zugang zu Kundendaten zu gewähren (EU-Datenschutzreform). Die allgegenwärtige Überwachung durch große IT-Konzerne ist dabei möglicherweise noch bedrohlicher als staatliche Überwachung, da erstere keinerlei Transparenz gewähren müssen.
In jüngster Zeit hat die DSGVO und die Diskussion über die Monopole der IT Giganten eine leichte Gegenbewegung ausgelöst, bei der sich noch zeigen muss, ob sie weltweite Bedeutung entfalten kann oder Europa im digitalen Raum isoliert.
Digitalisierung

Verändertes Kommunikationsverhalten – langsame Gesetzesanpassung
Während die Gesetze die Kunden zunehmend weniger schützen bzw. mit den Anforderungen der Gegenwart nicht mehr Schritt halten können, verändert sich die Kommunikation rasant. Sie erfolgt heute hauptsächlich digital: E-Mails sind längst im Alltag angekommen und werden exzessiv genutzt. Ergänzt wird dies durch Videotelefonie und Kurznachrichtendienste.
Diese Kommunikationsformen sind kaum abgesichert. E-Mails sind technisch nur so sicher wie eine Postkarte und lassen sich auf dem Übetragungsweg an zentralen Knotenpunkten jederzeit abgreifen. Sie lassen sich im Gegensatz zu herkömmlicher Post auch deutlich leichter nach Selektoren durchsuchen, da E-Mails schon vom Prinzip her komplett digital vorliegen. Bei den meisten anderen Kommunikationsdienste werden zwar Inhalte verschlüsselt, aber die Metadaten bleiben ungeschützt.
Daten
Nicht nur das Kommunikationsverhalten hat sich verändert, sondern auch die Art und Weise, wie wir mit Daten umgehen. Anstelle vieler Aktenordner in der eigenen Wohnung oder dem Büro, liegen immer mehr Daten digital vor und lassen sich somit auch leichter abgreifen. Bereits der physische Diebstahl eines Notebooks oder Smartphones stellt hier eine echte Bedrohung der eigenen Privatsphäre dar, ganz zu schweigen von der Datenanalyse großer IT-Konzerne und so genannter Staatstrojaner.
Staatliche Überwachung
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Veränderungen
Meist glaubt man selbst entscheiden zu können, welche Informationen und Daten interessant für andere sein könnten und was man lieber verbergen möchte. Manchmal können (politische) Veränderungen aber Informationen die gestern noch unbedenklich waren, morgen gefährlich erscheinen lassen und eine plötzliche Verfolgung auslösen. Daten die einmal in der Welt sind, lassen sich nicht mehr einfangen!
Wer glaubt, dass die Welt und die politischen Systeme keinen Veränderungen ausgesetzt sind, sitzt einer Illusion auf. Es ist ganz im Gegenteil sogar äußerst unwahrscheinlich, dass man sein Leben in nur einem politischen System verbringen wird. Ein heute 80-Jähriger Europäer hat – von ganz wenigen Ländern wie Großbritannien einmal abgesehen – mehrere politische Systeme in seinem Heimatland erlebt. In vielen euroäischen Ländern gab es in den vergangenen Jahrzehnten Systeme mit repressivem Charakter, die Teile der Bevölkerung aus gesellschaftlichen, ideologischen oder politischen Gründen verfolgt haben.
Niemand kann dafür garantieren, dass die politischen Systeme in den kommenden Jahrzehnten vollkommen statisch sein werden.
Metadaten vs. Inhalte
In der Überwachungsdiskussion wird gerne von den Verantwortlichen darauf hingewiesen, dass man nur Metadaten sammeln würde. Das klingt irgendwie abstrakt und soll beruhigen, da es suggeriert die wirklich privaten Sachen – also die Inhalte – würden nicht erfasst werden. Dabei ist die Erfassung der Metadaten wesentlich problematischer als es klingt. Metadaten sind die klassichen W-Fragen: Wer, Wann, Wo, Wohin etc. Es geht also um die Frage, wer, wann mit wem kommuniziert hat und wo er sich dabei befand. Das ist lückenlose Überwachung und oft wesentlich aufschlussreicher als der Inhalt, der sich oft ohne Kontextwissen nicht unmittelbar erschließt.
Privatsphäre und Kontrolle
Jeder Mensch hat das Recht auf Privatsphäre. Vieles was einem im realen Alltag stören würde, nimmt man in der virtuellen Welt des Internets hin. Ein im Zug Mitreisender, der die eigene Zeitung „mitliest“ wird als aufdringlich empfunden, wenn Unternehmen oder der Staat das eigene Surfverhalten ausspäht, will man hingegen nichts zu verbergen haben.
Dabei geht es nicht nur darum Informationen vor alles und jedem geheim zu halten, sondern auch um Kontrolle über die Informationen. Manche Themen möchte man nur mit engen Freunden teilen und nicht mit (potenziell) der ganzen Welt.
Freiheit
Im Grunde genommen ist es schon eine Zumutung, dass man sich fragen muss, ob man etwas zu verbergen hat. Natürlich haben die meisten Menschen objektiv nichts zu verbergen – objektiv im Sinne von strafbaren oder ähnlichen Sachverhalten. Doch obwohl man nichts zu verbergen hat, ist Überwachung dennoch nicht legitim. Mit dem Satz „Ich hab doch nichts zu verbergen!“ authorisiert man die anlasslose Überwachung der Gesellschaft. Wer sich aber ständig fragen muss, ob sein Handeln oder seine Äußerungen tagtäglich und in jeder Situation einer Überwachungssituation ausgesetzt sind ist nicht frei und kann auch nicht an einer freiheitlichen Gesellschaft partizipieren.
Datensammlung durch Unternehmen

Monopole
Neben Datenschutz und -sparsamkeit war Datenstreuung ein wesentliches Merkmal bisheriger Absicherungsmöglichkeiten. Der Einzelhändler um die Ecke kannte vielleicht die persönlichen Vorlieben seiner Kunden aus seinem Verkaufsbereich, konnte diese Daten aber zu keinem großen Gesamtbild zusammensetzen. Die großen IT-Firmen monopolisieren heute allerdings riesige Datenmengen aus unterschiedlichen Lebensbereichen. Zudem kontrollieren immer weniger Firmen immer größere Bereiche der IT-Industrie und können somit immer vollständigere Bilder über das Konsum- und Kommunikationsverhalten, sowie letztlich das gesamte Leben anlegen. Weiterhin stehen immer größere Datenmengen zum Verkauf und können somit mit anderen Daten verknüpft werden.
International agierende Unternehmen
Die großen Monopolisten sind zwar genauso wie alle anderen Unternehmen an bestehende (Datenschutz-)Gesetze gebunden. Durch ihre internationale Aufstellung können sie sich einer wirksamen Kontrolle aber weitestgehend entziehen. Selbst in Europa handeln nationale Datenschutzbehörden auf Grundlage der gleichen Verordnung höchst unterschiedlich. Abkommen wie das EU-US Privacy Shield ermöglichen es Unternehmen zudem die grenzüberschreitende Übertragung von Daten, ohne ausreichende Kontroll- und Klagemöglichkeiten für den Urheber/Verursacher der Daten vorzusehen.
Zusammengefasst
Die Gesetze schrauben ihre Anforderungen nach unten, während die Technik voran schreitet und Unternehmen und der Staat zunehmend mehr Daten erheben, speichern und auswerten wollen und können. Gegenmaßnahmen, wie sie Europa im gesetzgeberischen Bereich vornimmt müssen noch beweisen, dass sie Wirkung entfalten. Der Datenverursacher – also jeder Mensch – muss selbst aktiv werden. Erstens muss er an der Wahlurne dem Thema mehr Priorität bei der Wahlentscheidung einräumen und zweitens aktiv Selbsstchutz betreiben. Für letzteres werden auf [Mer]Curius viele weiterführende Informationen bereit gestellt
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