KDE Plasma 5 Teil I: Käfer und Schuldzuweisungen

  1. KDE Plasma 5 Teil I: Käfer und Schuldzuweisungen
  2. KDE Plasma 5 Teil II: Kein Feinschliff, keine Vision, kein Grund zu wechseln?
  3. KDE Plasma 5 Teil III: Kein Name, keine Identifikation?

Nach langer Planungs- und Entwicklungszeit veröffentlichten die KDE-Entwickler im Juli 2014 die erste Version des neuen Plasma 5 Desktops. Bereits wenige Jahre nach der kompletten Neuentwicklung von KDE SC 4 brachen die KDE-Entwickler somit erneut mit ihrer Softwarebasis. Über ein Jahr später ist Plasma 5 in vielen Distributionen enthalten und der fehlerhafte Zustand belastet einmal mehr den eh schon ramponierten Ruf der KDE Software.

Die Ankündigung der neuen Version von KDE wurde in der Community eher zweifelnd aufgenommen. Das ist in der Open Source Gemeinschaft zwar nicht unüblich, hat aber bei KDE durchaus nachvollziehbare Gründe. Der Umstieg auf KDE SC 4 war den meisten noch im Gedächtnis und eine eher evolutionäre Entwicklung hätte vielen Anwendern wohl ausgereicht. Die Notwendigkeit einer Portierung auf die neue Qt-Version war jedoch nicht von der Hand zu weisen. Die KDE-Entwickler begegneten den Vorbehalten mit der Versicherung man hätte aus dem letzten Umbruch gelernt und würde nun einen sanften Übergang bieten.

Die Ankündigung der ersten Version von Plasma 5 wurde deshalb auch nur Anwendern empfohlen, die Lust auf etwas neues hätten und bei der Entwicklung helfen wollen:

There is not enough polish in this release to make it mainstream yet, this is only for enthusiasts and people who want to help debug for now.

Für die normalen Anwender hatte man die Plasma Version 4.11 zur LTS-Version erklärt, die man mindestens 2 Jahre mit Updates versorgen wollte – eben bis Plasma 5 reif für den normalen Betrieb wäre. Diese Ankündigung ergänzte später das KDE-PIM-Team durch die im Herbst 2014 veröffentlichte Kontact-Version 4.14, die ebenfalls LTS-Status erhielt. Bereits 2015 verloren jedoch augenscheinlich viele Entwickler die Lust an der Wartung der alten Software. Die Anzahl der Codebeiträge ging zurück und gleichzeitig mit der Veröffentlichung von KDE Applications 15.04 gab man bekannt Plasma 4 im August 2015 als EOL zu deklarieren. Ungefähr zeitgleich gaben die KDE-PIM Entwickler bekannt ihre Software nun doch schon auf KF5 portieren zu wollen, obwohl das neue Akonadi noch nicht fertig ist, wodurch der Fokus nun auf der neuen Version liegt und 4.14 langsam aber sicher entschläft. KDE Plasma 5 soll nun also reif für die weitere Verbreitung sein, anders kann man diese Ankündigungen und Entwicklungen nicht bewerten. Doch wie sieht das aus Anwendersicht aus?

Bedingt durch die Abkündigung von KDE SC 4 schwenkten 2015 auch die meisten stabilen Distributionen auf Plasma 5 um. Dem testwilligen Anwender bieten sich also eine Vielzahl von Distributionen zur Auswahl. Für diesen Artikel wurde auf Fedora 23, Kubuntu 15.10 und openSUSE Leap zurückgegriffen. Um einen ehrlichen Test durchzuführen reicht natürlich keine VM, sondern es muss reale Hardware sein. Hier kamen zwei Intel-Systeme zum Einsatz. Einmal ein Desktop-PC der IvyBridge-Generation und ein Ultrabook der Haswell-Generation. Keine ganz aktuelle Hardware, aber auch kein altes Eisen, eben eigentlich wie gemacht für Linux. Details wie WLAN-Chips etc. würden zwar diesen Artikel um einige schöne Search-Tags berreichern, haben aber keine Implikationen für KDE Plasma und sind deshalb nicht relevant.

Die Distributionen unterscheiden sich in ihrer Stabilität etwas von einander. Jedoch erreicht man zuverlässig den Absturz von Plasma, sobald man Plasmoide anlegt und Kontrollleisten verschiebt. Allerdings ist auch im Alltagsbetrieb kein ungestörtes Arbeiten möglich. Kontrollleisten flackern und Symbole verschieben sich plötzlich um wenige Milimeter. Das System macht auch keinen geschmeidigen Gesamteindruck. Mikroruckler bestimmen bei quasi allen Effekten das Bedienerlebnis und erinnern damit an die Anfangsjahre von KDE SC 4. Bereits nach kurzer Zeit beginnt man sich eine vorsichtigen Umgang mit dem Betriebssystem anzugewöhnen, weil “unerwartete” Aktionen Abstürze hervorrufen könnten.

Diese Fehler werden ergänzt durch Probleme bei den Basisfunktionen. Diese sind entweder fehlerhaft oder funktionieren gleich gar nicht. So ist ein Multimonitorbetrieb zur Zeit quasi unmöglich, wie übereinstimmend von vielen Anwendern berichtet wird. Bei solchen Problemen bewegt man sich weit außerhalb des Toleranzbereichs für kleinere Fehler.

Hinzu kommt, dass nach wie vor viele Anwendungen nicht auf KF5 portiert wurden und die alte KDE SC 4-Infrastruktur im Hintergrund weiter existiert. Die KDE-Entwickler haben mit Plasma 5 nicht nur eine komplett neue Version des KDE-Desktops veröffentlicht, sondern nebenbei beherzt alte Zöpfe abgeschnitten. Neben dem wegrationalisierten herkömmlichen Systembereich der Kontrollleiste wurde auf die Struktur der KDE-Einstellungsdateien im Home-Verzeichnis der Benutzer an den aktuellen freedesktop-Standard angepasst. Aus diesem Grund harmonieren die Einstellungen zwischen alten kde4libs-Programmen und neuen KF5-basierenden Programmen allerdings in den seltesten Fällen. Hinzu kommen Inkompatibilitäten zwischen der neuen und alten KWallet etc. pp.

Diese Inkompatibilitäten könnte man jetzt wegdiskutieren, indem man darauf verweist, dass sich dies zwischen den Linux-Desktops ähnlich verhält und bei Windows & Co auch nicht alles aus einem Guss ist. Für eine Desktopumgebung deren Stärke immer in der nahtlosen Interaktion seiner Programme bestand sind solche Probleme jedoch alles andere als ein kleines Ärgernis. Da hilft auch kein oberflächlich einheitliches Design, das über die neue Mixtur aus alten und neuen Programmen ausgebreitet wurde.

Nicht besonders hilfreich ist es da, wenn versucht wird den schwarzen Peter den Distributionen zuzuschieben. Wenn alle großen – einem mehr oder minder stabilen Entwicklungsmodell folgenden – Distribution wie Fedora, Kubuntu und openSUSE Probleme haben KDE Plasma in einem akzeptablen Zustand an den Anwender auszuliefern, verlieren am Ende alle – und vor allem die Anwender. Angesichts der offiziellen Abkündigung von KDE SC 4 kann man den Distributoren auch nicht – wie damals beim Umstieg auf KDE 4 – vorwerfen sie hätten das neue Produkt zu früh an den Endanwender ausgeliefert. Den Hardwareherstellern Fehler in den Treibern vorzuwerfen ist ebenfalls ein gängiges Mittel um sich von Verantwortung freizusprechen. Dies mag zwar sogar zutreffen, hilft aber in der konkreten Situation den betroffenen Anwendern nicht – zumal wenn das alte KDE SC 4 und andere Desktopumgebungen auf der gleichen Hardware zufriedenstellend laufen.

Insgesamt hat es KDE mal wieder geschafft alte Fehler zu wiederholen. Berauscht von der eigenen Entwicklungsgeschwindigkeit wurden alte Versionen abgekündigt bevor die neue Version wirklich einsatzbereit ist. Die Qualitätssicherung wurde mal wieder auf den Endanwender abgewälzt, der sich nun wieder von Update zu Update hangeln darf um einen einigermaßen einsatzbereiten Desktop zu erhalten.

Cruiz
Cruizhttps://curius.de
Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.

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