Privacy-Washing aus dem Lehrbuch

Der Ruf vieler großer IT-Konzerne ist in Europa und insbesondere in Deutschland nicht gut. Paradigmatisch dürfte dafür eine repräsentative FORSA-Umfrage aus dem Jahr 2015 sein. Spätestens seit den Snowden-Leaks empfinden viele Bürger Skepsis bezüglich der in großem Stil erfolgenden Datensammlung – auch die wenigsten daraus eine Änderung ihrer Nutzungsgewohnheiten ableiten.

Den Skeptikern stehen natürlich einige jubelnde Blogger gegenüber (z. B. hier), die einen weitestgehend gläsernen Nutzer befürworten oder zumindest in Kauf nehmen.

Nichtsdestotrotz reichen ein paar jubelnde Blogger nicht, um die öffentliche Meinung wieder stärker zugunsten der großen IT-Konzerne zu ändern. Darum hat z. B. Google eine groß angelegte Werbekampagne in Print- und Onlinemedien aufgelegt. Teilweise mit ganzseitigen Anzeigen in Medien wie der ZEIT. Inzwischen findet sich ein ähnliches Angebot auch auf ZEIT ONLINE, SPIEGEL ONLINE und anderen Medien.

Über den Hintergrund kann man nur mutmaßen. Vermutlich kann selbst ein Konzern mit einer monopolartigen Stellung im Such- und Werbemarkt nicht dauerhaft gegen die öffentliche Meinung agieren. Zudem zieht die EU-Kommission seit einigen Jahren die Daumenschrauben an, was bei grundsätzlich negativen Image auch eher dem Konzern als der Kommission schadet.

Die neue Kampagne kann man meiner Meinung nach nur noch als Privacy-Washing bezeichnen. Ein Konzern, der weltweit Daten sammelt, geriert sich zu einem Vorreiter in Fragen der Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit. Die Kampagne verharmlost aus Ausmaß der Datensammlung und suggeriert, dass Inhaber von Google-Konten sogar mehr Kontrolle darüber hätte, was über sie gesammelt wird. Am besten legt man sich also gleich ein Konto an und gibt Google auch noch die Stammdaten (sofern es die nicht eh schon hat).

Die Textanzeigen in den Onlinemedien beinhalten die Kernaussagen, die sich so, oder so ähnlich, auch grafisch aufbereitet in den Printmedien wiederfinden. Die Kampagne ist gut gemacht. Anstelle der Datenkrake steht das sichere Unternehmen, das Daten nur zum Wohl der Kunden sammelt und dem man vertrauen kann.

Es gibt leider genug Jubelperser, die darauf reinfallen. Dazu muss man nur ein paar Tech-Blogs abonnieren, gerne auch solche mit einem auf Werbung und Sponsoring basierenden Geschäftsmodell.

Darum sei es in aller Kürze nochmal gesagt: Google sammelt professionell Daten. Das macht es nicht (nur), weil es den Nutzern ein perfektes Produkt bieten möchte, sondern weil ein Großteil der Einnahmen durch Werbung generiert werden. Werbung funktioniert besser, je mehr der Konzern über seine Nutzer weiß, weil das Angebot immer stärker personalisiert werden kann. Google gibt Daten nicht an Dritte weiter (muss es auch nicht, der Konzern ist schließlich ein riesiger Gemischtwarenladen), aber es kooperiert mit Geheimdiensten, siehe die Erkenntnisse zu PRISM aus dem Jahr 2013.

Keinen Dienst, den Google anbietet, muss man durch den hohen Preis seiner Daten erkaufen. Von der Suchmaschine bis zum Smartphonebetriebssystem gibt es gute und freie Alternativen, die dem Anwender Komfort und Datensicherheit gewähren. Dann braucht man auch keine riesigen Rechenzentren, die Hochsicherheitstrakten gleichen sollen – es gibt ja schließlich keine gesammelten Nutzerdaten zu beschützen.

Cruiz
Cruizhttps://curius.de
Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.

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