Microsoft Office – Freie Dateiformate vs. Datenschutz

In den vergangenen Jahren schien das OASIS Open Document Format eine Erfolgsgeschichte der Open Source Community in ihrem Streben nach freien Standards zu sein. Nach der Standardisierung empfahlen eine Reihe öffentlicher Institutionen das Format für den Dokumentenaustausch und sogar Microsoft sah sich gewungen die Unterstützung in seine Office Versionen 2007 (in einem SP) und 2010 zu implementieren.

Trotz Implementierungsunterschiede, weil Microsoft lediglich Version 1.0 des Formats integrierte während freie Office Suiten wie LibreOffice bereits auf 1.2 wechselten, waren Dateien mit der Endung ODT eine probates Mittel im Alltag. Sogar Anwender ohne tiefere Kenntnis von Standards und alternativen Office-Suiten konnten diese problemlos nutzen.

Während der Microsoft-Konzern in den letzten Jahren unter dem neuen CEO einen Kulturwandel erfahren und sein Verhältnis zu freier Software radikal geändert hat, scheint die Office-Entwicklungsabteilung eine konträre Richtung eingeschlagen zu haben. In der aktuellen Version für macOS Office 2016 lassen sich freie Dateiformate nur noch über einen Online-Konvertierungsdienst öffnen. Ob dies bei Office 2016 für Windows auch so ist, konnte nicht nachgeprüft werden, da keine Lizenz vorliegt.

Während man bisher Dateien nach OASIS-Standard problemlos lesen und schreiben konnte, ist nun eine Übertragung an Microsoft-Server notwendig. Die verlinkte Informationsseite erläutert folgendes dazu:

Wenn Sie in dieser Office-Version weiterhin mit bestimmten Office-Dateien arbeiten möchten, muss Microsoft diese Dateien erst mithilfe unseres Onlinediensts in ein anderes Format konvertieren. Zu diesem Zweck senden wir bestimmte Arten von Dateien (siehe die nachstehende Tabelle) über das Internet an einen sicheren Microsoft-Dienst zur Konvertierung. Die konvertierte Datei wird dann sofort zurück an Ihr Gerät gesendet. Der Microsoft-Onlinedienst speichert keinen Ihrer Dateiinhalte auf unseren Servern. Sie können die konvertierte Datei speichern und in Office sogar dann bearbeiten, wenn Sie offline sind.

Quelle: Office.com (Abruf 28.10.2016)

Auch wenn Microsoft versichert die Dateinhalte nicht zu speichern, sollte man sich als Anwender dennoch genau überlegen, ob man bereit ist Dateiinhalte – und sei es nur zeitweilig – aus der Hand zu geben. Office wird zwar auch von Privatleuten eingesetzt, ist jedoch eigentlich ein Werkzeug im professionellen Einsatz. Je nach Betriebsrichtlinie könnte das sogar verboten sein.

Neben diesen Datenschutzbedenken hat die neue “Funktion” auch einige praktische Nachteile. Möglicherweise kann man sich in Redmond nicht vorstellen, wie die deutsche Internetlandschaft beschaffen ist, aber hier gibt es nicht überall offene WLAN-Netze und insbesondere im mobilen Arbeitsalltag ist man gerne mal gänzlich ohne Internetverbindung.

office fehlermeldung

In diesem Fall bekommt der Anwender lediglich eine Fehlermeldung präsentierung und kann die Datei nicht öffnen. Sofern eine Internetverbindung vorliegt, kann er sich jedoch trotzdem nicht bearbeiten, sondern muss sie erst in ein genehmes Format umwandeln.

office speicherhinweis

Die Unterstützung freier Formate wurde also massiv zurückgefahren. Von einer vollständigen Unterstützung im alltäglichen Betrieb hin zu einer onlinegestützten Import-/Exportfunktionalität. Diese Entwicklung ist angesichts des liberalisierten Microsoft-Kurses gegenüber der freien Softwarewelt erstaunlich und hinsichtlich der Tatsache, dass die Unterstützung von OASIS 1.0 bereits einmal vollständig integriert war umso unverständlicher.

Anwender, die aus welchen Gründen auch immer nicht auf Microsoft Office verzichten können, stehen dadurch vor der Wahl ihren Arbeitsablauf massiven Einschränkungen auszusetzen und hinsichtlich des Datenschutzes massive Einschränkungen hinzunehmen, oder sich von freien Dateiformaten zu verabschieden. Ein massiver Rückschritt für das Bemühen um freie Standards und für die Open Source-Welt.


Bilder:
Einleitungs- und Beitragsbild von 200degrees via pixabay

Cruiz
Cruizhttps://curius.de
Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.

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