Debian 8.0 “Jessie” im KDE Test

Symbolbild "Entwicklung"

Am 25. April, als am morgigen Samstag, wird Debian 8.0 “Jessie” die Freeze-Phase hinter sich lassen und damit offiziell das Licht der Welt erblicken. Die Debian Gemeinschaft wirft nur alle paar Jahre eine Veröffentlichung auf den Distributionsmarkt, weshalb eine fertige Version immer noch ein wichtiges Event ist. Anders als beispielsweise bei Ubuntu wo neue STS-Versionen eher pflichtschuldig zur Kenntnis genommen werden. Debian ist vielleicht die wichtigste aktiv entwickelte Distribution. Nicht unbedingt wegen ihrer direkten Verbreitung, sondern weil vermutlich die hälfte des Linux-Universums (Android ausgenommen!) direkt oder indirekt auf Debian basiert. Ein Test ist alleine deshalb sinnvoll, außerdem läuft Debian seit kurzem wieder auf einem meiner Produktivgeräte.

Installation

Obwohl es bei Debian mehr auf die “inneren Werte” ankommt, kann man eine Bewertung auch mal am “äußeren” beginnen lassen. Das neue Design von Debian ist dieses Mal wirklich gelungen. Grub, Plymouth und Loginscreen erstrahlen in einem neuen, frischen Gewand. Scheinbar sind die gruseligen Zeiten von Spacefun endgültig vorbei, als man sich allen ernstes Fragen musste welche Zielgruppe Debian hier ansprechen will. Die Installation erfolgt am besten über die Netinstall-ISO – jedenfalls sofern es die Bandbreite mitmacht. An der Installationsroutine hat sich kaum etwas getan. Schon aufgrund der wenigen Optionen ist sie ähnlich einfach wie die von Ubuntu – nur deutlich weniger auf eine hübsche Optik getrimmt. Die erste sichtbare Veränderung erscheint bei der Auswahl der Task-Pakete. Zwar ist GNOME als Standarddesktop vorausgewählt (und nicht wie zeitweise in der Testing-Phase Xfce) aber alle anderen Desktops lassen sich dezidiert auswählen und Gnome abwählen. Ein bisschen irritierend ist, dass man das Task-Desktop Paket ausgewählt lassen, aber trotzdem alle Desktops gleichzeitig abwählen kann. Umgekehrt lässt sich KDE SC als Desktop installieren, obwohl das allgemeine Desktoppaket abgewählt ist. Hier hat man (mal wieder) wenig auf die Usability geachtet.

Die sinnvollste Option bleibt aber Debian erst einmal ohne Desktop zu installieren und dann nach der Installation das System Stück für Stück aufzubauen. Dadurch entgeht man der teils unsinnigen Programm-Vorauswahl und kann sich das System passend für den eigenen Bedarf zusammen stellen. Natürlich verlangt dies ein wenig Kenntnis der notwendigen Programme – auch unterhalb der Oberfläche – aber Debians Zielgruppe liegt schließlich auch nicht bei den blutigen Linux-Anfängern.

Änderungen und Versionen

Die wohl wichtigste Änderung unter der Haube ist die Abkehr vom klassischen SysV-Init und der Wechsel auf systemd. Diese Entscheidung hat die Debian-Community gehörig polarisiert, aber die Debian-Maintainer hatten in einer Abstimmung genug Pragmatismus bewiesen und die blockierende Minderheit auf ihre Plätze verwiesen. Angeblich sollDebian nun geforkt werden, aber hier wurde außer einiger Pressearbeit scheinbar noch nicht viel geleistet.  Das könnte auch daran liegen, dass die Intergration von systemd inzwischen ziemlich gut funktioniert. Debian hat einige Mängel, aber das Init-System machte in diesem Test keine Probleme. Natürlich müssen einige alte Workarounds angepasst werden, aber das Leben geht weiter und wer Stillstand sucht ist in der IT falsch aufgehoben.

Die Versionen sind bei diesem Release jedoch verhältnismäßg aktuell. Der Kernel liegt in Version 3.16 vor, der z.B. auch im aktuellen HWE Stack von Ubuntu 14.04 LTS verwendet wird. KDE-Abwender bekommen eine Kombination aus KDE Workspaces 4.11, sowie Applications 4.12 und 4.14 präsentiert. Weshalb die Anwendungen nicht komplett auf 4.14 aktualisiert wurden bleibt ein Geheimnis des Debian-KDE-Teams. Die 4.14er Bugfixversion ist die 1, während man anderswo bereits in den Genuss von 4.14.3 kommt – mit all den Bugfixes die das mit sich bringt. Hier zeigt sich der harte Freeze-Prozess mit dem das Release Team eine zu lange Freeze-Phase vermeiden wollte und wohl leider auch das mangelnde Engagement des Debian-KDE-Teams. Denn andee Teams haben durchaus während der Freeze-Phase per Ausnahmegenehmigung noch Bugfixversionen nachgereicht.

Nachdem man den Init-Vorgang hinter sich hat, begrüßt einen KDM, dem Debian weiter die Treue hält. LightDM ist natürlich in den Paketquellen vorhanden. Optisch wird ansonsten ein Standard-KDE ausgeliefert. Bei der Softwarevorauswahl fragt man sich für wen die KDE-Maintainer diese Vorauswahl eigentlich treffen bzw. ob sie sich überhaupt mal konstruktiv damit auseinander gesetzt haben. Es wird wirklich alles installiert was bei drei nicht auf den Bäumen ist. Das task-kde-desktop Paket empfiehlt (und installiert damit standardmäßig auch) Iceweasel, Gimp und LibreOffice. Das kde-standard Paket installiert zusätzlich alles von Akregator bis SkanLite. Die Standardsoftwareauswahl ist auch bei anderen Distributionen nicht ideal, aber Debians Mischung ist eine interessante Zusammensetzung von “neuen” und “alten” Programmen, sowie Programmdoppelungen. Natürlich kann man fast alles aus den gewaltigen Debian-Paketquellen nachinstallieren, aber die Metapakete sollten doch eine gewinnbringende Vorauswahl für den Anwender bieten – ansonsten kann man sie sich gleich sparen. Das ist einer der ersten Punkte bei denen man Liebe zum Detail vermisst.

Der Hauptkritikpunkt bleibt die lieblose Integration der Desktopumgebungen, was sich besonders stark bei der KDE Software Compilation niederschlägt. Debian ist durch seine umfangreichen Paketquellen ein Baukasten mit dem man sich quasi jedes System, vom raspberry pi bis zur Workstation betreiben kann. Trotzdem wäre eine sinnvolle Vorauswahl einiger Programme nicht zu viel verlangt. Zumal wenn ein Desktopprojekt wie KDE konkurrierende Programme unter seinem Dach vereint.

Fazit

Debian liefert ein rundum stabiles Release aus, trotz des Streits um die Einführung von systemd im Vorfeld. KDE-Benutzer bekommen ein homogenes KDE SC 4 Release auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung. Wer genug Geduld hat und eventuell auftretende Schwierigkeiten bei der Umstellung auf Plasma 5 vermeiden möchte bekommen mit Debian Jessie eine Distribution, die einem eine Umstellungsverzögerung für einige Jahre anbietet. Beim nächsten Debian-Release ca. 2017/18 wird Plasma 5 sicherlich ausgereift sein.


Bilder:

Einleitungs- und Beitragsbild von ar130405 via Pixabay 

Cruiz
Cruizhttps://curius.de
Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.

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