Vertrauen – Warum Werbung zur Monetarisierung manchmal gut ist

Früher hat man etwas bei Stiftung Warentest gelesen oder einen Ratgeber aus einem angesehenen Verlag gekauft. Vertrauen transportierte die Marke des Verlages. Heute vertrauen wir weitestgehend Bloggern und Seitenbetreibern. Dabei sind diese nicht immer unabhängig.

Ich habe kürzlich für einen Bereich, mit dem ich mich zuvor noch nie beschäftigt hatte, seriöse Informationen im Internet gesucht. Das hat bei mir die Beschäftigung mit der Frage von Vertrauen, Transparenz und Monetarisierung von Internetaktivitäten ausgelöst. Die vier folgenden Beispiele stehen exemplarisch für verschiedene Modelle. Ich habe erst überlegt, den Artikel abstrakt ohne Beispiele zu verfassen, aber das führte dann zu einem Eiertanz, die einem Olaf Scholz zur Ehre gereicht hätte. Die Beispiele stehen jeweils nur für eine Kategorie der Monetarisierung und sollen niemanden an den Pranger stellen.

Jeder weiß, dass viele der SEO-optimierten Testbericht-Seiten im Internet Schund sind. Derselbe Inhalt, auf Schlagwörter optimiert, ohne Substanz auf hohe Klickzahlen getrimmt. Umso mehr freut man sich, wenn die Suchmaschine der Wahl einen auf eine vermeintlich unabhängige Seite führt. Doch sind die Informationen da wirklich unabhängig? Das Ideal ist hier sicherlich der Autor, der nur zum Spaß Inhalte verfasst, einen seriösen Broterwerb im Hauptberuf hat und gar keine Einnahmen erzielen möchte. Das trifft aber nur auf eine kleine Gruppe zu. Vor allem reichweitenstarke Seiten zielen zumindest mittelbar auf Einnahmen ab.

Werbung ist vor allem in Privacy-Kreisen verpönt. Vor allem wegen des ausufernden Trackings und der daraus folgenden Implikationen für die Privatsphäre. Dabei ist Werbung wunderbar transparent. Nehmen wir zum Beispiel eines der erfolgreichsten deutschsprachigen Technikblogs Caschys Blog. ublock läuft hier regelrecht heiß. Dafür ist aber schnell klar, wie dort Einnahmen entstehen. Werbung, gekennzeichnete Advertorials, Testberichte mit zur Verfügung gestellten Geräten. Muss man nicht toll finden, ist aber transparent. Als Leser kann ich mir dann selbst ein Urteil zur Unabhängigkeit der Seite bilden und das geschieht auch, wie man den Kommentaren immer wieder entnehmen kann.

Ein anderes Extrembeispiel ist netzpolitik.org. Unabhängig, keine Werbung und rein spendenfinanziert. Die ständigen Spendenaufrufe können einem als geneigtem Leser manchmal auf den Keks gehen, aber das Prinzip ist klar. Regelmäßige und schonungslose Finanzberichte sorgen für die notwendige Transparenz. Das hat auch Nachteile, weil man die Zielgruppe konsequent bedienen muss und einen steten Kompromiss bei inhaltlichen Experimenten machen muss, die Reichweite jenseits der zahlenden eigenen Zielgruppe bringen sollen.

So eindeutig ist das leider nicht immer. Ich möchte dazu zwei Beispiele anbringen, über die ich in den vergangenen Wochen gestolpert bin.

Das eine ist etwas, das ich als verstecktes Ausnutzen von Reichweite bezeichnen würde. Seit dem Wegfall von Pro-Linux ist Linuxnews eine etablierte Größe in der Linux-Community. Ferdinand Thommes arbeitet als freiberuflicher Journalist für diverse Medien. Soweit, so klar, dachte ich. Kürzlich las ich bei LinuxUndIch, dass er aber ebenso wie der dortige Autor für Tuxedo tätig ist. Wir müssen alle unsere Brötchen verdienen, aber ein kleiner Transparenzhinweis unter den vielen Produktankündigungen von Tuxedo auf Linuxnews wäre schon nett gewesen.

Das andere ist ein Spendenprinzip, aber mit weniger Transparenz als bei netzpolitik.org. Das Kuketz-Blog wird ja seit vielen Jahren mittels Spenden finanziert. Mike Kuketz hat da in den letzten Wochen ein ziemliches Hin- und Her mit den Diensten betrieben. Das scheint ausweislich meines E-Mail Posteingangs ziemlich viele in der Privacy-Szene bewegt zu haben. Eigentlich gibt es da ein Stufensystem, aber erst wurde das Forum infrage gestellt, dann war es ganz schnell weg, dann plötzlich im Metaverse und nun wieder da. Die Zusammenfassung aus der Perspektive des Betreibers kann man hier lesen. Ich habe mich da die ganze Zeit gefragt, ob so manche plötzliche Wendung nicht durch stornierte Daueraufträge ausgelöst wurde. Der letzte Spendenbericht ist leider schon ein bisschen älter. Das ist meiner Ansicht nach Transparenz nach Gusto des Betreibers.

Das letzte Beispiel ist mobilsicher.de Dabei handelte es sich letztlich um staatlich finanzierte Projekte. Das gibt es im Kultur- und Wissenschaftssektor massenhaft, kommt im Internet aber eher selten vor, weil es viel Erfahrung im Umgang mit staatlichen Förderprogrammen voraussetzt. Mobilsicher wird vom ITUJ e.V. betrieben, die hierfür bzw. für eine Projekterweiterung eine Finanzierung eingeworben hatten. Das Modell ist vor allem für Menschen, die keinerlei Erfahrung mit staatlicher Förderpolitik haben, sicher nicht leicht zu durchschauen, aber stellt keinen uninteressanter Ansatz dar.

So schlecht klassische Werbung und ergänzende Produkte wie Advertorials also meist für die Privatsphäre sind, so nervig sie beim surfen auch sein mögen. Sie schaffen Klarheit und Transparenz. Jeder kann sich selbst ein Urteil bilden, ob er die Berichte für beeinflusst hält. Alle anderen Finanzierungsformen erfordern Transparenz. Nicht alle sind da so vorbildlich wie netzpolitik.org. Weil es viel Arbeit ist und weil es manchmal ungemütlich sein kann, finanziell die Hosen herunter zu lassen, auch wenn die Entwicklung mal in die falsche Richtung geht. Dem Leser fällt es aber deutlich schwerer, bei solchermaßen finanzierten Angeboten die Unabhängigkeit und dahinterstehenden Interessen zu beurteilen. Werbung ist also vielleicht doch nicht das schlechteste Instrument.


Weil sonst bestimmt die Frage in den Kommentaren kommt. [Mer]Curius entsteht tatsächlich zum Spaß. Ich habe einen ganz normalen Beruf, der mir jeden Monat ein Gehalt bringt. Zusätzlich profitiere ich finanziell über die Hassliebe deutscher Autoren: Die VG Wort. Artikel, die eine gewisse Schwelle überschreiten, sorgen für eine Ausschüttung pro Jahr. Das gilt für berufliche verfasste Texte ebenso wie für wissenschaftliche Artikel oder eben privat verfasste Blogposts und sorgt jedes Jahr bei der Steuererklärung für die Frage, warum ich mir das eigentlich antue. Um hier zu profitieren muss man jedoch schon leidlich erfolgreich und etabliert sein. Dann kann man damit aber Webhosting, Investitionen und andere Sachen begleichen.

Cruiz
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Moin, meine Name ist Gerrit und ich betreibe diesen Blog seit 2014. Der Schutz der digitalen Identität, die einen immer größeren Raum unseres Ichs einnimmt ist mir ein Herzensanliegen, das ich versuche tagtäglich im Spannungsfeld digitaler Teilhabe und Sicherheit umzusetzen. Die Tipps, Anleitungen, Kommentare und Gedanken hier entspringen den alltäglichen Erfahrungen.
  1. Die Probleme an verlässliche und unabhängige Informationen zu Produkten zu kommen, hast Du m.E. sehr schön und differenziert dargestellt. Aber was hat das mit dem Vorteil von Werbung zu tun? Eingeblendete Anzeigen auf Webseiten halte ich für meist wenig hilfreich. “Testberichte” die von Herstellern bezahlt werden, sind gar nicht zu gebrauchen. Wenn ich zum Beispiel ein technisches Produkt kaufen will, gehe ich auch auf die Herstellerseite. Das ist Werbung pur. Aber meist gut und informativ. Danach brauche ich aber auch unabhängige Meinungen, um Schwachstellen und Gegenargumente zu finden. Und da ist man dann bei dem Problem, das Du oben sehr schön beschrieben hast.
    Beruflich muss ich öftmals sehr hochwertige Geräte beschaffen, die von verschiedenen Firmen abgeboten werden. Ich frage dann die Mitarbeiter bei der Gerätevorführung, was sie von den Produkten der Mitbewerber halten. Das ist sehr interessant. Erst einmal werden alle vermeidlichen und tatsächlichen Schwachstellen genannt. Aber viel interessanter ist, wie auf Stärken der Konkurrenz eingegangen wird. Einem Außendienstler, der die entsprechend würdigt, kann ich eher auch bei der eigenen “Werbung” vertrauen.
    Alles in allem, sollten wir versuchen immer möglichst vielfältige Informationen einzuholen und zu bewerten. Werbung ist dabei für mich sicher nur eine und niemals die einzige Quelle.

    • Mir geht es um den Monetarisierungsaspekt. Bei einer werbefinanzierten Seite weiß ich, wie sie sich trägt und dank deutscher Gesetze sind Advertorials etc. klar gekennzeichnet. Wer auf Werbung als Monetarisierungsinstrument verzichten (weil Datenschutz, nicht zielgruppenkompatibel, funktioniert nicht) greift oft auf andere Methoden zurück, die zu oft intransparent sind.

  2. Nun ja, wenn man in diese Ausführung jetzt aber auch noch die zwielichtigeren werbefinanzierten Seiten – die am Anfang erwähnte pure Suchmaschinenoptimierung, die gesponserten Artikel ohne Kennzeichnung – mitaufnimmt, dann scheint mir die sinnvollere Schlussfolgerung weniger “Werbung kann manchmal für Transparenz sorgen” und eher “nur Transparenz kann für Transparenz sorgen”.

    Bei der Werbung oder Förderung ist das halt die offene Kennzeichnung, bei den Spenden der regelmäßige Bericht. Je nach Monetarisierungsstrategie mögen sich die Wege dahin etwas unterscheiden, aber letztlich geht es bei allen darum, dass sich zeigt, dass hier ein professioneller und transparenter Umgang stattfindet.

    • Klaus, dein Link ist übrigens heute, 8 Tage später, schon ungültig. Der Spendenhinweis ist im Blog nicht mehr zu finden. Es scheint sich also um eine sehr stark eingeschränkte Offenlegung zu handeln.

  3. Kopier den Link mal in einen neuen Tab und ruf ihn auf – dann funktioniert es. Offenbar blockt kuketz-blog die Verlinkung von curius.de über den Referer.

    • Danke für den Hinweis. So kann ich den Link aufrufen. Da Kuketz hat den Beitrag außerhalb seiner Blog Timeline gestellt hat, ist er ohne den direkten Link nicht zu finden. Finde das – wie Gerrit – etwas merkwürdig. Auf der “Unterstützen Seite” https://www.kuketz-blog.de/unterstuetzen/ wird es dann aber doch noch transparenter gemacht. Allerdings erwartet man es dort nicht. Fazit: Man kann die Infos finden, mit etwas Glück. Warum Kuketz die Angabe nur Semi-Transparent macht?

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